Politica | SVP
Sarner Inquisition
Foto: Privat
Am Ende ist es der Parteiobmann, der die Notbremse zieht. „Franz, das ist nicht der richtige Weg“, sagte Philipp Achammer an diesem Montag auf der Sitzung der SVP-Parteileitung in Richtung Franz Locher. Und um ja keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wird der SVP-Obmann noch deutlich: „Niemand von uns wird diese Erklärung unterschreiben“.
Philipp Achammer hat damit energisch eine peinliche Geschichte beendet, die durchaus den Stoff für einen Bauernschwank abgeben würde.
„Mir scheint hier haben einige nicht mehr alle Tassen im Schrank“, reagiert ein Mitglied der Parteileitung weit ungehaltener, „zum Glück hat der Obmann jetzt ein Machtwort gesprochen“.
Die Durchstechereien
Detaillierte Berichte über SVP-Sitzungen oder vertrauliche Sitzungen im Landtag gehören seit Jahrzehnten zum täglichen Brot der Südtiroler Presse. Bewusst herausgegebene Informationen von Sitzungsteilnehmern machen dabei die Güte der Berichte aus. Diese Durchstechereien haben eine lange Tradition. So konnte man bereits in den 1960-er Jahren gewisse Wortmeldungen aus dem Parteiausschuss fast wörtlich in den Dolomiten nachlesen.
Mit der Medienvielfalt im Land haben natürlich auch diese Indiskretionen und auch die Quellen dafür deutlich zugenommen. Genau das gefällt verständlicherweise vielen innerhalb der SVP nicht. So hat auch Philipp Achammer an diesem Montag in der Parteileitung einen klaren Appell lanciert: Niemand soll Interna aus den Sitzungen nach außen tragen. Denn das sei ein unkollegiales Verhalten.
Nicht nur in der SVP scheint man genau an diesem Punkt in den vergangenen Jahren besonders empflindlich geworden zu sein. Auch im Landtag ist urplötzlich die amtliche Scheinheiligkeit und Verwunderung ausgebrochen. Nachdem Salto.bz über die Zeugenaussagen im Maskenuntersuchungsauschuss berichtet hat, spekulierte nicht nur eine Tageszeitung um „mögliche Wanzen im Sitzungssaal“, sondern man diskutierte das Thema ernsthaft in der Fraktionssprechersitzung.
Wir nervös und empfindlich man derzeit aber innerhalb der SVP ist, macht jetzt die Posse um Franz Locher deutlich.
Die Wortmeldung
Ausgangspunkt der Geschichte ist ein ordentlicher Lacher.
Am 18. August triff sich die SVP-Parteileitung, um eine Art Scherbengericht über die drei 600-Euro-Sünder Arnold Schuler, Helmut Tauber und Gert Lanz zu halten. In der kontroversen Diskussion meldet sich auch Franz Locher zu Wort. Der Sarner SVP-Landtagsabgeordnete verteidigt seine drei Landtagskollegen und erklärt im breiten Dialekt, dass auch er bereits das Ansuchen für den Bonus am Computer ausgefüllt habe, dann aber vergessen habe den Knopf zu drücken, um das Gesuch abzuschicken. Die gesamte Parteileitung quittiert Lochers Ausführungen mit einem Lachen.
Am nächsten Tag berichteten Salto.bz und die Tageszeitung über diese Episode. Franz Locher meldet sich daraufhin in der Redaktion der Tageszeitung und verlangte eine Richtigstellung. Er habe das so nicht gesagt. Am 21. August veröffentlicht Tageszeitungs-Chefredakteur Artur Oberhofer aber anstatt einer Richtigstellung dann „exklusiv das Wortprotokoll der Aussage von Franz Locher“. Es wird dabei die gesamte Wortmeldung im Sarner Dialekt wiedergegeben, so wie sie Locher drei Tage zuvor im großen Sitzungssaal am SVP-Sitz gemacht hatte.
Im Schach wurde man sagen: Schachmatt.
Für Franz Locher geht die Partie damit aber erst richtig los.
Das Rundschreiben
Am 24. September verschickt Franz Locher an alle Mitglieder der SVP-Parteileitung eine E-Mail:
„Werte Parteikolleginnen und Parteikollegen,
die Sitzung der Parteileitung am 18.08.2020 wurde seitens eines Anwesenden aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen wurden anschließend direkt an die Presse weitergegeben. Dieser Umstand stellt nicht nur eine grobe Verletzung des Vertraulichkeitsprinzips innerhalb der SVP-Partei dar, sondern ist auch höchst unkollegial.
Die Artikel die daraufhin in verschiedensten Medien über mich erschienen sind, haben nicht nur mir persönlich und politisch geschadet, sondern ebenso nicht wenig unserer Partei.
die Sitzung der Parteileitung am 18.08.2020 wurde seitens eines Anwesenden aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen wurden anschließend direkt an die Presse weitergegeben. Dieser Umstand stellt nicht nur eine grobe Verletzung des Vertraulichkeitsprinzips innerhalb der SVP-Partei dar, sondern ist auch höchst unkollegial.
Die Artikel die daraufhin in verschiedensten Medien über mich erschienen sind, haben nicht nur mir persönlich und politisch geschadet, sondern ebenso nicht wenig unserer Partei.
Um zu beglaubigen, dass Sie als Anwesende/r der genannten Sitzung vom Verdacht der Weiterleitung der Aufnahmen auszuschließen sind, ersuche ich Sie höflichst die Erklärung im Anhang auszufüllen, sowie eine Kopie Ihres Personalausweises beizulegen und innerhalb 30.09.2020 an mich zurückzusenden!
Ich bedanke mich für die parteiinterne Zusammenarbeit und hoffe sehr, dass solche Fehltritte nicht wiederholt werden!
Ebenfalls ersuche ich Sie, den Inhalt diese E-Mail laut den EU-Datenschutzbestimmung vertraulich zu behandeln!
Mit freundlichen Grüßen
Franz Locher."
Die Erklärung
Im Anhang findet sich dann eine vorformulierte Erklärung, die eher an die Inquisition als an eine politische Auseinandersetzung im dritten Jahrtausend erinnert.
Der Text:
Vorausgeschickt,
-
dass am Dienstag, den 18. August 2020 eine Sitzung der Parteileitung der Südtiroler Volkspartei stattgefunden hat;
-
dass in dieser Sitzung Herr Locher Franz sich auch zu Wort gemeldet hat;
-
dass in der Ausgabe der Tageszeitung vom 21. August 2020 auf Seite 2 die Stellungnahme wortwörtlich – und auch in Dialekt – wiedergegeben wurde;
-
dass folglich die Wortmeldung aufgenommen oder illegal abgehört wurde,
ERKLÄRE
ich unterfertigter xx xx , geboren am xx. xxx xx in xxx, wohnhaft in xxx, xxx , Mitglied der SVP-Parteileitung,
-
die Sitzung der SVP-Parteileitung vom 18. August 2020 mit keinem technischen Gerät aufgenommen zu haben,
-
weder direkt noch indirekt Vertretern der Medien eine Aufnahme dieser Sitzung zugespielt zu haben,
-
keine Kenntnis darüber zu haben, wer diese Aufzeichnung den Medienvertretern zugespielt hat.“
Neben der Unterschrift auf dieser Erklärung soll jede und jeder Unterzeichner/in auch eine „Kopie der Identitätskarte“ beilegen.
„Diese Erklärung ist eine Frechheit und eine Zumutung“, ärgert sich ein hoher SVP-Funktionär. Innerhalb der SVP geht man davon aus, dass diese Aktion nicht allein auf dem Mist von Franz Locher gewachsen ist. Ein Landtagsabgeordneter: „Jemand hat ihn angestiftet.“
Der Helfer
Dass der streitbare langjährige Sarner Bürgermeister bei diesem Himmelfahrtkommando zumindest einen prominenten Helfer hatte, kann dokumentiert werden. Auf der verschickten Fac-Simile-Erklärung ist dort, wo der Name des Unterzeichners und die Unterschrift stehen soll, ein Name gerutscht. „Christoph Perathoner“.
So etwas passiert, wenn man am Computer für ein Formular „automatisch ausfüllen“ eingestellt hat. Der Fehler scheint vor dem Verschicken des Formulars niemandem aufgefallen zu sein. Schaut man sich die Eigenschaften des Dokumentes an, scheint ebenfalls Christoph Perathoner als Autor der Erklärung auf. Bearbeitet wurde das Dokument zuletzt von einer Anwältin aus seiner Kanzlei.
Christoph Perathoner dürfte Franz Locher demnach in dieser Sache anwaltschaftlich vertreten. Doch so einfach ist das nicht. Denn Christoph Perathoner ist seit Jahren amtierender Obmann des SVP-Bezirkes Bozen Stadt und Land. In dieser Funktion sitzt er auch in der SVP-Parteileitung und ist direkt von den Auswirkungen betroffen.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass der politische erfahrene Bozner SVP-Bezirksobmann die Aktion von Franz Locher nicht nur aktiv unterstützt, sondern das Anliegen des Sarner Landtagsabgeordneten auch teilt. Sonst würde er sich für diese Posse wohl kaum hergeben.
Das heißt aber, dass die SVP ein weit größeres Problem hat, als nur Franz Locher.
Effetua login per aggiungere un commento!
Wohl nur eine Lachnummer,wenn
Wohl nur eine Lachnummer,wenn es nicht um eine ernste Angelegenheit ginge!
Die Partei, dein
Die Partei, dein vertrauenswürdiger Freund und Helfer im Kampf gegen das Vergessen.
Wieviel Glaubwürdigkeit verdient eine Person, eine Partei? Hinter geschlossenen Türen klare Worte, vor den Türen nur mit Makeups und Krawatte.
Irgendwie haben die Eigenerklärungen zu Corona ihre Schatten hinterlassen.
Es gab einmal Politiker mit
Es gab einmal Politiker mit Format.....nun im Jahre 2020 ist diese Tugend verschw......
zum Vorbild:
zum Vorbild:
Gorbatschow “Glasnost & Perestroika”
Feind - Todfeind - Partei
Feind - Todfeind - Partei-Freund.
Da fragt man sich schon, besonders bei all den Leistungen eines H. Egarter, F. Volgger... in der SVP: Soll man darüber nun lachen oder traurig sein?