Kuhn in troubles
Volle Aufklärung und volle Transparenz: Das ist das Versprechen, das Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader in Sachen Erl-Gate gibt. Also solches kann man die Affäre rund um den ehemaligen künstlerischen Leiter des Bozner Haydn-Orchesters Gustav Kuhn mittlerweile getrost bezeichnen. Just zum zwanzigsten Jubiläum der angesehen Tiroler Festspiele Erl kommen der Maestro und sein Werk nicht mehr aus den Negativ-Schlagzeilen. „Lohndumping“, „schlechte Arbeitsbedingungen“, „respektloses Verhalten“ bzw. gar "sexuelle Nötigung": Die Vorwürfe, die ursprünglich vom Tiroler Blogger Markus Wilhelm auf seinem Blog dietiwag in anonymisierten Aussagen zahlreicher MusikerInnen und SängerInnen aufgebracht worden waren, werfen alles andere als ein gutes Licht auf ein Festival, das zuletzt mit 1,15 Millionen Euro an Steuergeldern gefördert wurde und mit 20.000 Gästen mehr als eine Millionen Euro an Einnahmen verzeichnete.
Nachdem auch die „Art but fair“-Bewegung, die sich für gerechte Entlohnung und faire Arbeitsbedingungen in der Musik- und Schauspielbranche einsetzt, bestätigte, dass regelmäßig Beschwerden von Künstlern an sie herangetragen werden – „Erl ist, wenn man das so sagen kann, unser bester ‚Kunde“, sprangen nicht nur österreichische, sondern auch deutsche Medien wie die Süddeutsche Zeitung, der Deutschlandfunk und der Bayerische Rundfunk auf die Affäre auf. Und: Seit dieser Woche gibt es erstmals eine nicht anonyme Anzeige gegen die Festspiele, die in Form eines Mails an das Land Tirol ging und am Mittwoch an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. An deren Echtheit scheint es allerdings auch von Seiten der Tiroler Landesrätin Zweifel zu geben. „Ich habe gehört, dass es sich bei der Absenderin um eine erfundene Person handeln könnte“, sagt Landesrätin Palfrader gegenüber der Tiroler Tageszeitung. Es sei aber ihre Pflicht, alles vorzulegen, was zur Klärung der Vorwürfe im Fall Erl beitragen könne.
Festspielpräsident und Mäzen Hans Peter Haselsteiner, dessen Privatstiftung alleiniger Gesellschafter der Festspiele ist, sprach gar von einem „Internet-Troll“. Laut dem Bau-Tycoon mit Südtirol-Connection sind die Vorwürfe von angeblichem Lohn- und Sozialdumping, Lohnwucher oder Scheinselbstständigkeit ohnehin längst durch die Tiroler Gebietskrankenkasse und Finanzpolizei geklärt worden. „Und dass wir nicht so viel zahlen können wie die Wiener Philharmoniker und auch keine Gagen bieten können, wie sie die Anna Netrebko erhält, ist auch klar. Denn dann gäbe es nämlich gar keine Festspiele Erl“, meint der Festspielpräsident. Auch Gustav Kuhn selbst hatte zu Beginn der Woche erstmals medial zu den Vorwürfen Stellung bezogen und sie als „„Irrsinn und völligen Unfug“ zurückgewiesen. „Eine Besetzungscouch gibt es vielleicht in Hollywood, ganz sicher aber nicht in meinem Büro in Erl“, meinte er dabei unter anderem.
"Wir schauen da genau hin"
Doch in diesem Stadium der Eskalation reicht solche Aussagen nicht mehr aus, um das Feuer zu löschen.„Die Anschuldigungen sind massiv, sollte auch nur ein Teil davon wahr sein, muss schnellstens gehandelt und sichergestellt werden, dass dem sofort ein Riegel vorgeschoben wird“, wird auch von Gewerkschafsseite eine schnellmöglichste Aufklärung der Causa gefordert. Dort wird "Erl-Opfern" nun auch "Beratung in vier Sprachen" versprochen - viele der vermeintlichen Opfer kommen aus Osteruopa. „Wir werden unseren Beitrag dazu leisten“, erklärte unter anderem der Vorsitzende der „younion - Die Daseinsgewerkschaft Tirol“ Bernd Leidlmair, der auch im technischen Bereich umfassende Überprüfungen ankündigte. „Wir schauen da genau hin.“
Was anderes bleibt auch dem Land Tirol nicht über, das neben dem Bund im dreiköpfigen Vorstandsteam der Festivals-Stifung sitzt und sich nun auch mit der Frage konfrontiert sieht, ob das Gebaren ausreichend kontrolliert wurde. Kulturlandesrätin Palfrader verweist darauf, dass es die aktuelle Stiftungskonstruktion erst seit vergangenem Jahr gibt, sie aber bislang nie von Vorwürfen Kenntnis hatte. Bereits in der kommenden Woche soll aber eine Sitzung des Stiftungsrates einberufen werden, um konkrete Maßnahmen zu beschließen, wie in der Causa abseits der gerichtlichen Ermittlungen Licht ins Dunkel gebracht werden könnte, kündigte die Landesrätin am Mittwoch Abend auf ORF Tirol an. „Ich werde vorschlagen, eine unabhängige Kommission einzurichten, an die sich alle Menschen, die sich benachteiligt fühlen oder sexueller Gewalt ausgesetzt waren, wenden können“, sagte Palfrader dort unter anderem. Das wichtigste Ziel muss laut ihr nun darin liegen, „dass der Ruf dieser Festspiele nicht zerstört wird“. Ob man seinen 72-jährigen Leiter dann nicht auch besser auswechseln sollte, beantwortet die Tiroler Landesrätin nur indirekt. Man habe über die mittel- und langfristige Führung des Festivals bereits im letzten Stiftungsrat im Herbst diskutiert und werde darüber „sicher im nächsten Stiftungsvorstand genauer beraten“.