Economia | Landwirtschaft

„Wir sind keine Herdenschutzexperten“

Ex-Landesrat Arnold Schuler hat vor Kurzem auf SALTO mit dem Bauernbund in Sachen Wolf abgerechnet. Nun folgt die geharnischte Antwort von Siegfried Rinner.
Siegfried Rinner Arnold Schuler
Foto: Gemeinde Kaltern/LPA
  • Ein Stachel im „Fleisch“ des Ex-Landesrates für Forst und Landwirtschaft, Arnold Schuler, sitzt anscheinend sehr tief, und zwar der Wolf. Insbesondere bei diesem Thema gingen die Meinungen und Vorstellungen zwischen Schuler und dem Bauernbund bzw. den Bauern diametral auseinander. Während der Ex-Landesrat den Verband in die Pflicht nehmen und die Landwirte dazu zwingen wollte, Herdenschutzmaßnahmen umzusetzen, beschuldigten diese Schuler die Hände in den Schoß zu legen und zuzusehen, wie die Almwirtschaft zugrunde geht. Vor einer Woche hat der ehemalige Landesrat und nunmehrige Landtagspräsident im Gespräch mit SALTO dem Bauernbund Blockadehaltung in dieser Frage vorgeworfen. Nicht auf sich sitzen lässt diese Vorwürfe der Verbands-Direktor Siegfried Rinner, der uns eine Stellungnahme hat zukommen lassen. Der Text im Wortlaut:

    Der Südtiroler Bauernbund weist die Schuldzuweisungen von ex-Landesrat Arnold Schuler in Sachen Wolf zurück. Schuler selbst hat seine Hausaufgaben nicht ordentlich gemacht: vereinbarte Herdenschutz-Pilotprojekte wurden nicht umgesetzt und der letzte Wolfsbericht des Landes ist vier Jahre alt. 

    Bereits 2020 haben der Südtiroler Bauernbund und der damalige Landesrat Schuler eine Vereinbarung unterzeichnet, mit der die gemeinsame Vorgehensweise gegen Wölfe definiert wurde. Von dieser Vereinbarung wurde allerdings vom Landesrat nur wenig umgesetzt. Wo blieben die Bemühungen für einen Managementplan für die Alpenregionen? Wo die vereinbarte Studie über die Folgen der Wolfsverbreitung? Auch das Wolfsmonitoring, die schnelle DNA-Analyse und der transparente Umgang mit Wolfsrissen wurden unzureichend umgesetzt. Seinen letzten Wolfsbericht hat das Amt für Jagd und Fischerei im Jahr 2020 veröffentlicht. 

  • Siegfried Rinner, Direktor des Südtiroler Bauernbundes: „Herdenschutz ist eine Aufgabe für Profis: Er muss professionell gemacht und lückenlos dokumentiert werden.“ Foto: SWR-EA

    Was den Herdenschutz betrifft, sah die Vereinbarung mit dem Landesrat u. a. konkrete Pilotprojekte auf Almen vor. Die Landesverwaltung hätte dafür sämtliche Kosten für Material und Personal einschließlich der Behirtung übernehmen sollen. Auch das wurde vom Landesrat nur teilweise umgesetzt. Für den Herdenschutz reicht es eben nicht, den Zaun gut zu bezahlen. Herdenschutz ist eine Aufgabe für Profis: Er muss professionell gemacht und lückenlos dokumentiert werden. Die Ausführung der Arbeiten muss amtlich überwacht werden. Nur so wird der Herdenschutz vor Gericht gegen jeden Zweifel standhalten. Ansonsten würde es immer heißen, der Bauer und die Bäuerin hätten dieses oder jenes nicht richtig ausgeführt. Diese Vorwürfe kennen wir bereits zur Genüge. Einen solchen professionellen Herdenschutz können unsere Bäuerinnen und Bauern nicht leisten. Das bedeutet, dass ein amtlicher Herdenschutz oder ein Herdenschutz durch Profis mit amtlicher Begleitung umgesetzt werden muss. Pilotprojekte im Bundesland Tirol beziffern die Kosten dafür auf 114 Euro pro Schaf und Jahr, was bei 40.000 gealpten Schafen und Ziegen fast 5 Millionen Euro jährlich ausmachen und – noch problematischer – einige Hundert  Hirten zusätzlich erfordern würde.

    Darum hätte Landtagspräsident Schuler diesen Herdenschutz von Profis durchführen und massiv unterstützen sollen, genauso wie es für einige wenige Politprojekte im Bundesland Tirol geschehen ist. Das ist nicht geschehen, obwohl es im Rahmen von Pilotprojekten beihilfenrechtlich durchaus möglich wäre. Die ganze Arbeit den Bauern und Bäuerinnen anzulasten, geht nicht. Hier braucht es weit mehr Einsatz und Professionalität der öffentlichen Hand. 

     

    „Die ganze Arbeit den Bauern und Bäuerinnen anzulasten, geht nicht.“

     

    Wenn Landtagspräsident Schuler im Zusammenhang mit Herdenschutz auf die Förderungen für die Almen verweist, dann muss uns klar sein, dass diese Unterstützung für die Pflege der Almen, die Verbesserung der Infrastrukturen und der Weide verwendet werden sollen. Müssen die Almbewirtschafter dieses Geld dem Wolf in den Rachen werfen? Dieser Hinweis aus Schulers Mund wundert mich sehr. 

    Herdenschutz hat nirgends in den Alpen ausreichend funktioniert. Nicht in der Schweiz, nicht in Frankreich und auch nicht im Trentino. Eine Maßnahme nach der anderen wurde überwunden, der Wolf hat immer gelernt, wie er zu seiner Beute kommt. Es kam zu einem Wettrüsten, aus dem immer der Wolf als Sieger hervorging. Mit dem Herdenschutz dressieren wir die Wölfe. In Frankreich und der Schweiz wird der Wolf jetzt bejagt, was die Wirksamkeit des Herdenschutzes etwas verbessert. In Italien schauen wir zu, wie sich der Wolf vermehrt und wir tun so, als sei dieses Tier heilig und wertvoller als jeder Mensch. In der Toskana gibt es mittlerweile Wölfe inmitten von Städten und Dörfern. Die Haustiere stehen dort auch auf ihrem Speiseplan. 

     

    „Mit dem Herdenschutz dressieren wir die Wölfe.“

     

    Es braucht eine gemeinsame Strategie, da stimme ich Landtagspräsident Schuler zu. Wenn wir dazu auch in Südtirol beweisen müssen, dass Herdenschutz nicht funktioniert, dann muss dieser Beweis von der Landesverwaltung geplant, getragen und professionell dokumentiert werden. Wir unterstützen das nach Kräften, aber wir können nicht die Hauptlast tragen, denn unsere Bäuerinnen und Bauern sind keine Herdenschutz- und Wolfexperten. 

    SBB-Direktor Siegfried Rinner