Società | Sanität

Entschleunigung in der Sanität

Keine Patienten-Fabrik mehr. Wolfgang Kleon hat den Sprung gewagt und wechselt vom Krankenhaus Bozen in eine Basisarztstelle, so hat er endlich mehr Zeit für seine Patienten.
ecotex_oew_2022_s_23.jpg
Foto: OEW Ecotex

Wolfgang Kleon, Jahrgang 1968 freut sich auf die neue Aufgabe: “Zum ersten Mal wird es im Gesundheitsprengel Eggental einen Kinderarzt geben, bisher hatte sich niemand dafür gefunden.” Kleon hat den Wettbewerb nach Titeln gewonnen, der für die Stelle ausgeschrieben war, seine Praxis wird er vorerst in Birchabruck einrichten. “Von dort aus werde ich sämtliche Kinder von 0 bis 6 Jahren ab sofort, das heißt ab 1. Oktober betreuen, die älteren werden dann nachkommen, bisher waren ja alle beim Hausarzt eingeschrieben.” Als Basisarzt wird Wolfgang Kleon sein eigener Herr sein und natürlich der seiner Patienten, er wird eine 5-Tage-Woche einhalten können und die Sprechstunden so legen, dass alle zufrieden sind. “Die Hausbesuche kann ich am Nachmittag machen, auch hier ist es in erster Linie die Bedürftigkeit der Patienten, nach denen sich der Stundenplan richtet.”

Das Arztgewissen 

Als Basiskinderarzt wird er anfangs zwar etwas weniger verdienen als bei seiner vorigen Arbeitsstelle im Bozner Krankenhaus, doch dafür hat er wesentlich mehr Spielraum. “Das war auch einer der wichtigsten Gründe, warum ich meine Stelle als Kinderarzt auf der Pädiatrie in Bozen gekündigt habe,” sagt der sympathische 45-jährige. “Ich war nicht mehr imstande, mich so um meine Patienten zu kümmern, wie es mir mein Arztgewissen vorgibt.” Er habe ganz einfach die Betreuungskontinuität von Patienten mit komplexen Krankheitsbildern  nicht mehr gewährleisten können und deswegen einen Schlussstrich gezogen. Kleon hat sich als Kinderarzt einen Namen im Bereich der Gastroenterologie gemacht, also bei Magen-Darm-Erkrankungen bei Kindern. Er führte komplizierte Endoskopien im Bozner Krankenhaus durch, die sonst nur in Verona oder Innsbruck gemacht werden. “In Zukunft werden diese Fälle, also Kinder mit Magen-Darm-Erkrankungen wohl wieder dorthin geschickt werden,” meint Kleon.

Hochspezialisierung wird nicht wirklich geschätzt

Die hochspezialisierten Leistungen die Kleon leistete, wurden von der Krankenhausverwaltungen zwar bezahlt, aber nicht wirklich effektiv genutzt, wie er sagt. “Jeder Arzt der sich auf ein Fachgebiet spezialisiert und dazu gehören alle meine Kollegen, möchte, dass die Leistungen anerkannt werden und dem Krankenhaus etwas bringen.” Dem sei nicht so, denn das Krankenhaus habe ganz andere Pläne mit seiner Kinderabteilung: die Zusammenlegung mit der Kinderunfallchirurgie sowie die Reduzierung der Betten, um die Auslastung zu optimieren. “So werden hochspezialisierte Facharztleistungen in der Pädiatrie noch mehr reduziert,” sagt Kinderarzt Kleon. “Dass die Verwaltung möglichst effizient arbeiten möchte, verstehe ich, aber wir Ärzte wenden derzeit 15 Minuten auf für das Dokumentieren einer Untersuchung am Patienten, die 5 Minuten gedauert hat.” Das stehe in keinem Verhältnis, klagt Kleon, der Zeit- und Leistungdruck im Krankenhaus lässt jedes menschliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient auf ein Minimum schrumpfen.

In der pädiatrischen Abteilung herrsche derzeit große Unzufriedenheit. Die Abteilung soll eine Grundversorgung mit Unfall- und Notfallmedizin garantieren, doch die Spezialisierungen bleiben außen vor. “Diese Grundversorgung sollten aber doch die Kinderärzte in den Sprengeln draußen leisten, das Krankenhaus ist dann unter anderem für die speziellen Krankheiten da.”

Aus diesem Grund hat Wolfgang Kleon nun für sich die Notbremse gezogen, die Basisversorgung kann er als Landkinderarzt besser leisten, sagt er, dafür muss er nicht im Krankenhausdienst bleiben.