Politica | Präsidentenwahl

Berlusconi im Trümmerfeld

Renzis politisches Hasardspiel um Mattarellas Wahl hinterläßt in den Parteien Berlusconis und Alfanos ein wahres Trümmerfeld.

Seine 20-jährige politische Laufbahn war stets von Siegen und Niederlagen gekennzeichnet. Doch das Desaster, vor dem Silvio Berlusconi nach der Wahl Sergio Mattarellas steht, könnte das Ende seiner Karriere einläuten. Nach der missglückten Machtprobe mit seinem Gegenspieler Matteo Renzi steht der Ex-Premier vor einem Trümmerfeld, in der Partei fliegen die Fetzen.  Dass Berlusconi das Debakel selbst verursacht hat, läßt seine Lage noch misslicher erscheinen. Über 40 Parlamentarier haben seine Weisung mißachtet und für Mattarella gestimmt. Weitere 36  stehen hinter dem parteiinternen Herausforderer Raffaele Fitto und fordern einen sofortigen Neubeginn mit Annullierung aller Parteiämter: azzeramento immediato.

Der Zorn vieler Parlamentarier richtet sich vor allem gegen Berlusconis langjährigen Strippenzieher Denis Verdini und seinen engen Berater Gianni Letta. Fitto spricht von einem Komplott. Wie es weitergehen soll, weiß niemand. In den nächsten Tagen könnte ein neues Führungsgremium entsehen, das über die zukünftige Entwicklung entscheiden soll. FI-Mitbegründer Giuliano Urbani zeigt sich pessimistisch: "La storia di Berlusconi non finisce in gloria." Etliche Parlamentarier wollen zur Lega Nord abwandern, um sich die Wiederwahl zu sichern. "C'é la fila", bestätigt Senator Roberto Calderoli. "Ma non facciamo campagna acquisti, non abbiamo interesse a fare da scialuppa ai naufraghi." Kaum besser sieht es in Angelino Alfanos NCD aus, in der sich politisches Erdbeben anbahnt. Der Fraktionssprecher im Senat, Maurizio Sacconi, ist ebenso zurückgetreten wie die Sprecherin Barbara Saltamarini, die ihre Absicht bekundet hat, zur Lega zu wechseln. Alfano sieht sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Der Gründungskongress von Corrado Passeras neuer Partei Italia unica wurde von etlichen Parlamentariern mit Sympathie verfolgt. Posten gibt es dort freilich noch nicht zu vergeben.  Im Kreuzfeuer erregter Kritik steht die dilettantische Regie Alfanos und Berlusconis bei der Präsidentenwahl.

Dagegen sieht die Fünfsterne-Bewegung einmal mehr Anlass zu Selbstlob und wertet die Präsidentenwahl als "discreta vittoria" des M5S, der es einmal mehr versäumt hat, aus der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit zu treten. Zunächst übte man sich in politischer Schizophrenie: ausgerechnet von ihrem  Erzfeind Renzi, der von Grillo täglich als Halunke und Trottel beschimpft wird, forderte die Bwegung eine Liste von Namen, um darüber abzustimmen. Fast so, als würde Vendola Berlusconi um einen Vorschlag ersuchen. Renzis Einladung zu den Beratungen mit allen Parteien wurde ausgeschlagen. Dann ersuchte die Bewegung in einem Brief 400 Parlamentarier des PD um persönliche Vorschläge. Nach dem Scheitern dieser Versuche wurden eilig quirinarie angesetzt, um die Basis zu befragen.  Dass sich unter neun vorgeschlagenen Namen keine einzige Frau befand, stieß ebenso wenig auf Irritation wie der Umstand, daß an zweiter Stelle Romano Prodi aufschien - Vater jenes Euro, gegen den der M5S gerade eine Volksabstimmung beantragt hat.

Wesentlich erfolgreicher agierten Lega und Fratelli d'Italia, die mit dem Journalisten Vittorio Feltri einen attraktiven Kandidaten präsentierten. Während sich die Rechtsparteien die Wunden lecken, kann Matteo Renzi seinen Triumph genießen. Doch der Burgfrieden mit der Parteilinken könnte von kurzer Dauer sein. In wenigen Tagen steht in der Kammer die Endabstimmung über das umstrittene Wahlrecht an, dessen Änderung von der parteiinternen Minderheit vehement gefordert wird. In diesem Fall müsste es in den Senat zurückkehren, in dem Renzi nur über eine wackelige Mehrheit verfügt. Dagegen wird sich der Premier mit aller Kraft stemmen - und mit dem Rückenwind seines jüngsten politischen Triumphes.