„Ändert das Denken!“
Salto.bz: Frau Professor Mortari, Sie sprechen sich für eine neue Schulbildung aus. Was funktioniert denn nicht?
Luigina Mortari: Wir haben eine Schuldidaktik, die grundsätzlich anti-ökologisch ausgerichtet ist. Im Moment wird im Unterricht das Wissen in viele Einzelteile zerlegt. In den Fächern wird es zudem aufgeteilt und auch überhaupt nicht mit anderen Fächern verknüpft. Das hilft uns überhaupt nicht, eine Gesamtvision von der Welt zu erlangen, in der wir leben.
Wie schaut denn eine ökologische Schulbildung aus?
Da geht es in erster Linie darum, das Wissen zu verbinden. Man muss die Welt zusammenhalten. Alles was passiert, steht in Verbindung mit anderen Dingen. Es besteht sozusagen eine Art roter Faden für viele Bereiche, die sich auch zwischen den einzelnen Schulfächern verbinden lassen. Beispiel Gedichte: Um die Welt zu verstehen und die Sprache zu lernen, könnten Gedichte über die Natur ausgewählt werden. Leider gibt es aber überhaupt keine Vorbereitung für die Lehrer, die Schüler in dieser Art und Weise zu bilden.
Wie wichtig ist denn für Sie die Ökologie in der Schulbildung?
Es ist der Rahmen, der alles zusammenhält. Es ist ein Lebensstil, so zu sein, zu denken und sich mit den anderen zu sehen.
„Wenn wir denken, dass es eine Utopie ist, wird es immer auch eine Utopie bleiben.“
Wie ist es denn dazu gekommen, dass diese gesamtheitliche, ökologische Sichtweise auf die Dinge in der Schule keine Beachtung findet?
Unsere Kultur ist sehr auf die immaterielle Dimension fixiert. Wertgeschätzt wird in erster Linie die geistige Welt. Die materielle Welt und die Natur ist vielmehr eine Art Magazin, an der man sich bedient. Nehmen Sie den Wald her: Der dient zur Lieferung von Brennholz. Oder die Flüsse. Die dienen zur Produktion von Wasserkraft. Die Welt ist ein Ort, den man lebt und dadurch konsumiert. Dieses Denken ist durch viele Denker wie Platon in unsere DNA übergegangen. Wenn wir nun plötzlich einer Pflanze großen Wert zusprechen würden, dann ist dafür ein radikales Umdenken notwendig.
Heute sprechen alle von Klimaschutz. Wie wichtig wäre es, die Schuldidaktik ökologischer auszurichten?
Wenn sie mit Schuldidaktik eine Änderung der ethischen Werte für die Welt meinen, dann ist das sehr wichtig. Wir sind gerade dabei, die Welt zu zerstören und nehmen das nicht einmal wahr. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Welt nicht ein Ort ist, den wir unser ganzes Leben verbrauchen können. Es ist ein Ort, der uns irgendwie für eine gewisse Zeit übergeben wurde. Deshalb müssen wir darauf achten. Umso mehr muss die Schule nicht als Ort gesehen werden, wo einfach nur Unterricht statt findet. In der Schule sollen die Kinder in ethischen, sozialen und spirituellen Bereichen gebildet werden.
"Unsere Kultur ist sehr auf die immaterielle Dimension fixiert. Wertgeschätzt wird in erster Linie die geistige Welt. Die Natur ist eine Art Magazin, an der man sich bedient.“
Das klingt alles sehr utopisch...
Utopisch ist es nur so lange, bis wir bereit sind, es umzusetzen. Man muss diese Art von Schulbildung nur wollen. Die Schule ist immerhin aus Ideen gemacht. Die können wir ändern. Dafür benötigt es nur den Willen und den Mut es auch zu tun. Den Anfang zu diesem Umdenken können wir bereits mit unserer Sprache machen. Wir müssen einfach an die Welt, an die anderen und nicht nur an Technologie und uns selbst denken. Laut Lessing kann man in der Sprache bereits die Keime für ein Umdenken säen. Wenn wir hingegen denken, dass es eine Utopie ist, wird es immer auch eine Utopie bleiben.
Ich bin ein großer Verfechter
Ich bin ein großer Verfechter einer nicht in Schubladen gestopften Unterricht, dafür müsste man aber die Schulfächer an sich abschaffen und es dafür in Wissensfelder aufteilen die von auch mehrere Personen uberlappend unterrichtet werden die zusammen Arbeiten und koordinieren und sich nicht nur bei Notenkonferenzen treffen. Daraus gibt sich eine Gesamtvision und jeder kann seine Schlussfolgerungen ziehen.
Was aber hier geboten wird ist eine Form von ideologischen Überbau. Eine Mischung aus Öko-Spiritualismus und Naturhuldigung. Dass einfach über das Fächersystem drüber geklettert wird. Das ist ein ideologischer Überbau der wohl den Kampf dem "Anti-Ökologismus" angesagt hat. So etwas kann leicht zum Gesinnungsterror ausarten:
>In der Schule sollen die Kinder in ethischen, sozialen und spirituellen Bereichen gebildet werden.<
>Unsere Kultur ist sehr auf die immaterielle Dimension fixiert. Wertgeschätzt wird in erster Linie die geistige Welt.<
Dafür ist der Öko-Spiritualismus wohl etwas ganz anderes, Sie verkappte Platonikerin?
>Um die Welt zu verstehen und die Sprache zu lernen, könnten Gedichte über die Natur ausgewählt werden. <
Ich hätte einen besseren Vorschlag: Ein Themenfeld Geologie, Geographie, Chemie, Biologie und Wirtschaft von Unterrichtspersonen die in ALLEN Bereichen bewandert sind fundiert und systematisch unterrichten zu lassen. Danach kann sich jeder selbst über die Probleme und Wiedersprüche über ökonomischer Wachstumszwang und physikalischer begrenztes Wachstumspotential Gedanken machen. Und über irreversible Prozesse.
Aber dafür müsste man die gute Professorin die die lieben Kinderlein Gedichte über Sonne, Mond und Sterne auswendig lernen lassen will, wohl links liegen lassen, weil sie von Naturwissenschaften wohl kaum etwas versteht.
"In der Schule sollen die
"In der Schule sollen die Kinder in ethischen, sozialen und spirituellen Bereichen gebildet werden". Lehrer sind aber auch nur repräsentativer Teil der Gesellschaft. Und diese hat unterschiedliche ethische, soziale und spirituelle Vorstellungen. Welche von diesen sollen nun vermittelt werden - jene die unter "sozial" Pöders CSU-ähnliche, ethnisch-konservative Familienpolitik verstehen oder die katholische Soziallehre (z.B. karitativ-inklusiv); jene der SVP-Arbeitnehmer, die hauptsächlich Richtung Mittelstand materiell umverteilen wollen; jene der Wirtschaftsliberalen, die davon überzeugt sind, dass es den Armen besser gehen wird, wenn es den Reichen besser geht; die sozialen Ideen der Grünen (Grundeinkommen, Willkommenskultur, Unterstützung der wirklich Armen) oder jene des Gender-Mainstreaming? DAS ist das Problem. Lehrer sind keine ideologisch einheitliche Gruppe und auch nicht stets "bessere" Menschen als die Gesellschaft, der sie entstammen.
In risposta a "In der Schule sollen die di Martin Daniel
Mit dieser Fragestellung
Mit dieser Fragestellung kommt man zum Knackpunkt. Ich glaube das wollte diese Professorin vermeiden in dem sie relativ schwammig versuchte die Weltanschauung zu formulieren, die sie meint, aber in Wirklichkeit ganz genaue Vorstellungen hat.
Anstatt Ökoschwärmerei braucht es fundierte Kenntnisse in den MINT-Fächern und dann kann man auf dieser Basis eine informierte und fundierte Diskussion führen in denen alle Stimmen zu Wort kommen. Der Bessere wird dann gewinnen.
In risposta a Mit dieser Fragestellung di gorgias
Meine Anmerkungen beziehen
Meine Anmerkungen beziehen sich v.a. auf die angesprochenen sozialen und ethischen Bereiche. (Bei der Ethik wird es heißen, wir haben ja einen westlichen Grundkonsens z.B. beim Schutz des Lebens, der Würde und der Freiheit jedes Menschens. Aber was heißt das nun z.B. konkret für Sterbehilfe, Abtreibung, Legalisierung von Drogen, Liberaliserung/Verbot der Prostitution, Gen- und Biotechnologie in der Medizin? Da gehen die Meinungen weit auseinander.)
Ich GLAUBE aber auch, dass es zu vielen Bereichen der Ökologie dank der Naturwissenschaften mittlerweile einen breiten wissenschaftlichen Konsens gibt, dessen Gegenstände - wie in den Medien und der Politik gegenüber - auch in der Schule vermittelt werden sollen. Und vielfach ja schon werden: Der Gegensatz Ökologie-Ökonomie oder die Kritik am BIP, am Wachstumdenken oder am Homo Oeconomicus in VWL; demographische Entwicklungen, der HDI als alternativer Wohlstandsindikator, die Klimaerwärmung und deren Auswirkungen auf Fluchtbewegungen, alternativen Energiequellen in Geographie; die Co2-Problematik und die Erderwärmung in Naturkunde oder ganz banal die Mülltrennung in Grund- und Mittelschulen, und und und. Ich glaube, die Schule vermittelt schon unglaublich viel, ja so viel mehr als die Gesellschaft umsetzt, dass diese Diskrepanz zu einem Glaubwürdigkeitsproblem den Schülern gegenüber führen kann.