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"Die Vorwürfe sind kurios"

Nach nur vier Monaten ist die SEL AG wieder ohne Generaldirektor. Was Thomas Frisanco zu seinem überraschenden Hinausschmiss zu sagen hat.

Herr Frisanco, haben Sie auch erst gestern von Ihrer Kündigung erfahren?
Thomass Frisanco: Ja. Ich wurde am Abend von Präsident Sparber in einen Sitzungsaal gebeten und dort haben mir einige Mitglieder des Verwaltungsrates mitgeteilt, dass meine Mitarbeit ab sofort nicht mehr erwünscht sei. Deshalb habe ich dann umgehend meine Sachen gepackt.

Und heute sind Sie zu Hause?
Ja, ab heute arbeite ich nicht mehr für die SEL.

Die Hintergründe der Vertragsauflösung wurden bereits gestern Abend von der Neuen Südtiroler Tageszeitung ausgebreitet. Haben Sie sich in Kleinarbeit verloren und sich vor ihren Mitarbeitern in ihrem Zimmer verschanzt, wie dort untern anderem beschrieben wird?
Diese Vorwürfe sind wirklich kurios, muss ich sagen. Ich habe mich schon immer wieder in Kleinarbeit verloren, aber dabei ging es dann meist um Direktbeschlüsse des Präsidiums, die so aufgezogen waren, dass ich monatelang nachverhandeln musste. Und was den Vorwurf der Entfremdung von den Mitarbeitern angeht: Ich habe nicht nur gleich zu Beginn meiner Tätigkeit eine Mitarbeiterbefragung eingeführt, sondern hab von früh morgens bis abends so viel geredet,  dass ich tatsächlich oft bis in die Nacht hinein gesessen bin, um alles aufzuarbeiten. Aber wie man jetzt sieht, hätte ich vielleicht besser mehr Freizeit nehmen sollen.

Wo sehen Sie persönlich den Knackpunkt, an dem ihre Karriere als Generaldirektor gescheitert ist?
Der Hauptgrund ist wohl, dass die strategische Neuausrichtung der Gesellschaft, die ich vorhatte, intern nicht gewollt war.  Denn auch angesichts der rechtlichen Unsicherheiten mit unseren Assets, also den Kraftwerken, wollte ich die SEL in Richtung skillorientierten Servicebetrieb neu ausrichten.

Was hätte das konkret bedeutet?
Zum einen, dass wir unser internes Know-how aufwerten und weiter ausbauen. Ich habe zum Beispiel von Beginn an versucht, Leistungen wie das Netz-Management, die über Dienstleistungsverträge an die Enel ausgelagert worden waren, wieder ins Haus zurückzuholen. Um auch in Zukunftsbranchen wie Wind und Photovoltaik Know-how zu entwickeln, habe ich strategische Partnerschaften mit renommierten Playern in diesen Bereichen gesucht. Infolge des Konzessionsstreites war klar, dass die Sel auch im Bereich Wasserkraft außerhalb der Provinz wachsen muss. Wir hätten hier private Investoren gehabt, die gemeinsam mit der SEl investiert hätten.

Das wäre tatsächlich eine Neuausrichtung gewesen ...
Ja, aber diese ist denke ich auch notwendig. Denn es ist dem  Steuerzahler schwer vermittelbar ist, wenn die Sel allein 200 Millionen Euro in ein Kraftwerk investieren muss. Über eine gemeinsame Projektgesellschaft mit Privaten reduziert sich das Investment auf vielleicht 10 Millionen Euro, und wir könnten unser Know-how dennoch auf der gesamten Wertschöpfungskette einbringen. Denn im Moment steht generell zur Diskussion, wem die Assets gehören. Also muss die Sel wirklich das Netz oder alle Kraftwerke selbst haben, oder können wir in manchen Fällen auch überlegen, dass andere sie besitzen, aber wir sie betreiben, weil hier unsere Kompetenzen liegen.

Mit all diesen Ideen konnten sie sich aber nicht durchsetzen?
Nein, leider habe ich bei fast allen strategischen Entscheidungen Hindernisse in den Weg gelegt bekommen.

Vom wem, von der Politik oder hausintern?
Ich muss sagen, dass ich in den letzten Gesprächen mit dem Eigentümer das Gefühl hatte, dass meine Linie geteilt wurde.

Mit wem haben Sie da konkret gesprochen?
Zuletzt mit Landeshauptmann Luis Durnwalder, aber auch mit Arno Kompatscher als möglichen künftigen Ansprechpartner. Durnwalder hat mich heute auch schon angerufen und sich selber überrascht gezeigt über meine Kündigung.

Das heißt, die Probleme gab es eher hausintern?
Wir wissen, dass die Sel ein Jahr ohne Generaldirektor war. Und ich habe selten einen Betrieb erlebt, in dem so wenig definiert war, in dem die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Verwaltungsrat, Präsident und Generaldirektion so diffus ist. Tatsache ist, dass das Zuviel an Macht, das mein Vorgänger Rainer hatte, bei mir in das Gegenteil umgeschlagen ist. Denn derzeit hat in der Sel Verwaltungsratspräsident Sparber die totale Macht. Und das habe ich auch zu spüren bekommen, indem ich allwöchentlich wie ein Schuljunge zurechtgewiesen worden bin.

Wo zum Beispiel?
Ich bin auch sehr dafür kritisiert worden, dass ich erfahrene Berater ins Haus geholt habe, die diesen schwierigen Transformationsprozess begleiten sollten. Hier hat man sich an Kosten von ein paar 10.000 Euro aufgehängt, während schon allein durch das Insourcen der Dienstleistungsverträge Millionen an Ersparnissen möglich gewesen wären.

Sie sind nicht der erste Manager, der international erfolgreich war und dann in Südtirol scheitert. Denken Sie, um hier zu bestehen, braucht es eine eigene Schule?
Es kommt darauf an, wie das Unternehmen geführt werden soll. Wenn man die Geschichte nahtlos so weiterschreiben möchte wie bisher, dann wahrscheinlich schon. Für eine professionelle Neuausrichtung des Betriebes wäre ein internationaler Background aber sicher sehr förderlich. Ich denke nur, dass sich solche Kandidaten nun doppelt überlegen werden, diesen Job anzunehmen.