Operation am offenen Herzen
Die Neugier auf das zweite Konzert des Herbert Pixner Projektes mit einem Orchester war groß. Im Oktober 2020 war das Album „Symphonic Alps Live” erschienen, das einen Livemitschnitt der „Symphonic Alps"-Tour von 2019 enthält, auf der das Herbert Pixner Projekt seine Musik mit den Berliner Symphonikern und in Arrangements von Alex Trebo und Jakob Wagner gespielt hatte. Die Tour hatte auch in Innsbruck Halt gemacht und die gelungene Live-Performance ist uns noch gut in Erinnerung.
Ein Jahr später – Dezember 2021 – erscheint „Symphonic Alps Plugged-In”, wieder ein Doppelalbum, sprich der Mittschnitt eines abendfüllenden Konzertprogramms, dieses Mal eingespielt – mitten in den Corona-Wirren – mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich.
Mit etwas zeitlichem Abstand folgt eine sechstägige Tour, die wieder in Innsbruck Halt gemacht hat. Besagte Tour fand am letzten, verlängerten Wochenende ihren Abschluss: Samstag und Sonntag zwei ausverkaufte Konzerte im „Congress“ in Innsbruck und dann, am Montag, 1.Mai, der Schlusspunkt in München.
Die Frage, die wir uns stellten, war nicht: Hingehen oder nicht? Die Frage war viel mehr: Vorbereiten oder nicht?! Es gibt zu beiden Projekten Tonträger, Dokus mit Interviews und filmische Mitschnitte, genügend Stoff also, nicht nur das Gedächtnis aufzufrischen, sondern auch die beiden Orchester direkt miteinander zu vergleichen, das Gehör für die Eigenheiten beider zu schärfen. Zudem wurden die Arrangements zwischen den beiden Aufnahmen mit Sicherheit angepasst, überarbeitet oder verfeinert, was im direkten Vergleich auch durchaus spannend sein könnte.
Wir entschieden uns letztlich dagegen und fuhren mit zwei Zielen über den Brenner: Wir wollten schöne Musik hören und wir wollten sehen, wie diese neue Umsetzung klingt: Ist sie besser als jene von 2019? Würden wir Unterschiede – als einigermaßen genrefremde Fans – überhaupt bemerken?!
Der Saal für die beiden Innsbruck-Konzerte war derselbe wie vor drei Jahren und an beiden Tagen war er ausverkauft und besetzt bis in die letzten Ränge. Überraschenderweise waren die zwei ersten Stücke – „Prélude" und „Serpent" – durchaus energisch, der Klang war kräftig, raumfüllend, klar und sehr transparent.
Wir hatten noch den fast beiläufigen Konzertbeginn mit „Cento Lire" in Erinnerung, das zum ersten Höhepunkt des damaligen Konzertes – „Morgenrot“ - hinführte. „Morgenrot” war natürlich im Programm, war aber eher kühl und nicht wirklich einnehmend.
Und dann geschah das Unerwartete: Herbert Pixner hatte Probleme mit seiner diatonischen Harmonika. Das „klingende Ges" wäre kaputt und er müsse das reparieren, weil der Ton für das nächste Stück unbedingt notwenig wäre. Ob denn kein Arzt im Publikum wäre, mit Sekundenkleber im Gepäck?!
Als Heidi Pixner ihre Harfe kurz verließ, um hinter die Bühne zu gehen und den rettenden Sekundenkleber zu holen, erzählte Pixner das Intro zu „Breaking Bad“ und reparierte gleichzeitig seine Harmonika und lieh sich dafür den Taktstock vom Dirigenten aus. Das Publikum nahm alles gelassen bis begeistert hin und bekam dann auch einen ersten kleinen Höhepunkt geschenkt, denn der „Operation am offenen Herzen“, wie Pixner die Reparatur nannte, folgte ein „Breaking Bad“, das in dieser Form der perfekte Soundtrack für einen Spaghetti-Western wäre.
Der Umstand, dass Dirigent Lorenz C. Aichner keine Sekunde gezögert hatte, seinen Taktstock kurzfristig als Werkzeug umfunktionieren zu lassen zeigte, dass auf der Bühne alles auf Augenhöhe ablief, und wer Aichner beobachtete konnte bemerken, wie er das Tonkünstler-Orchester und das Herbert Pixner Projekt durch die Songs navigierte, mit ruhiger Hand, gefühlvoll und – bei Bedarf – mit viel Energie.
Auf diesen „Zwischenfall“ folgte das latin-angehauchte „Süd-Ost“, der „Hiatabua“, das ruhigen „Antoni Schnee“ und der „String Tango”.
Das Orchester spielte insgesamt sehr kompakt, auch das Herbert Pixner Projekt spielte nicht nur gut, sondern verschränkte sich in überzeugender Art und Weise mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich. Alles war gut gespielt, keine Frage, technisch mit Sicherheit einwandfrei, einzelne Instrumentengruppen, wie beispielsweise die Geigen, wussten sich immer wieder sehr schön Raum zu verschaffen und das Zusammenspiel klappte wunderbar. Perfektionisten mögen diesen ersten Teil bevorzugen, für Romantiker wie uns, darf es durchaus nicht ganz so perfekt sein, wenn nur umso mehr Seele durch die Musik durchscheint.
Es kann sein, dass uns die Pause gut getan hat, es kann aber auch sein, dass sich bei den Musikern/Musikerinnen in der Pause etwas verändert hat. Auf alle Fälle hielt die zweite Hälfte des Abends eine Überraschung bereit. „Cento Lire” war noch unscheinbar, aber dann baute sich zunehmend Spannung auf: „Toccata“, „Lost Elysion“, „Anna“, schöne Stücke, schön gespielt. ... zugänglich und dennoch. irgendwie weiter weg.
Wie gut Orchester und Band aufeinander eingespielt waren, war dann bei Manuel Randi's Flamenco-Stück „Gatto nero“ zu spüren: wirklich mitreißend gespielt, kompakt und mit sehr viel Dynamik. War es diese Emotionalität, die wir im ersten Teil vielleicht vermisst hatten? Mag sein. Mit „Alps“ und „Notturno“ folgten noch zwei weitere Stücke, die das Niveau von „Gatto nero“ hielten und das Publikum dazu bewegte, beim Applaus auch aufzustehen. Es waren verdiente Standing Ovations.
Das Konzert war aber noch nicht ganz zu Ende, denn es gab noch zwei Zugaben: Den „Vierteljahrhundert Dreiviertler“, der jedem im Saal ein Lächeln auf's Gesicht zauberte, und das ruhige „Ninna Nanna“. Dann war Schluss.
Wir waren zufrieden, denn letztlich hatte sich doch noch ein ähnliches Gefühl wie 2019 eingestellt. 2023 war alles kraftvoller und kompakter, aber es wird uns gleichermaßen in Erinnerung bleiben.
Und sonst? Die Lichtchoreographie von Alexander Keim war immer wieder sehr schön und passend und der Sound im Saal, gemischt von Wolfgang Spanberger, war einwandfrei. Und wenn wir einen Kritikpunkt anbringen müssten, dann würden wir uns erneut etwas mehr Harfe, etwas mehr Heidi Pixner wünschen.
Die Doku in den Kinos
Zur Zeit wird die Dokumentation, die die beiden Filmemacher Christoph Franceschini und Mauro Podini zu den Aufnahmen des Albums „Symphonic Alps Plugged-In” mit dem Herbert Pixner Projekt und dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich, gedreht haben, in verschiedenen Kinos und Locations gezeigt:
Mittwoch, 3. Mai 2023, 20 Uhr: Bozen, Capitol 2
Donnerstag, 4. Mai 2023, 18 Uhr: Meran, Ariston-Saal
Samstag, 6. Mai 2023, 15.15 Uhr: Bozen, Capitol 1
Sonntag, 7. Mai 2023, 15.15 Uhr: Bozen, Capitol 1
Sonntag, 21. Mai 2023, 20.30 Uhr: Kaltern, Filmtreff (Regisseur Christoph Franceschini anwesend)
Freitag, 23., Montag, 26., Dienstag, 27. und Mittwoch, 28. Juni 2023: Leokino, Innsbruck (am Montag, 26. Juni 2023, wird Herbert Pixner anwesend sein)
Donnerstag, 31. August 2023, 19 Uhr: Völs, Stanglerhof
Links:
Herbert Pixner Projekt Homepage: https://www.herbert-pixner.com/
Herbert Pixner Projekt Shop: https://www.herbert-pixner.com/shop/
Herbert Pixner Projekt Termine: https://www.herbert-pixner.com/concerts/
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich Homepage: https://www.tonkuenstler.at/de
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich Spotify: https://open.spotify.com/intl-de/artist/3QNZqmrWn0zIBBPf0dadwx
Tonkünstler-Orchester Niederösterreich Termine: https://www.tonkuenstler.at/de/tickets