Ambiente | Toblacher Gespräche 2016

„Ändert das Denken!“

Die Pädagogin und Universitätsprofessorin Luigina Mortari geht mit der Schulbildung hart ins Gericht: Kinder müssten gesamtheitlicher unterrichtet werden.
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Foto: salto

Salto.bz: Frau Professor Mortari, Sie sprechen sich für eine neue Schulbildung aus. Was funktioniert denn nicht?
Luigina Mortari:
Wir haben eine Schuldidaktik, die grundsätzlich anti-ökologisch ausgerichtet ist. Im Moment wird im Unterricht das Wissen in viele Einzelteile zerlegt. In den Fächern wird es zudem aufgeteilt und auch überhaupt nicht mit anderen Fächern verknüpft. Das hilft uns überhaupt nicht, eine Gesamtvision von der Welt zu erlangen, in der wir leben.

Wie schaut denn eine ökologische Schulbildung aus?
Da geht es in erster Linie darum, das Wissen zu verbinden. Man muss die Welt zusammenhalten. Alles was passiert, steht in Verbindung mit anderen Dingen. Es besteht sozusagen eine Art roter Faden für viele Bereiche, die sich auch zwischen den einzelnen Schulfächern verbinden lassen. Beispiel Gedichte: Um die Welt zu verstehen und die Sprache zu lernen, könnten Gedichte über die Natur ausgewählt werden. Leider gibt es aber überhaupt keine Vorbereitung für die Lehrer, die Schüler in dieser Art und Weise zu bilden.

Wie wichtig ist denn für Sie die Ökologie in der Schulbildung?
Es ist der Rahmen, der alles zusammenhält. Es ist ein Lebensstil, so zu sein, zu denken und sich mit den anderen zu sehen.

„Wenn wir denken, dass es eine Utopie ist, wird es immer auch eine Utopie bleiben.“

Wie ist es denn dazu gekommen, dass diese gesamtheitliche, ökologische Sichtweise auf die Dinge in der Schule keine Beachtung findet?
Unsere Kultur ist sehr auf die immaterielle Dimension fixiert. Wertgeschätzt wird in erster Linie die geistige Welt. Die materielle Welt und die Natur ist vielmehr eine Art Magazin, an der man sich bedient. Nehmen Sie den Wald her: Der dient zur Lieferung von Brennholz. Oder die Flüsse. Die dienen zur Produktion von Wasserkraft. Die Welt ist ein Ort, den man lebt und dadurch konsumiert. Dieses Denken ist durch viele Denker wie Platon in unsere DNA übergegangen. Wenn wir nun plötzlich einer Pflanze großen Wert zusprechen würden, dann ist dafür ein radikales Umdenken notwendig.

Heute sprechen alle von Klimaschutz. Wie wichtig wäre es, die Schuldidaktik ökologischer auszurichten?
Wenn sie mit Schuldidaktik eine Änderung der ethischen Werte für die Welt meinen, dann ist das sehr wichtig. Wir sind gerade dabei, die Welt zu zerstören und nehmen das nicht einmal wahr. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Welt nicht ein Ort ist, den wir unser ganzes Leben verbrauchen können. Es ist ein Ort, der uns irgendwie für eine gewisse Zeit übergeben wurde. Deshalb müssen wir darauf achten. Umso mehr muss die Schule nicht als Ort gesehen werden, wo einfach nur Unterricht statt findet. In der Schule sollen die Kinder in ethischen, sozialen und spirituellen Bereichen gebildet werden.

"Unsere Kultur ist sehr auf die immaterielle Dimension fixiert. Wertgeschätzt wird in erster Linie die geistige Welt. Die Natur ist eine Art Magazin, an der man sich bedient.“

Das klingt alles sehr utopisch...
Utopisch ist es nur so lange, bis wir bereit sind, es umzusetzen. Man muss diese Art von Schulbildung nur wollen. Die Schule ist immerhin aus Ideen gemacht. Die können wir ändern. Dafür benötigt es nur den Willen und den Mut es auch zu tun. Den Anfang zu diesem Umdenken können wir bereits mit unserer Sprache machen. Wir müssen einfach an die Welt, an die anderen und nicht nur an Technologie und uns selbst denken. Laut Lessing kann man in der Sprache bereits die Keime für ein Umdenken säen. Wenn wir hingegen denken, dass es eine Utopie ist, wird es immer auch eine Utopie bleiben.