Politica | Autonomie

Frauenmangel im Konvent

Ist es möglich, in einem 33-köpfigen Gremium Südtirol im Kleinen abzubilden? Auch der Konvent kommt nicht um die Quotendiskussion herum.

CGIL-Generalsekretär Alfred Ebner ist ein pragmatischer Mensch. „Wissen Sie, wenn man sich in Südtirol innerhalb von vier Organisationen auf vier Namen einigen muss, gilt die erste Überlegung nun einmal der Sprachgruppe“, erklärt er. „Doch es war nicht so, dass wir die Frauen ausschließen wollten.“ Anlass für solch altvertraute Aussagen gibt der aktuelle Nominierungsprozess für die Gremien des Südtirol Konvents. Noch bis Sonntag läuft die Bewerbungsfrist für das Forum der 100, also jene Vertreter der Bürgergesellschaft, die als Bindeglied zwischen der Südtiroler Bevölkerung und dem Konvent dienen sollen – und aus dessen Reihe am 2. April acht Personen in den Konvent der 33 entsandt werden sollen. Parallel dazu hat auch das Rennen um die restlichen 25 Plätze im Konvent begonnen. Fünf davon stehen bekanntlich Rechtsexpertinnen und -experten zu, zwölf werden auf Vorschlag der Landtagsfraktionen ausgewählt, vier aus einem Vorschlag des Rates der Gemeinden und je zwei Mitglieder kommen schließlich aus der Welt der Wirtschaftsverbände und der Gewerkschaften.

Doch derzeit sieht es ganz danach aus, als hätten diese Unterorganisationen Probleme die Spielregeln einzuhalten. Zumindest jene, die vorschreibt, dass die Gremien des Autonomiekonvents dem Proporz entsprechen und Südtirol im Kleinen darstellen sollen. Während die mittlerweile gut 1000 Bewerbungen für das Forum der 100 deshalb vor der Auslosung penibel nach Sprachgruppe, Geschlecht und Altersgruppe aufbereitet werden, hat man sich bei Gewerkschaften & Co. damit weit weniger Scherereien gemacht. Vor allem was das Geschlecht betrifft, sind Frauen einmal mehr stark in der Minderheit. Die vier konföderierten Gewerkschaften haben mit vier General- bzw. Vizesekretären ausschließlich Männer vorgeschlagen; bei der Wirtschaft und den Gemeinden taucht laut Tageszeitung Dolomiten unter sieben bzw. neun Namen jeweils nur ein einziger weiblicher auf.

Schwierige Übung

Nun stellt sich die Frage, ob von den Untergruppen noch einmal nachgebessert werden muss, wie Landtagspräsident Thomas Widmann in Aussicht stellt. Sonst müssten schließlich die Landtagsfraktionen mit ausschließlich weiblichen Vorschlägen zur Rettung schreiten. „Das wird ja lustig“, sagt die Grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa, die sich bei der Vorstellung, mit der gesamten Frauenmannschaft des Landtags in den Konvent einzuziehen, ins Fäustchen lacht.  Klar ist, dass die Vorgabe, ein „Südtirol im Kleinen“ abzubilden, auch in einem proporzgeübten Land keine einfache Übung ist. „Ich bin selbst neugierig, wie das funktionieren wird“, sagt auch die Konvents-Verantwortliche der EURAC Elisabeth Alber.  Zumindest bei den Open- Space-Verantaltungen waren nicht nur Italiener, sondern aucb Frauen klar in der Minderheit, bestätigt sie. Bei den Bewerbungen für das Forum der 100 sieht es mit den weiblichen Bewerbungen aber nicht so schlecht aus, meint Alber. 

Zielsetzung  ist laut der Eurac-Forscherin alles zu versuchen, um eine Ausgewogenheit bei Alter, Sprachgruppe und Geschlecht herzustellen. Inwiefern dies dann tatsächlich  praktisch umgesetzt werden kann, ist auch bei der Ernennung der acht Vertreter der Bürgergesellschaft aus dem Forum der 100 noch zu sehen, stellt sie in Aussicht. „Da liegen derzeit noch verschiedene Optionen auf dem Tisch – auch ob dort wirklich alle Sprachgruppen präsent sein müssen“, sagt die wissenschaftliche Begleiterin des Konvents. Oder auch können. Denn schließlich ist die zeitaufwendige Arbeit im Konvent unbezahlt. „Es gibt zwar eine Spesenrückvergütung, aber davon abgesehen ist die Teilnehme eine rein ehrenamtliche Aufgabe“, erinnert Elisabeth Alber.  Auch das macht das Puzzle klarerweise nicht leichter, in allen Gremien Quoten und Proporz einzuhalten.  

"Wir haben eine Autonomie, die sich nicht getraut, über den eigenen Schatten zu bringen"

Gewerkschafterin Tila Mair kennt solche Diskussionen nicht zuletzt als erste Frau an der Spitze einer Südtiroler Gewerkschaft zur Genüge. Statt sich einmal mehr darüber zu ärgern, dass Frauen nicht mitgedacht werden, sieht sie die ehemalige CISL-Generalsekretärin aber vielmehr als Chance, noch Grundlegenderes in Frage zu stellen. „Warum müssen wir gerade bei einem Prozess wie dem Konvent die ewig gleichen rigiden Kriterien walten lassen“, fragt sie. Warum nicht nach Kompetenzen besetzen statt nach Sachgruppenzugehörigkeit oder Geschlecht, so Mairs Gegenvorschlag. Denn, wie sie meint: „Wir haben eine Autonomie, die sich nicht getraut, über den eigenen Schatten zu bringen. Wir sind leider Gottes alle von dieser Engstirnigkeit geprägt.“ So richtig und wichtig es auch gewesen sei, bisher an bestimmten Grundsätzen festzuhalten: „Wir sind jetzt alle volljährig und geimpft und könnten so manches loslassen – und gerade in dieser Phase wäre es wichtig, ein couragiertes Zeichen zu setzen, dass es auch anders geht“, so Tila Mair. Für die laufende Besetzung des Konvents kommt eine solche Anregung zu spät. Doch die Diskussion über die Zukunft der Autonomie beginnt schließlich erst.