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Transparente Zensur

Die Anwendung der Privacy-Gesetzgebung wird immer absurder. Welche Blüten dieser Wahn inzwischen treibt, zeigen zwei aktuelle Beschlüsse der Südtiroler Landesregierung.
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Foto: upi
In der Zeit des Ersten Weltkriegs war die Zensur im Heiligen Land Tirol besonders streng. Und so scheint es auch heute wieder zu sein.
Der einzige Unterschied: Damals wollte es der Kaiser. Heute angeblich die Privacy-Gesetzgebung.
In welchen absurden Wahn der Südtiroler Amtsschimmel dabei verfallen ist, zeigen zwei aktuelle Beschlüsse der Landesregierung.
Nach den geltenden Transparenzbestimmungen muss die Landesregierung ihre Beschlüsse im Internet den Bürgerinnen und Bürgern zugänglich machen. Weil es auf der anderen Seite aber in Italien eine immer strengere Auslegung der Privacy-Bestimmungen gibt, kommt es zu einem latenten Konflikt zwischen diesen beiden Prinzipien.
Im Fall der Landesregierung löst man das so, dass man einen beachtlichen Teil der Beschlüsse mit Verweis auf der Privacy-Gesetzgebung erst gar nicht veröffentlicht. Bei jenen Beschlüssen, die man veröffentlicht, kommt es aber mitunter zu Auswüchsen, die an die Zensur im Ersten Weltkrieg erinnern.
 

Graue Balken

 
Etwa bei der Veröffentlichung der Beschlüsse Nr. 35 und Nr. 43 vom 17. Jänner 2017.
Wer sich die beiden Beschlüsse anschaut, der wird im wahrsten Sinne des Wortes seinen Augen nicht mehr trauen.
Bereits auf den Deckblättern finden sich grauen Zensurbalken, die jeden konkreten Hinweis auf den Gegenstand des Beschlusses verdecken.
 
 
Die grauen Zensurbalken ziehen sich dann wie ein roten Faden durch den ganze Beschluss. Akribisch hat ein Beamter oder eine Beamtin dabei jeden Hinweis auf Personen, Orte und handelnde Institutionen zensiert.
Verdeckt wird dabei nicht nur der Rekurssteller (was vielleicht noch Sinn machen würde), sondern auch derjenige gegen den sich der Rekurs richtet. Was dem Fass aber wirklich den Boden ausschlägt: Mit grauen Balken werden auch die Gemeinden unterlegt in denen die angefochtenen Baumaßnahmen genehmigt wurden.
Fallen in Südtirol plötzlich auch Gemeinden unter den Datenschutz? Haben auch Sie als öffentliche Körperschaften ein Recht auf Privacy?
Wohl kaum. Hinter dem Schildbürgerstreich steht der Versuch, Aussenstehenden die Suche nach den genauen Angaben zu erschweren.
 

Völlig hirnrissig

 


Was ganze aber völlig hirnrissig macht, ist das, was man zu verdecken versucht.
Denn in beiden Beschlüssen geht es um Fälle, die seit Monaten öffentlich bekannt sind und deren Details hunderte Male in den Medien in allen Facetten durchgekaut wurden. In Beschluss Nr. 35 geht um den Fall Aspiag und die Annullierung der Bozner Baukonzession.
Entschuldigen Sie, aber das darf man nicht wissen.
Deshalb wird das Wort „Aspiag Service GmbH“ über ein Dutzendmal im Beschluss mit einem grauen Balken zensiert. Ebenso dürfen die Bürger nicht wissen, dass der Handels- und Dienstleisterverband hds und ein Unternehmen von Pietro Tosolini eine Rekurs eingebracht haben. Mit grauen Balken muss auch überdeckt werden, dass es sich um eine Baukonzession der Gemeinde Bozen handelt. Und natürlich darf niemand wissen in welcher Straße der Bau geplant ist. Denn wenn man Buozzistraße liest, dann könnte man auf Bozen oder gar Aspiag kommen.
 


Genauso im Beschluss Nr. 43. Dort geht es um einen Bürgerrekurs gegen den berühmt-berüchtigten Parkplatz am Pragser Wildsee. Aber auch das, darf niemand wissen. Zensiert wird im veröffentlichte Beschluss nicht nur der Name des Rekursstellers, sondern auch jeder Hinweis auf Prags oder den Wildsee.
Deshalb hat das zuständige Amt laut Beschluss nicht am Pragser Wildsee Erhebungen durchgeführt, sondern am grauen Zensurbalken.
 

Der amtliche Zensor musst im Aspiag-Beschluss 67 Stellen mit grauen Balken versehen. Im Beschluss zum Pragser Wildsee sind es 50. Weil die Beschlüsse aber auf zwei Spalten in Deutsch und Italienisch veröffentlicht werden, sind das insgesamt 234 zensierte Stellen.
Harte Arbeit, die wirklich sinnvoll und wichtig ist.
Fast so sehr wie die Zensur im Ersten Weltkrieg.