Politica | BÜKV

Zurück auf Los?

“Wo bleibt der Kampf für die Autonomie wenn es um die Gehälter der öffentlich Bediensteten geht?” Nach einem Rückzieher des Landes gehen die Wogen hoch.
Geldscheine
Foto: Pixabay

“Das darf doch nicht wahr sein, ist das ein schlechter Scherz?” Die Frage stellt Karin Wellenzohn am Dienstag Abend in den Raum bzw. auf ihrem Facebook-Profil. Die ASGB-Gewerkschafterin sitzt seit Monaten am Verhandlungstisch für den neuen Bereichsübergreifenden Kollektivvertrag für die rund 33.000 öffentlich Bediensteten des Landes, kurz BÜKV. Mit ihrem Facebook-Post bezieht sie sich auf die Nachricht, die soeben aus der Landespresseagentur gekommen ist. “Kollektivvertrag: Anfechtung abgewandt, Verhandlungen gesichert”, so der Titel, der auf den ersten Blick eine Erfolgsmeldung vermuten lässt. Doch für Karin Wellenzohn ist es alles andere als das. Und nicht nur für sie.

In der LPA-Meldung wird mitgeteilt, dass das Land der Regierung in Rom zugesichert hat, das Gesetz zum Nachtragshaushalt anzupassen – und den expliziten Hinweis auf einen eigenen Südtiroler Index zu vermeiden. Denn das Finanzministerium in Rom hatte verlauten lassen, diesen “IPCA locale” vor dem Verfassungsgericht anfechten zu wollen. Das Brisante: Dieser eigens für Südtirol berechnete Verbraucherpreisindex trägt den höheren Lebenshaltungskosten hierzulande Rechnung und bildete bislang die Grundlage für die Lohnerhöhung der öffentlich Bediensteten.

Der staatliche IPCA liegt bei 3,0 Prozent – für Südtirol wurde aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten eine zusätzliche Inflationsanpassung von 1,8 Prozent eingeführt. Im Dreijahreszeitraum 2019-2021 sollten die Löhne der öffentlich Bediensteten um 4,8 Prozent steigen. So der Verhandlungsstand vor dem nächsten Treffen zwischen der Delegation des Landes und den Gewerkschaften kommenden Montag (7. Oktober).

 

Wieder auf Null?

 

Da die Anfechtung des “Südtirol-Index” vor dem Verfassungsgericht im Raum stand, hat das Land nun also kurzerhand beschlossen, ihn zu streichen. “Mit dieser Maßnahme wenden wir die Anfechtung ab, die die gesamten Verhandlungen zum Stillstand gebracht hätte. Denn sie hätte den gesamten Artikel im Nachtragshaushalt betroffen, der die Grundlage für unsere Verhandlungen bildet – auch jene Bestimmung, mit der die nötigen Finanzmittel bereitgestellt werden”, so die Rechtfertigung vom Generaldirektor des Landes und Verhandlungsleiter Alexander Steiner. Und weiter: “Das heißt nicht, dass wir jetzt unbedingt den staatlichen Prozentsatz anwenden müssen. Wir werden sofort nach einer Alternativlösung suchen und diese der Arbeitnehmer-Seite anbieten.”

“Dann sucht nur nach Alternativlösungen, bis jetzt wurde jede Alternativlösung, die wir gebracht haben, abgelehnt”, wettert Karin Wellenzohn in den Dolomiten. Die ASGB-Vertreterin zeigt sich verärgert, dass das Land vor Rom “eingeknickt” sei – und das ohne vorher die Gewerkschaften zu informieren: “Haben wir eine Autonomie oder keine? Haben wir die primäre Kompetenz fürs Personal? Sobald sie in Rom hüsteln, lässt das Land die Hosen herunter. Was verbietet uns, das Lohnniveau erhöhen zu dürfen? Für die Führungskräfte betrug die Lohnerhöhung 26 Prozent.”

 

Autonomie auf Rückzug?

 

Unter Wellenzohns Facebook-Post kommentiert unter anderem der Grüne Landtagsabgeorndete und ehemalige Generaldirektor des Landes Hanspeter Staffler: “Wir haben primäre Kompetenz. Und falls Rom wirklich anfechten wollte, dann MUSS die Autonomie verteidigt werden. Notfalls ist halt Wien anzurufen.”

“Autonomiestatut, Mailänder Abkommen und Stabilitätspakt bestätigen die primäre Kompetenz bezüglich BÜKV und lassen der Landesregierung bei der Zuweisung der Landesmittel freie Hand. Dieser Freiraum ist zu gestalten und notfalls zu verteidigen. Weil aber die Landesregierung erst nach hartem Kampf im Landtag bereit war, Geld für die öffentliche Verwaltung zur Verfügung zu stellen, kommt ihr die Gegenwehr aus Rom durchaus gelegen.”
(Hanspeter Staffler)

Auch Maria Elisabeth Rieder meldet sich zu Wort. Selbst Gewerkschafterin, schreibt die Landtagsabgeordnete von Team Köllensperger: “Dieser Rückzieher des Landes bedeutet, dass die Verhandlungen für die Bediensteten wieder am Anfang stehen, denn mit weniger als der versprochenen 4,8 Prozent werden sich die öffentlichen Bediensteten diesmal nicht abspeisen lassen. Ich habe den Eindruck, dass es der Landesregierung ganz gelegen kommt, dass Rom damit droht, diesen Artikel anzufechten.”

“Wo bleibt der Verweis auf unsere primäre Zuständigkeit und der Kampf für die Autonomie, wenn es um die Gehälter der öffentlichen Bediensteten geht?”, ist die Frage, die man sich nicht nur im Team Köllensperger stellt. “Der Landeshauptmann lässt mal wieder vor Rom die Hosen runter”, attackiert die Südtiroler Freiheit Arno Kompatscher, dem sie vorwirft, “kampflos eingelenkt” zu haben. Nicht weniger harsche Worte finden die Schützen. “Unsere Autonomie ist derzeit gleich viel wert wie ein Regenschirmgeschäft in der Sahara”, poltert Jürgen Wirth Anderlan, Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes.

Die Angriffe auf Arno Kompatscher und sein vermeintliches “Kuschen vor Rom”, wie es STF-Landesleitungsmitglied Stefan Zelger ausdrückt, kommen just an dem Tag, an dem der Landeshauptmann in Rom weilt, um mit dem neuen Regionenminister Francesco Boccia über die Autonomie zu sprechen. Es “bestehen beste Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit, die Südtirols Besonderheiten weiter stärkt und uns immer mehr als Modell einer gelungenen Selbstverwaltung und des friedlichen Zusammenlebens wahrnimmt”, lässt Kompatscher am Mittwoch Nachmittag ausrichten.