Ambiente | Landwirtschaft

Der EU zum Trotz

Die EU-Kommission will den europäischen Rechtsrahmen bei genetisch veränderten Pflanzen lockern. Drei Südtiroler Organisationen sind nicht überzeugt.
Gentechnik
Foto: Pexels/Tim Mossholder
  • „Nach geltendem EU-Recht müssten gentechnische Mechanismen eigentlich ein Zulassungsverfahren mit Risikobewertung durchlaufen. Außerdem müssen alle daraus entstandenen Lebens- und Futtermittel als genetisch verändert gekennzeichnet werden und rückverfolgbar sein“, erläutert Gunde Bauhofer von der Verbraucherzentrale Südtirol. 2018 wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt, dass dies auch für neue Verfahren, wie zum Beispiel die Genschere gilt. Im vergangenen Jahr brachte die EU-Kommission jedoch einen Vorschlag auf den Weg, das die gentechnisch verändert Pflanzen in zwei neue Kategorien einteilt: NGT-Pflanzen der Kategorien eins und zwei. Neue, gentechnisch veränderte Pflanzen der Kategorie eins, sollen den oben genannten, strengen Regulierungen nicht mehr unterworfen werden. Demnach würden das Zulassungsverfahren, die Risikobewertung und die Zertifizierung wegfallen. Letzte Woche hat auch der Ausschuss für Umweltfragen des Europäischen Parlaments dieser Deregulierung zugestimmt. Der Agrarministerrat hat derzeit noch keine einheitliche Position bezogen. Letztlich müssen noch die Verhandlungen mit dem Parlament und der Kommission geführt werden. Es findet auch noch die Abstimmung im Plenum des Ministerrats am sechsten Februar statt. Wie Bauhofer erklärt, sie im gesamten Gesetzgebungsprozess die Frage der Patente noch nicht geklärt. 

    Die Verbraucherzentrale Südtirol, der Dachverband für Natur und Umweltschutz und Bioland sind von genanntem Entwurf keineswegs überzeugt und erklären strickte Forderungen:

    1. Gentechnikfreie Land- und Lebensmittelwirtschaft soll geschützt werden
    2. Produkte, in denen Gentechnik enthalten ist sollen konsequent gekennzeichnet werden
    3. Die Risikoprüfung und das Zulassungsverfahren sollen wie bisher durchgeführt werden
    4. Haftungsfragen sollen geklärt werden und eine Rückverfolgbarkeit gewährleistet werden
    5. Patente auf Pflanzen, Tiere und deren genetische Eigenschaften sollen nicht erlaubt sein 
  • Pressekonferenz: Gentechnik soll den Beteiligten "vom Acker bleiben". Foto: SALTO

    Der Verbraucherzentrale zufolge, wolle auch die Bevölkerung genaue Regelungen. Aus einer Umfrage, durchgeführt in Deutschland ginge hervor, dass sich 92 Prozent der Befragten wünschen, dass neue genveränderte Pflanzen durch ein Etikett gekennzeichnet werden. Außerdem verlangen 96 Prozent einen Risikotest für die Pflanzen.

    Auch Bergbäuerin Anja Matscher aus dem Vinschgau findet klare Worte: „Ich will auch zukünftig wissen was ich esse.“ Auch was die Landwirtschaft betrifft äußert sie Bedenken. Was die Gentechnik angeht wisse man nicht was sich bezüglich der Patentrechte alles im Hintergrund abspiele. Wie Matscher erläutert besäßen die großen Saatgutkonzerne wie Monsanto derzeit weltweit etwa 1.500 Patente auf neue, genveränderte Pflanzen. „Ich befürchte eine massive Abhängigkeit der Landwirtschaft von groß Unternehmen, aufgrund der Patentrechte“, meint die Vinschgerin. Was die aktuelle Situation im europäischen Patentamt angeht, welches keine europäische Institution ist, seien neue genomische Techniken patentierbare Prozesse. Und es gebe derzeit keine Garantie, dass sich daran etwas ändert. „Damit ist jedoch nicht genug! Nicht nur die Technik zur Genveränderung wird patentiert, sondern auch alle daraus entstehenden Erzeugnisse“, erläutert die Bäuerin. Klarerweise könnten während des Prozesses deshalb auch Lizenzgebühren anfallen, fügt sie an. 

    Der Bioland Vorsitzende Walter Steger schließt sich dem an und appelliert an die Politik und ruft sie dazu auf, im Sinne des Volkes zu handeln. Im selben Moment weist er auf natürliche und biologische Züchtungsverfahren hin.

    Nicht zuletzt der Südtiroler Dachverband für Natur und Klimaschutz spricht sich gegen das Vorhaben der EU-Kommission aus. „Wir sind klar für eine Kennzeichnung der neuen gentechnischen Pflanzen. Produzenten und Konsumenten müssen selbst entscheiden können was sie erzeugen oder kaufen wollen“, so Helmuth Scartezzini vom Dachverband. Ihm zufolge müsse es auch eine Bewertung des Risikos und der Sinnhaftigkeit geben. Scartezzini wirft auch eine Frage in den Raum: „Wem nützt die neue Gentechnik? Dem Produzenten, dem Konsumenten oder der Umwelt?“