Ambiente | Tourismus

„Ich bin kein beliebter Mensch“

Michil Costa über die Maratona dles Dolomites, die Sperre der Dolomitenpässe und seine Überzeugung, dass solche Leute wie Mussner und Pinzger endlich weg müssen.
Costa, Michil
Foto: Michil Costa
Salto.bz: Herr Costa, haben Sie nach der Maratona gefeiert?
 
Michil Costa: Ja, ein bisschen. Die große Feier kommt heute Abend mit den Mitarbeitern. Von 1500 Mitarbeitern kommen rund 1200 und dann gibt es ein großes Fest mit Lotterie, Essen, Trinken, Musik usw.
 
Ihre Bilanz der heurigen Maratona? 
 
Man kann nur zufrieden sein. Wenn man das erleben kann: Es ist eine Wahnsinnsenergie, die hier rauskommt. Es ist kein Radrennen, es ist kein Volkslauf, es ist die Maratona. Es ist einfach etwas ganz ganz besonderes. Wegen der Menschen, die hier sind, wegen der Ruhe auf den Bergen und der Pässe ohne Autos und Motorräder. Alles zusammen bringt diese Wahnsinnsenergie hervor. Ich sage das nicht nur weil ich der Präsident der Maratona bin.
 
Die Frage ist, was kann Michil Costa bei der nächsten Maratona noch besser machen?
 
Ich bin nicht mehr der Jüngste, aber ich bin zum Glück noch ein kreativer Mensch. Ich denke gerne weiter. Es gefällt mir in die Zukunft zu denken, deswegen habe ich mir schon einiges ausgedacht, nicht nur für Maratona. Sondern auch für alles was damit zusammenhängt. Ich denke da an unsere Gäste, Radfahrer und Menschen, die die Berge lieben. Mir geht es darum, endlich die Autos und Motorräder von den Pässen wegzubringen.
Es ist kein Radrennen, es ist kein Volkslauf, es ist die Maratona.
 
Die Politik zögert; der HGV schreit dagegen auf. Die Schließung der Dolomiten-Pässe ist anscheinend weit schwieriger als gedacht?
 
Es ist wirklich an der Zeit, die richtigen Menschen an den richtigen Plätzen einzusetzen. Mit den Radfahrern haben wir ein wahnsinniges Potential in der Hand. Die Berge brauchen Ruhe und deshalb braucht es in Zukunft die richtigen Menschen, die die richtigen Entscheidungen treffen. Daran möchte ich arbeiten. Leider hat man das im Moment in Südtirol und in Val Badia nicht verstanden hat. Ich bin ein kritischer Mensch, auch mit mir selber, und ich glaube, dass es hier Menschen gibt, die fehl am Platz sind.
 
Wen meinen Sie?
 
Der Präsident des HGV Manfred Pinzger, der zuständige Landesrat Florian Mussner und einige andere müssen weg. Mit Verlaub, die verstehen zu wenig vom Tourismus und wir brauchen gescheitere Leute. Was hier letzte Woche passiert ist, ist ein Wahnsinn und ich verstehe nicht, warum man das nicht besser ausnützt, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch zum Wohlstand der Einheimischen. Es ist was besonderes, wenn man die Berge ohne Motorräder und akustische Verschmutzung erleben kann. Ich werde mich dafür einsetzen, dass da was Gescheites zustande kommt.
Der Präsident des HGV Manfred Pinzger, der zuständige Landesrat Florian Mussner und einige andere müssen weg.
 
Wenn aber tausende von Menschen in die Berge kommen um zuzuschauen/mitzumachen, ist das nicht auch eine große Belastung für die Umwelt?
 
Stimmt. Natürlich ist dies eine Belastung. Man muss eben neue Systeme finden. Es gibt ja bereits Systeme, womit man Menschen auf die Pässe, auf die Berge und in die Dörfer ohne privaten Verkehr bringt. Wir haben 32.000 Anfragen und lassen am Ende 9000 Radfahrer starten, Aber es ist auch die Bettenkapazität für alle Menschen vorhanden. Wären weniger Betten, würden weniger kommen. Wir müssen das auf den Kopf stellen, wir dürfen nicht weiterhin Hotels bauen. Es wird alles zu viel. Zu einer Maratona kommen viele Menschen, vielleicht auch zu viele., Aber man darf nicht vergessen, dass wir so viele auch nur haben, weil es genug Betten gibt. Zumindest auf den Pässen ist aber Ruhe. Im Dorf gehts chaotisch zu. Langfristig braucht es aber eine andere Mobilität, d.h ein Zug von Bruneck nach Corvara, damit die Dörfer ohne Autos erreichbar sind
 
Wie stehen die Bewohner Corvaras zur Maratona?
 
Das ist eine gute Frage, der Unterfertigte ist kein beliebter Mensch. Ich weiß, ich bin oft radikal mit meinen Ideen. Wenn ich aber nicht radikal gewesen wäre, wäre die Maratona nie das geworden, was sie geworden ist. Wir haben einige nicht populäre Entscheidungen getroffen. Die meisten Gastwirte sind dagegen, dass man Limits setzt und die Pässe autofrei hält. Die Politiker sind dagegen. Auch wenn viele Einwohner dagegen sind, muss ich trotzdem versuchen mit meinen Ideen weiterzukommen. Natürlich habe ich die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, aber ich bin mir sicher, dass dies für unsere Umwelt die richtige Lösung ist. Man darf nicht nur wirtschaftlich denken, das funktioniert nicht.
 
 
Die Wirtschaft spielt nunmal auch eine große Rolle.
 
Aber nicht die wichtigste. Die wichtigste spielt das Wohlbefinden des Menschen.
 
Aber wie will man das am besten vereinen?
 
Indem man Schritte setzt, die ein Vorbild sein könnten. Indem man zum Beispiel in Pedraces einen Parkplatz plant, wo man die Autos lassen kann und von dort aus mit Elektroshuttles oder Liften, die Dörfer in Alta Badia erreicht. So wie es zur Zeit in puncto Verkehr zugeht, funktioniert das in ganz Südtirol nicht. Wir müssen aufhören Hotels zu bauen mit 600 Betten. Das geht nicht mehr. Das wird eine „Touristifaktion“, eine „Touristification“, das ist pornoalpiner Tourismus, kein gesunder Tourismus, das ist pornoalpin. Der HGV versteht das nicht, Mussner versteht das nicht. Es sind gute Menschen, aber schwache Leute. Es braucht Profis. Es braucht gute Leute
 
Und wo finden wir diese Leute?
 
Zuerst sollen die Alten weg. Ich schätze Richard Theiner sehr, aber er war sehr schwach mit seiner Sellajochentscheidung. In diesem Punkt hat er falsch entschieden. Es gibt viele junge Leute, die so denken wie ich. Vielleicht keine Gastwirte, vielleicht keine Politiker, aber gibt sie. Die jungen Leute sind viel sensibler als wir Alte. Sie wissen wie sich die Welt dreht, sie haben mehr Fingerspitzengefühl, sie verstehen was Wohlbefinden heißt. Die anderen wissen es nicht mehr. Verstehe ich auch, das ist unsere Generation, wir sind im Reichtum aufgewachsen, wir kannten nichts anderes. Meine Eltern kannten die Armut noch, ich nicht. Mir ging es immer gut. Die nächste Generation wird es schwerer haben, aber sie ist auch klüger, sie weiß, wenn wir so weitermachen, schaden wir uns selber. Wir haben nur einen Planeten, wir müssen uns einschränken, wir brauchen keinen Flugplatz in Bozen. Das Problem ist der Massentourismus in bestimmten Zeitperioden, falsch ist es so viele Betten bereitzustellen, wie die maximale Auslastung ist.
Wir müssen aufhören Hotels zu bauen mit 600 Betten. Das geht nicht mehr. Das ist pornoalpiner Tourismus.
 
Wie sind Sie eigentlich zum Vater der Maratona geworden?
 
Die damaligen Organisatoren fragten mich, ob ich die Präsidentschaft übernehmen könnte, weil sie es nicht mehr schafften. Ich übernahm gerne, aber zu zwei Bedingungen: erstens die Pässe sperren und zweitens ein klare Kommunikationsstrategie. Die Pässe zu sperren habe ich dann nach ein paar Jahren geschafft. Dann habe mich mit dem Vizedirektor der RAI bezüglich des Radrennens in Verbindung gesetzt. Damals ging es uns wirtschaftlich überhaupt nicht gut, es gab schwierige Jahre. Aber es begann zu funktionieren. Es kamen mehr Radfahrer und mehr Sponsoren.
 
Was wünschen Sie sich für die zukünftigen Maratona? 
 
Ich wünsche mir, umweltfreundlicher zu werden, ich wünsche mir, dass die Südtiroler Sponsoren mehr involviert werden und dass sich alle bewusst werden, dass wir schnell umdenken müssen. Weniger Plastik, weniger Privatautos. Nicht zufällig ist das Thema nächstes Jahr, am 7. Juli 2019: domani, tomorrow, morgen.