Bauen in Belgrad und Südtirol
salto.bz: Die Ausstellung „to dwell : BEST“ ist eine architektonische Begegnung zwischen Belgrad und Südtirol. Was kann eine Gegenüberstellung – die zunächst zufällig erscheint – offenlegen?
David Calas: Gegenüberstellungen sind generell etwas kritisch zu betrachten, da sich da eigene Dynamiken wie Konkurrenz oder Vergleiche entwickeln könnten. Diese Form von Gegenüberstellung haben wir vermieden. Vielmehr ging es uns darum, die Architektur als kreativ-technische Disziplin sprechen zu lassen. Deshalb kreist die Ausstellung um die Frage, wie architektonische Werke auf unterschiedliche Kontexte reagieren. Da hilft es uns klarerweise, dass Belgrad und Südtirol kulturell sowie geschichtlich wenig miteinander zu tun haben. Mitunter ein Grund weshalb wir uns auf das Offenlegen von Herangehensweise, Prozess und realisiertem Werk konzentriert haben um den Besucher*innen ein Eintauchen in Architekturen zu ermöglichen. Eine derartige kuratorische Prägung lässt die Gegenüberstellung obsolet erscheinen, die Begegnung steht im Vordergrund und kuratorisch greifen die Ausgestellten Werke ineinander.
Wohnlichkeit beginnt ja meistens mit einem Ort des Zusammensitzens.
Nach welchen Kriterien wurde die Auswahl der gezeigten Positionen getroffen?
Bevor der Auswahlprozess stattfand, der auch vom Kulturzentrum Belgrad als Partner mitgestaltet wurde, mussten wir ein gemeinsames Thema, einen sogenannten umbrella term finden. Der gemeinsame Nenner „to dwell“, der das Wohnen in möglichst unterschiedlichen Facetten und Interpretationen zeigen sollte, schuf den nötigen thematischen Zusammenhalt. Auch, dass unterschiedliche Generationen von Architekturschaffenden gezeigt werden sollen, stand von Anfang an fest.
Mit diesen Grundkriterien wurden im Austausch mit Belgrad jeweils drei Architekt*innenteams unterschiedlicher Generationen, die von nicht mehr so jungen bis jungen reichen, ausgewählt. Bei den Werken ging es uns um eine möglichst breite Diversität und Interpretation von „to dwell“, womit auch auf unterschiedliche Maßstäbe geachtet wurde. Jedes der sechs Teams ist somit mit jeweils drei Werken vertreten. Insgesamt 18 Werke, die Parallelen, ähnliche Herangehensweisen sowie regional bedingte Unterschiede offenlegen.
Welche Unterschiede – sei es bei architekturtheoretischen Zugängen, sowie in der praktischen Umsetzung der realisierten Räume – heben sich markant voneinander ab? Wie sind die verschiedenen Einflüsse zu erklären?
Es ist interessant zu sehen, wie sich architektonische Unterschiede der jüngeren Generationen in der Ausformulierung der Werke manifestieren, jedoch nicht in der übergeordneten Herangehensweise. Letztere kann als gemeinsame Kritik an konformen Globalisierungstrends interpretiert werden, weshalb sich in den ausgestellten Werken eine sehr kontextorientierte Architektursprache ablesen lässt. Diese reagiert auf soziale Notwendigkeiten des Wohnens, wie beim anpassbaren Wohnprojekt Slavija Manjez von AKVS in Belgrad, dem Umgang mit Bestandssubstanz, wie beim Ferienhaus von Sardo Architects in der Bucht von Kotor, der qualitativen anstatt quantitativer Transformation im Projekt Anders von Architekt Martin Gruber auf der Plose bei Brixen sowie als Versöhnungsakt beim Zierhof mit Stube von NAEMAS Architekturkonzepte in Pflersch.
Ganz anders verhält sich der Zugang bei der nicht mehr so jungen Generation, die insbesondere von modernistischen Bestrebungen der 50er und 60er Jahre beeinflusst wurde und sich deutlich von den nachkommenden Genrationen abhebt. Die Werke von Aleksandar Stijepanovic mit Block 23 in Belgrad sowie von Othmar Barth mit der Siedlung Haslach in Bozen, könnten nicht ähnlicher sein. Ausformung, Materialität, Farbgebung sowie die Wohnlichkeit als qualitativ hochwertige, jedoch genormt repetitive Aneinanderreihung bzw. Stapelung sprechen für den uniformen Architektur-Geist der damaligen Zeit. Dieser Einfluss ist fast ausschließlich in großmaßstäblichen Bauten zu erkennen. Bei kleineren Bauten, wie der Villa Durst in Brixen von Othmar Barth oder dem Reihenhaus Ognjena Prica in Belgrad von Aleksandar Stjepanovic wird behutsam auf die Umgebung reagiert. Die Materialität wird lokaler und die Architektursprache differenzierter.
Zufall?
Der Zufall findet sich in der modernistischen Bewegung und den CIAM-Kongressen wieder, die zu einer global umspannenden Architektursprache beitrugen und Generationen von Architekten prägten. Dies bestätigt sich mittlerweile in vielen Städten wo sogenannte „Modernisten“ bzw. jene die von solchen beeinflusst wurden, vertreten waren. So auch bei einem Besuch in Belgrad wo die Architekturen von Aleksandar Stjepanovic, jenen von Othmar Barth verblüffend ähnlich sahen.
Der gemeinsame Nenner führt die Besucher*innen „wohnlich“ ins Ausstellungambiente. Als Kurator laden sie ja geradezu ein, vor den jeweiligen Arbeiten Platz zu nehmen…
Die Ausstellung soll mit einem niederschwelligen Zugang einladen und hoffentlich mit einem höherschwelligen Eintauchen in das architektonische Schaffen durch die Ausstellung leiten. Deswegen wirkt die Ausstellungspartitur einerseits plakativ, andererseits sehr kleinteilig mit punktuellen Informationsanhäufungen. Die Gestaltung dieser unterschiedlichen Inhalte entfaltet sich entlang einem rundum laufenden Tisch mit Modellen, wo Hocker zum Verweilen einladen. Somit haben alle Besucher*innen die Möglichkeit einen schnellen Blick in die Ausstellung zu werfen, oder bei vertieftem Interesse vor den einzelnen Werken Platz zu nehmen. Wohnlichkeit beginnt ja meistens mit einem Ort des Zusammensitzens.
Es wäre sinnvoll und auch bereichernd weitere Architektur-Begegnungen anzuvisieren, denn man lernt ja nie aus.
Die Wandstreifen sind als „Partitur plakativer Darstellungen“ gehängt. Dies lässt eine musikalische Herangehensweise des Kurators erahnen. Wieviel Balkan-Musik schwingt architektonisch durch die Räume der Galerie Prisma?
Obwohl ich ein Emir Kusturica und Boban Markovic Fan bin, trug deren sehr expressive Musik lediglich wenig zur musikalischen Herangehensweise bei. Vielmehr sehe ich in der „Partitur plakativer Darstellungen“ eine Abfolge des Prozesses der Architekturschaffung im individuellen Projekt. Diese entwickelt eine ganz eigene Melodie, weshalb wir die Anbringung der Inhalte an der Wand auch als „Staccato“ bezeichnet haben. Dieser „Staccato“ ist zudem interpretationsoffen, weshalb sich bei den Besucher*innen womöglich eigene Projektmelodien ergeben.
Überregionale Vergleichsausstellungen sind meist furchtbar aufwendig in der gestalterischen Realisierung, aber nichtsdestotrotz fruchtbar für alle Beteiligten. Wie war Ihre Erfahrung? Und ist bereits ein weiterer Architektur-Austausch geplant?
Zugegeben, es war kein einfaches Unterfangen und der Aufwand war dementsprechend groß. Als unangenehm und furchtbar habe ich diese kuratorische Arbeit jedoch nicht wahrgenommen. Im Gegenteil. Die Kooperation mit dem Kulturzentrum Belgrad, der Architekturwoche Belgrad und dem Südtiroler Künstlerbund sowie den involvierten Architekt*innen, nahm ich als äußerst kooperativ und angenehm wahr. Wir waren ja schließlich von Neugierde getrieben und dem Willen, eine Begegnung mit Nachklang zu schaffen. Im Mai soll die Ausstellung nach Belgrad wandern. Es wäre sinnvoll und auch bereichernd weitere Architektur-Begegnungen anzuvisieren, denn man lernt ja nie aus.