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Politica | Demokratie als Posse

Gemeindezeitung oder Parteizeitung?

Wie in Kastelruth die Gemeindezeitung zum Sprachrohr einer Partei gemacht werden soll – und was das über unser Demokratieverständnis verrät.

Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Titelseite Dezember Gemeindezeitung Kastelruth
Foto: Sylvia Rier
  • Ja, ich höre sie schon verächtlich schnauben - die Vertreter:innen und Profiteur:innen des Systems, jetzt sei es aber doch genug, mit dieser Kleinigkeit. Aber es ist keine Kleinigkeit, sondern ein gravierender Vorfall, wenn eine Bürgermeisterin versucht, eine Gemeindezeitung – finanziert aus Steuergeldern und somit im Besitz aller Bürger:innen – für ihre Parteizwecke zu vereinnahmen. 

    Die Vereinnahmung einer Gemeindezeitung

    Es ist überdies keine Kleinigkeit, weil diese Begebenheit ein klares Bild zeichnet davon, wie die Verhältnisse in unserem Land gestrickt sind, und wie ein System, eine „Regierungs“-Form, die direkt dem 18. Jh. entsprungen scheint, funktioniert. Und zwar so: Ich habe die „Gemeindezeitung Kastelruth“ seit Juli letzten Jahres betreut, und zwar nach meinem Verständnis im Sinne und im Auftrag der Bürger:innen der Gemeinde, finanziert aus deren Mitteln. Nun, nach sechs (sic!) Monaten behauptet plötzlich Frau Bürgermeisterin, es sei „prioritäre Aufgabe der Gemeindezeitung, die Arbeit der Gemeindeverwaltung nach außen zu tragen“ (Wahlen ante portas? Wahlen ante portas!).

    Einmal davon abgesehen, dass diese „Erkenntnis“ sie bemerkenswert spät ereilt, ist zudem ihr Verständnis von „Gemeindeverwaltung“ bemerkenswert einseitig und ignoriert geflissentlich, dass der Gemeinderat aus 9 SVP- und 8 Oppositionsmitgliedern besteht. Nach einem einigermaßen modernen Demokratieverständnis müsste also schon der sog. „Hausverstand“, jedenfalls aber die Fairness und der [politische] Anstand gebieten, den Oppositionen angemessenen Raum in der Gemeindezeitung zur Verfügung zu stellen. Nicht so in Kastelruth – hier herrscht noch Vormoderne [im Rathaus zumal].

    Vormodernes Demokratieverständnis

    Besonders deutlich zeigte sich dieses verzerrte Demokratieverständnis, als kürzlich (in der Dezember-Ausgabe) ein Beitrag des Oppositionsrates Simon Profanter (Freie Liste) veröffentlicht werden sollte. Darin kritisierte er die diskussionslose Ablehnung eines Antrags seiner Liste. Der Beitrag wurde von mir in der Rubrik „Gemeinde“ eingeordnet – wo er inhaltlich hingehört. Die Bürgermeisterin jedoch - die übrigens entgegen gängiger Praxis das Layout "überprüft", bevor die Zeitung in Druck gehen kann –, verlangte, dass der Beitrag in die Rubrik „Leserbriefe“ oder „Vereine“ verschoben werde – was einer klaren politischen Abwertung gleichgekommen wäre. Der Beitrag eines Gemeinderates, als Leserbrief? Eine – zumindest – ungewöhnliche Vorstellung. In der Tat habe ich mich dieser Forderung widersetzt.

    Und genau hier springt der demokratisch gesinnte Hase gepeinigt im Pfeffer rum, bzw. zeigt sich deutlich  das Demokratie- bzw. „Herrschafts“-Verständnis von Frau Bürgermeisterin: Gemeindeverwaltung, das ist sie selbst und ihr Ausschuss. Danach ist Ende Gelände für Frau Bürgermeisterin von SVP.

  • Verzerrtes Machtgefüge

    Wer nun aber sich von diesem Verständnis irritiert fühlt – wer nicht? – und auf den Seiten der Marktgemeinde Kastelruth die Reiter „Verwaltung“, danach „Verwaltungsstruktur“ öffnet, der zeigt sich unter dem Link „Organigramm“ folgendes Bild:

  • Foto: Marktgemeinde Kastelruth
  • Ganz oben (!) in dieser Hierarchie steht der Gemeinderat, darunter (!) folgt der Gemeindeausschuss, und ganz unten (!) steht Frau Bürgermeisterin. Es gibt also, meine ich, keine Logik [allenfalls Willkür], die es einer Bürgermeisterin erlauben würde, Oppositionsrät:innen von der „Gemeindeverwaltung“ auszuschließen; sie sind vielmehr anspruchsberechtigte (!) Teilhaber:innen [auch] an der Gemeindezeitung. 

    Nein, dies alles ist keine Kleinigkeit – es ist vielmehr sehr verstörend. Und also abschließend: Wenn Frau Bürgermeisterin behauptet, ich – die Koordinatorin – hätte „die Aufgabe der Gemeindezeitung falsch verstanden“ (NSTZ online, 1.1.25/Thomas Vikoler), dann irrt sie ja womöglich - und ist vielleicht sie diejenige, die die "Aufgabe [...] falsch verstanden" hat.