Giuseppe Conte soll die zerstrittene Fünf-Sterne-Bewegung reformieren – von der einstigen Vaffa-Truppe zu einer europafreundlichen, ökologischen, für die Anliegen der Zivilgesellschaft offenen Partei. Das ist das Ergebnis eines Treffens, an dem in Rom der Gründer Beppe Grillo und die Führungsspitze der Bewegung mit dem bisherigen Regierungschef teilgenommen haben. Viele Fragen und Details bleiben freilich noch zu klären. Dem Vernehmen nach hat Conte bei der Reform der gespaltenen, durch zahlreiche Austritte und Ausschlüsse geschwächten Bewegung weitgehend freie Hand gefordert. Stimmenverluste, Meinungsverschiedenheiten über den Kurs des M5S und Wahlniederlagen hatten der Bewegung in den letzten Jahren stark zugesetzt Allein in dieser Legislatur hat der M5S durch Ausschlüsse und Austritte 86 Parlamentarier verloren. Einen hohen Preis für die Krise bezahlte Parteichef Luigi Di Maio mit seinem Rücktritt als Parteichef. Beppe Grillo, 73, ließ seinem Unwillen freien Lauf: "Non è possibile che ogni volta che ci sono problemi devo intervenire." Auch Grillos Anwalt Andrea Ciannavei war bei der Versammlung anwesend. Denn an rechtlichen Problemen fehlt es nicht – etwa nach dem Urteil des Gerichts in Cagliari, das dem Einspruch einer Ausgeschlossenen stattgegeben hat. Damit könnten auch jene, die wegen ihres Widerstands gegen Draghi ausgeschlossen wurden, neue Hoffnung schöpfen. Der seit Monaten dauernde Konflikt mit Rousseau-Betreiber Davide Casaleggio bleibt ungelöst.   

Der zukünftige Parteichef Giuseppe Conte fordert Klarheit: "Non ci possono essere formule a metà. Dev'essere una vera e propria rifondazione del M5S." Die internen Konflikte müssten begraben, der Dauerstreit und das politische Tauziehen beendet werden.

Wie drastisch sich der Kurs der Grillini seit ihrer Gründung im Jahre 2009 geändert hat, zeigt die Tatsache, dass sie jetzt eine von Draghi geführte Regierung unterstützen, den sie noch vor einigen Jahren als "Handlanger der Eurokraten" angeprangert hatten. Grillo war sogar so weit gegangen, ein Referendum zur Abschaffung der europäischen Währung zu fordern.

Keine andere politische Gruppierung kann auf einen so steilen Aufstieg zurückblicken. "Nessun partito negli ultimi 10 anni ha influenzato la politica italiana in modo cosí decisivo come noi", erklärte Di Maio in seiner Abschiedsrede. 

Im Frühjahr 2012 hatten die Grillini in Parma das erste wichtige Rathaus erobert. Dann kamen sie bei den Regionalwahlen in Sizilien auf 15 Prozent. 2016 wurde die nahezu unbekannte Fünf-Sterne-Aktivistin Virginia Raggi als erste Frau zur römischen Bürgermeisterin gewählt. Chiara Appendino folgte in Turin. Bei den Parlamentswahlen 2018 stieg die Bewegung mit 32 Prozent zur stärksten Einzelpartei auf. Heute liegt sie hinter der Lega (23%), dem Partito Democratico (19%), den Fratelli d'Italia (17%) an vierter Stelle – mit nur noch 15%.

Der neue Parteichef fordert "un piano per spalancare le porte del M5S alla società civile, renderlo accogliente e trasformarlo. Auch eine Namensänderung sei nicht ausgeschlossen. Erfüllt wurde auch Contes Forderung, seine Führungsmannschaft selbst zu wählen. Zur Erreichung seines Haupziels la transizione ambientale e digitale will Conte ein eigenes Ministerium einführen. 

Dass seine Popularität ungebrochen. ist, zeigt eine am Montag durchgeführte SWG-Umfrage, wonach die Bewegung unter seiner Führung mit einem Stimmenanteil von 22 Prozent rechnen kann. Der Partito Democratico würde fast 5 Prozent einbüssen.

In der Gunst der Wähler liegt Conte als Regierungsschef bei 65 Prozent. Vor ihm liegt nur der neue Premier Draghi – mit 71 Prozent.