Economia | Lehre

Keine Lust auf Lehrlinge?

Immer weniger heimische Betriebe sind bereit, Lehrlinge auszubilden. Lanz (lvh): “Gefährliche Entwicklung.” Pan (UVS): “Wir sind bereit, in Talente zu investieren.”
Ausbildung
Foto: Südtirolfoto/Marion Lafogler

Was nützt das italienweit beste Ausbildungsmodell, wenn sich immer weniger finden, die junge Lehrlinge einstellen? Diese Frage kann man sich anlässlich der jüngsten Daten zu den Südtiroler Lehrbetrieben durchaus stellen. Laut der aktuellen Ausgabe des Arbeitsmarkt News der Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt ist die Zahl der Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, in den vergangenen Jahren stetig zurück gegangen. Eine Entwicklung, der man im Land mit Sorge entgegenblickt.

Zwischen 2005 und 2011 sind die Ausbildungsbetriebe von 3.900 auf 3.330 gesunken. Obwohl die Zahl jener Betriebe, die eine berufsspezialisierende Ausbildung (die so genannte Zweitausbildung Typ B) anbieten, im ständigen Steigen begriffen ist und 2015 bei knapp 650 lag, waren es im selben Jahr gar nur mehr 2.800 Betriebe, an denen die traditionelle Südtiroler Lehre mit dualer Ausbildung (Typ A) möglich war. Zum Vergleich: 2016 gab es in Südtirol 3.400 Lehrlinge. “Die Abnahme der ausbildenden Betriebe betraf 2005 bis 2015 alle Wirtschaftssektoren außer der Industrie (Zunahme von 131 auf 148), dem Gastgewerbe (von 517 auf 668) und den Privatbetrieben der ‘Anderen Dienstleistungen’ (von 581 auf 622)”, liest man im Arbeitsmarkt News. Die relativ gesehen schlechteste Entwicklung ist dabei im Handel zu beobachten: der Anteil der Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, ist von 21,6 auf 14,9 gesunken.

Die verfügbaren Daten erlauben keine Rückschlüsse darauf, ob der Rückgang der traditionellen Lehre auf eine geringere Ausbildungsbereitschaft der Arbeitgeber, eine Präferenz der Betriebe für die berufsspezialisierende Ausbildung, ein vermindertes Interesse der Jugendlichen für die Ausbildung (und Ausbildungsberufe) oder auf ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückzuführen ist”, heißt es in den Schlussfolgerungen des Arbeitsmarkt News. Nichtsdestotrotz herrscht Alarmstimmung. “Es ist bedauerlich, aber es stimmt”, meint lvh-Präsident Gert Lanz in einer ersten Stellungnahme zur rückläufigen Zahl der Ausbildungsbetriebe. Als mit Schuld an dieser “gefährlichen Entwicklung” sind für Lanz “das strenge Jugendschutzgesetz und die Arbeitssicherheitsbestimmungen in der Lehrlingsausbildung”. “Das sind immense Bremsklötze, viele Betriebe sind nicht mehr bereit, diese Risiken einzugehen”, sagt der lvh-Präsident. Auch hohe Kosten, die Lehrbetriebe mitunter zu stemmen hätten, seien ein Hindernis. Lanz fordert daher “finanzielle Anreize, um die Lehrlingsausbildung zu fördern”. Und schließlich gebe auch “eine falsche ‘Kanalisierung’ der Jugendlichen” Anlass zur Sorge. Zum einen haftet laut Lanz dem Handwerk “vielfach noch ein schlechtes Image an”, sodass häufig eine Oberschule einer Berufsausbildung vorgezogen werde. “Zum anderen entscheidet sich der Großteil der Grundstufenabsolventen für die Fachschule und nicht für die Lehre, obwohl diese eine sehr viel umfassendere Rundumausbildung bietet.”

Weniger dramatisch sieht man den generellen Rückgang der Lehrbetriebe im Unternehmerverband – gehört die Industrie doch “zu den wenigen, positiven Ausnahmen”, wie Präsident Stefan Pan betont. Neben dem Anstieg an Ausbildungsbetrieben in diesem Sektor, hat auch die Zahl der eingestellten Lehrlinge im Laufe der Jahre zugenommen: von knapp 400 im Jahr 2005 auf rund 600 im Jahr 2015. “Die heimischen Unternehmen suchen neue Talente und sind bereit, in diese Talente zu investieren”, zeigt sich Pan motiviert.