Culture | Radikal alt

Die Sache mit dem Alter

Die "Summer School Südtirol" geht heute in die letzte Runde. Nach einem fulminanten Eröffnungsabend ging es stets im frisch-frechen Ton ums Altern. Und um Straßennamen.
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Foto: SALTO
  • „Ich beobachte ältere Politiker, die längst nicht mehr im Amt sind, deren Meinung aber noch immer sehr präsent ist. Ich vermisse dagegen die älteren Politikerinnen und ihre Sicht auf die Dinge – Wissenschaftlerinnen, Historikerinnen, Philosophinnen, Autorinnen.“ So lautete einer der klar formulierten Sätze der Schriftstellerin Maxi Obexer, den sie im Rahmen der Eröffnungsrede zur 11. Summer School Südtirol äußerte. Die Initiatorin nahm eine Parabel von David Foster Wallace (This is Water) zum Ausgangspunkt: Junge Fische begegnen darin einem älteren Fisch – und wissen selbst nicht, dass sie im Wasser schwimmen.
     

    Nötig sei daher ein radikales Miteinander von Jung und Alt – eines, das Ahnungslosigkeit und Erfahrung verbindet, statt Generationen gegeneinander auszuspielen.
    [Maxi Obexer]

  • Die Radikalität des Alterns: „Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine solchen Rückfälle ins Autoritäre, Rassistische, Sexistische, Antidemokratische wie in unserer Zeit.“ Foto: SALTO

    In ihrer Rede betonte Obexer, wie wichtig ein Kontinuum zwischen den Generationen sei, wie sehr (wenn auch nicht immer) die Erfahrungen der Älteren zählten – „weil es nicht so sehr um das Alter geht, sondern um die Erfahrung“, so Obexer. Zugleich lenkte sie den Blick auf Altersdiskriminierung, eine stille Form der Ausgrenzung, die besonders Frauen betreffe. Wenn Alter, Geschlecht und Beruf zusammentreffen, verstärke sich zudem diese Unsichtbarmachung. Die Geschichte zeige, „dass Fortschritte oft durch Backlashes gebrochen“ würden. „Wie können wir dafür sorgen, dass es ein Kontinuum gibt, anstelle von Abbrüchen und Backlashes?“, fragte Obexer. „Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine solchen Rückfälle ins Autoritäre, Rassistische, Sexistische, Antidemokratische wie in unserer Zeit. Die letzten vier großen Demokratiebewegungen, die sich dagegen zur Wehr setzten, wurden immer wieder von Frauen angeführt – in Polen, im Iran, in Belarus und im Sudan. Ein Hinweis, der mir wichtig ist, denn die Frauenbewegungen werden heute gerne in die Schublade der Frauenrechte geschoben. Doch es sind und es bleiben Demokratiebewegungen.“
     

    Solche Menschen gibt es zuhauf – und nicht nur in Südtirol.


    Dann kam Obexer wieder auf die Älteren zu sprechen: „Für den Kampf um Klimagerechtigkeit, Geschlechtergleichheit, Chancengleichheit oder gegen Ausgrenzung und Benachteiligung gesellschaftlicher Gruppen brauchen wir Sie – jene, die schon vor uns gekämpft haben.“ 
    Doch was ist mit jenen, die es vorziehen, einfach mitzulaufen, opportun sind, nur wegen ein paar Euro? Solche Menschen gibt es zuhauf – und nicht nur in Südtirol.

  • Bernadette La Hengst im Schloss Velthurns: Neben rockigen Klängen mit gesellschaftspolitischen Texten von Bernadette La Hengst, gab es auch eine Ausstellungseröffnung zu einem Kinder-Foto-Projekt von Ludwig Thalheimer. Leo Andergassen sinnierte außerdem über Fresken, Kronos und die Zeit, Mariano Paris über die transgenerationale Weitergabe von Erfahrung in Unternehmen und Susanne Scholl las aus "Omas Bankraub". Anna Heiss sorgte informativ und temperamentvoll für die jeweiligen Übergänge zwischen den einzelnen Protagonisten und Protagonistinnen. Foto: SALTO

    Gerade im Kulturbereich, so Obexer, zeige sich Altersdiskriminierung besonders stark: Tänzerinnen oder Dramatikerinnen stießen früh auf Altersgrenzen; Förderstrukturen und Systeme verstärkten diese zusätzlich. Nötig sei daher ein radikales Miteinander von Jung und Alt – eines, das Ahnungslosigkeit und Erfahrung verbindet, statt Generationen gegeneinander auszuspielen.
    Am Ende ihrer Rede lancierte Maxi Obexer spontan ein Mitmach-Projekt, angelehnt an den Summer School-Vortrag der Historikerin Francesca Cont: Es gehe um die Erarbeitung einer Liste möglicher Namensgeberinnen für öffentliche Gebäude oder Straßen, die den Gemeinden künftig als Vorlage dienen könnten. „Wir haben unten ein Plakat, auf dem Sie die Namen eintragen können, und wir werden dafür sorgen, dass sie in die Öffentlichkeit zurückkehren.“ Bislang wurden einige durchaus spannende Vorschläge gesammelt – sogar Patti Smith hat es auf die Liste geschafft.
    Doch was hat Patti Smith mit Südtirol zu tun? Smith war vor einigen Jahren im Rahmen des Festivals Transart in der Bozner Bahnhofsremise zu Gast – in der Schlachthofstraße. Genau jene Straße, die gegenwärtig einige Cineasten nach dem Filmhelden Luis Trenker benennen wollen. Nur leider war Trenker kein Vorbild, sondern eher ein Abziehbild, das sein Gesicht für Mussolini gleich wie Hitler hinhielt und nach dem Krieg die Filmbranche sogar mit gefälschten Tagebüchern von Eva Braun täuschen wollte. Bei allem Respekt für Teile seines filmischen Schaffens, aber eine Straße nach einem derartigen Opportunisten benennen? Nein! Lieber also eine Patti-Smith-Straße in Bozen und eine Barbara-Gamper-Straße in Feldthurns. People have the power!

  • Patti Smith in der Bozner Schlachthofstraße: Den Weg aufzeigen, wo Ungerechtigkeit passiert. Warum nicht eine Straße nach Patti Smith benennen? Foto: Gregor Khuen Belasi
  • Summer School Südtirol