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Foto: (Salto) Simon Bolognini
Cronaca | Aus dem Blog von Gerhard Mumelter

Das Feigenblatt-Gesetz

Der Gesetzentwurf zur Abschaffung der Parteienfinanzierung ist ein dürftiger Kompromiss, der im Parlament Gefahr läuft, von den Parteien weiter verwässert zu werden.

Der umstrittene Gesetzentwurf zur Abschaffung der Parteienfinanzierung liegt dem Parlament noch gar nicht vor, da droht Außenministerin Emma Bonino bereitsmit einem Referendum nach dem Vorbild jener Volksabstimmung, mit der 1993 über 90 Prozent der Italiener gegen den Geldfluss aus der Staatskasse votierten. Die Parteien scherte das kaum. Das Kind wurde in der Folge lediglich umgetauft und hieß hinfort "Rückerstattung der Wahlspesen". Da sich die Finanzierung aus öffentlichen Geldern nach unzähligen Skandalen zum öffentlichen Ärgernis auswuchs, gerieten die Parteien zunehmend unter Druck.

Parteienfinanzierung über Steuerabschreibung

Der nun von der Regierung verabschiedete Gesetzentwurf ist die übliche Kompromisslösung und sieht eine Übergangszeit bis 2017 vor, in der die staatliche durch eine private Finanzierung ersetzt werden soll. Dabei soll ein unfairer Schachzug die Bürger dazu stimulieren, Parteien finanziell zu unterstützen: Parteispenden sollen besonders großzügig von der Steuer abgeschrieben werden können. Wer die Hungerhilfe oder die Krebsforschung mit 20.000 Euro unterstützt, kann 542 Euro abschreiben. Wer dieselbe Summe einer Partei spendet, spart 6.500 Euro. Der Gesetzentwurf wurde "salvo intese" gebilligt, was bedeutet, daß die Parteien noch Hand anlegen, bevor der Text ins Parlament kommt. Dann werden vor allem PD und PDL versuchen, das Gesetz nach bewährtem Muster zu entschärfen.

Parteien in den Miesen

Berlusconis PDL weist einen Schuldenberg von 55 Millionen Euro auf. Nur eine Bankgarantie des Cavaliere von 174 Millionen hat bisher den Konkurs verhindert. Allein für die beiden Parteibüros im römischen Palazzo Grazioli und in der Via dell'Umiltá fallen Jahresmieten von 4,4 Millionen an. Italienweit verfügt die Partei über 92 Büros, 117 Koordinatoren und über 100 Angestellte. Gut 20 Prozent der Parlamentarier hat den obligatorischen Beitrag an ihre Partei nie bezahlt. Der Partito Democratico gibt für seine römische Parteizentrale mit 700.000 Euro jährlich weit weniger aus, muss aber 200 Angestellte in die Lohnausgleichskasse überstellen.

Zehn Milliarden Euro eingestrichen

Italiens Parteien haben in den vergangenen vier Jahrzehnten die Rekordsumme von über zehn Milliarden Euro kassiert, von Transparenz bei deren Abrechnung kann keine Rede sein. So hat der PD seine 2.400 Immobilien, in denen vielfach Parteilokale untergebracht sind, in 50 Stiftungen eingebracht. Ein undurchsichtiger Dschungel birgt viele Ungereimtheiten. Obwohl die Margherita vor vier Jahren aufgelöst und dem PD einverleibt wurde, befinden sich 20 Millionen auf dem Konto der Partei. Ebenso viel hat der inhaftierte Schatzmeister Luigi Lusi unbemerkt in die eigene Tasche befördert.

Geld noch da, Parteien weg

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der vor drei Jahren aufgelösten Nationalen Allianz, die 75 Millionen auf dem Konto hat. Vier Gesellschaften verwalten den umfangreichen Immobilienbesitz, aus dem auch jene Wohnung in Monte Carlo stammte, deren Verkauf Gianfranco Fini in arge Bedrängnis brachte. Auch Italia dei Valori existiert nicht mehr, verfügt aber über ein investiertes Vermögen von 17 Millionen. Bei der Lega Nord hat allein der Autopark einen Wert von 1,2 Millionen. Beispiele, die verdeutlichen, daß der vorliegende Gesetzentwurf das Übel keineswegs an der Wurzel anpackt. Wie bei der Acht-pro-Mille-Regelung für die Kirche sollen Bürger in Zukunft gezwungen werden, in ihrer Steuererklärung zwei pro Mille einer Partei zu spenden. Tun sie das nicht, wird die Summe auf alle Parteien aufgeteilt. Was von dem dürftigen Gesetz nach der Verabschiedung übrig bleibt, wird man in einigen Wochen (oder Monaten) erfahren.

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Karl Gudauner Lun, 06/03/2013 - 22:01

Mit seinem ausgezeichnet dokumentierten Artikel zeigt Gerhard Mumelter auf, dass der "andazzo" schon längst zu einem gewerbsmäßigen Missbrauch der Parteienfinanzierung geworden ist. Die Vermutung, nach dem Skandal um die Parteienfinanzierung der Ära Craxi hätte "Mani pulite" dem ungesetzlichen Treiben einen Riegel vorgeschoben, stellt sich aus heutiger Sicht als naiv heraus. Die Realität der Praktiken der Abzocke übersteigt bei weitem das Vorstellungsvermögen. Gut vorstellbar, dass kein Interesse daran besteht, einen Pfad der Legalität durch den Missbrauchsdschungel zu bahnen. Das System des Gattopardo ist bekannt: Es muss sich alles ändern, damit sich nichts ändert. Pläne, den Parteispenden einen massiven Steuerbonus zuzuschanzen, beweisen, dass von den Parteien die Interessen der Kaste ungleich höher bewertet werden als das Gemeinwohl.

Lun, 06/03/2013 - 22:01 Collegamento permanente