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Das Buch zu den Filmen
Foto: CameraLook
„Ingmar Bergman - Ich schreibe Filme - Arbeitstagebücher 1955 bis 2001“ heißt das im Berliner Berenberg Verlag erschiene Buch, das auf einer mehr als doppelt so umfangreichen Publikation auf Schwedisch im Jahr 2018 fußt. Mit 448 Seiten ist ja auch das vorliegende Buch nicht gerade schmal. Ausgewählt, übersetzt, mit einem Nachwort versehen und herausgegeben wurde das Buch von Renate Bleibtreu, welche das Buch gestern Abend auch, vor einer Vorführung von „Das siebente Siegel“ vorstellte. Auf dem Schreiben, welches diesem Film voran gegangen war sollte auch der Hauptaugenmerk des Abends liegen, auch weil ihn Bleibtreu - Schwester von Monica Bleibtreu und damit Tante von Moritz - als Wendepunkt in seinem Schreiben wertete. Eingeladen hatte Bleibtreu Literatur Lana, deren Gast Renate Bergman zuletzt 2008, bei der Verleihung des 10. N.C. Kaser-Lyrikpreises an die Schwedin Aase Berg war.
Die „Bücher“ hatten die Form einfacher, günstiger Ringblöcke, eine Ausnahme, einen Eintrag aus dem Jahr ’38, kurz nach dem Abitur, gab es vorweg. Der in einem rückseitig für Notizen verwendeten Lateinheft gefundene Eintrag vom 15. Juni stellt sich gleich Anfangs die Frage: „Was macht man, wenn man ein Hirn hat wie meines?“ Die, zwei Zeilen weiter schon wieder verworfene Antwort war, den Gashahn aufzudrehen und dann… „Boff!!“ Statt dessen soll sich „etwas Helles und Schönes aus all dem Elend schürfen. Wie eine kleine, kleine, kleine Perle aus einer großen schwarzen, vertrackten Muschelschale.“ Auch verortete Bleibtreu in drei im Heft enthaltenen Erzählungen bereits drei Hauptthemen, welche den Film und Theaterregisseur ein Leben lang beschäftigen sollten: Den Autoritätskonflikt mit Vater, Gott und „der absoluten Autorität“, dem Tod, sowie die Unbeständigkeit der menschlichen Gefühle und der Frage, was wir eigentlich sehen, wenn wir sehen.
Renate Bleibtreu zeichnete nachdem sie das Lateinheft beiseite legte einen Biographischen Bogen des jungen Menschen Bergmans, mit Zwischenstopp ’39 bei seiner ersten Vorführung, bei welcher ein Zuseher nach einer Vorstellung einen Brief da lies: „Der Zuschauer schrieb, dass seine Auffassung vom Theater sowohl im Großen als auch im Detail nicht ganz die selbe sei wie die der Truppe. Er habe aber doch, Zitat: ‚Einen starken Eindruck vom Ernst, dem offensichtlichen Idealismus und auch der Spieler gehabt, besonders in den kleineren Rollen.‘ Unterschrift: Bertholt Brecht.“ Der Dramatiker war zu dieser Zeit im Exil, erkannte bereits beim jungen Bergman Talent. Nach Anfängen beim schwedischen Film als „Drehbuchneger“ - so nannte man zur damaligen Zeit die Aufgabe eingesendete Texte und Drehbücher filmreif zu gestalten - wurde der junge Bergman Intendant an verschiedenen Theatern im Land, ein Weg der ihn schließlich, ’60, ans Königlich Dramatische Theater in Stockholm führte. Dabei war Bleibtreu wichtig zu betonen, dass er, über alle Stationen „als nicht unbedingt immer treuer Mann, treu mit Schauspielern über Jahrzehnte hinweg gearbeitet hat.“.
Noch vor dieser Station, unmittelbar bevor sein vorheriger Film „Das Lächeln einer Sommernacht“ 1956 in Cannes mit einem Sonderpreis für seinen poetischen Humor ausgezeichnet wurde, was zu seinem internationalem Durchbruch entschieden beitrug, begann er im April diesen Jahres mit den Arbeiten am Drehbuch. Zehn Jahre zuvor bereits hatte er für Studenten eine Stückfassung des Stoffes geschrieben in welcher bereits alle Figuren, mit Ausnahme des Todes auftraten. Für Bleibtreu war dieser Abschnitt, wie gesagt, ein Übergangspunkt von eher technischen Notizen, etwa zu Kostümen und Licht, hin zu einem bei Bergman einmaligen Arbeitsprozess. Von einem zunächst fast offiziellen Schreiben, welches an das fast fertige Drehbuch inklusive Dialogpassagen erinnerte, geht Bergman hier über: „Er redet auf einmal mit sich selbst, schriftlich, er fragt sich Dinge, er zweifelt und redet sich gut zu.“, berichtete Bleibtreu „und einmal betet er auch“. Kein einziges Mal habe er, so Bleibtreu, bei allen Klagen, die in den Arbeitstagebüchern zu finden sind, über seine aufwendige Art des Drehbuchschreibens geklagt, welcher meist noch eine, oftmals kommentierende Reinschrift meist am selben Tag folgte.
Das Theater ist meine treue Ehefrau, der Film meine kostspielige Geliebte. - Ingmar Bergman
Die klassische Form des Drehbuchs lehnte Bergman dabei ab, bevorzugte eine „halb dramatische, halb erzählende Form“, was sich in der Form auch an den einzelnen Film anpasste, was sogar so weit ging, dass es im Drehbuch von „Fanny und Alexander“ eine ganze Passage nur von Gerüchen handelt: „Also wie es in der Wohnung der Großmutter roch. Eine ganze Geruchssymphonie ist das.“, berichtete die Herausgeberin.
Der besondere Reiz dieser erzählerischen und zugleich selbstreflexiven - bis zerfleischenden - Entwürfe ist ihre Intimität: Sie gewähren Einblick in ein „Hirn“ wie seines und die Prozesshaftigkeit der Arbeit. „Es ist wesentlich und unverzichtbar. Das Leben ist ein Reichtum.“, heißt es da bei der Arbeit am „Siebenten Siegel“ und gleich darauf: „Das Leben ist ein Reichtum! Banaler geht’s nicht. Denk dir was Besseres aus. Wenn du kannst.“ Gerade die Beschreibung kurzer Sequenzen, etwa jene des ersten Aufeinandertreffens, in der Bergman exakt vorwegnimmt, wie der Tod mit seinem Ärmel zwischen zwei Schnitten die Kamera abdeckt und die Einstellung zu einer über dessen Schulter gerichteten wechselt, zeugt von einer geradezu besessenen Arbeitsweise.
Wäre dem später auch als Literaten veröffentlichten Bergman diese Auseinandersetzung mit seinem Schaffen aber recht gewesen? Nach der Fertigstellung der ersten Textfassung des späteren Drehbuchs hadert er mit einigen boshaften Kritiken zum „Lächeln einer Sommernacht“: „Was ich schreibe soll ja die Vorlage für einen Film oder eine Inszenierung sein. Ich träume nicht davon, in Buchform zu erscheinen. Doch. Tue ich schon.“ Ach ja und wie hieß der Ritter in den Arbeitsblöcken und auf der Leinwand dann? Bei aller Vernarrtheit in die Namensgebung und Chiffrierung seiner Figuren, nannte ihn Bergman einfach nur „Block“.
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