Società | Flüchtlinge

Die Tisner zeigen wie's geht

Die Tisner haben im Rahmen einer Pressekonferenz von ihren Erfahrungen mit den Flüchtlingen berichtet, von neu gesteckten Grenzen und dem Prozess des Aufeinanderzugehens.

„50 Tage miteinander“ – unter diesem Motto eröffnete Bürgermeister Christoph Matscher die Pressekonferenz, die am Vormittag Südtirols Pressevertreter nach Prissian ins Haus Noah brachte. Die Gemeindevertreter, die Caritas und die Freiwilligen wollten mitteilen, wie der Umgang und die Erfahrungen mit den 40 jungen Männern aus Nigeria, Gambia, Mali und Guinea bisher verliefen, was sich in der kleinen Burggräfler Gemeinde bewegt hat und was noch hinzukommt.

Der Tisner Bürgermeister sprach von den Ängsten und der Skepsis bei sich selbst und der Dorfbevölkerung, als am 13. Juli die 40 Flüchtlinge im Ex-Salus-Center ankamen und niemand so recht wusste, was nun auf die Gemeinde zukommen würde. Vor allem die Verhältnismäßigkeit bereitete Christoph Matscher Sorgen, wie er im August-Gemeindeblatt schrieb; ob ein kleines Dorf wie Prissian mit seinen 600 Einwohnern die 40 im Eilverfahren einquartierten Flüchtlinge bewältigen könne. Doch sei der Zuspruch von großen Teilen der Dorfbevölkerung sogleich zu spüren gewesen: „Vor allem diese unvoreingenommene Haltung vieler Freiwilliger hat uns viel Kraft gegeben und deswegen steht die Gemeindeverwaltung voll und ganz hinter dem Projekt und hinter dem Haus Noah.“ Es hat sich in den zwei Monaten gezeigt, dass es sich um 40 junge freundliche Männer handelt, die froh sind, in Prissian Unterkunft und Schutz zu finden. Es hat sich auch gezeigt, dass vor allem große Teile der Dorfbevölkerung vorangingen, mit Willkommensgrüßen und –gesten an die jungen Afrikaner, und dass die Politik dieser Offenheit dann auch die eigene folgen ließ.

Der Bürgermeister kündigte an, für die Zukunft Arbeitsmöglichkeiten schaffen zu wollen, solche, die den Asylwerbern in ihrem Wartestadium erlaubt sind. „Wir werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, um die jungen Männer so gut es geht in die Dorfgemeinschaft zu integrieren.“ Das Altersheim habe sich bereits gemeldet und auch die Gemeinde hat Bedarf für kleinere Arbeitsaufträge.

Bilder von der Pressekonferenz in Tisens

 

Caritas-Präsident Franz Kripp erläuterte den finanziellen Hintergrund, da dieser „oft Anlass zu Vermutungen und falschen Schlussfolgerungen gibt.“ 28 Euro erhalte das Land Südtirol vom Staat pro Flüchtling und pro Tag. Davon gingen 25,20 Euro - 90% - an die Caritas, die das Haus Noah leitet. Da die Flüchtlinge sich selbst versorgen und bekochen, erhält jeder von ihnen 8 Euro pro Tag für Lebensmittel und persönliche Dinge. Im Jahr 2016 stehen insgesamt 480.000 Euro für die Flüchtlingsunterkunft in Prissian zur Verfügung, Personalkosten, Versicherungen und Unterhaltspesen inklusive. Der Appell von Franz Kripp lautete ähnlich wie jener von Prodekan Alexander Raich, das positiv-Menschliche zu betonen und darauf in Wort und Tat zu achten.

Dass die Flüchtlinge auch in die Kirche kommen, zu den Messfeiern, hob der Dekan besonders hervor. Es sei wichtig für die Dorfbewohner zu sehen, dass diese denselben Riten folgen und nicht so anders seien als sie selbst. „Ein helles Prissian“ solle das Dorf bleiben.

Auch einer der jungen Männer sprach zu den Pressevertretern, Kelly Samota bedankte sich im Namen seiner afrikanischen Mitbewohner und berichtete von der positiven Stimmung im Haus. Man wolle alles tun, um zu lernen und zu arbeiten, wo es geht. Dankbar seien sie für jegliche Aktivitäten, die ihnen die Wartezeit verkürzen helfe. Das Team der Freiwilligen Julia Dalsant, Urban Hiegelsperger und Elisbeth Langes konnte von einer beeindruckenden Aktionsliste berichten, von einer Dorfbegehung, Sprachkursen, Büchersammlungen, Tischtennis- und Fußballturnieren, von gemeinsamem Kochen und Essen oder der Gartenbepflanzung hinterm Haus Noah – all das wurde bisher veranstaltet und es soll noch einiges dazukommen. Der Winter steht vor der Tür, den Schnee dürften etliche der Haus-Noah-Bewohner nicht kennen, vieles ist bereits geplant und zu verwirklichen.

Das Freiwilligen-Team besteht aus 30 Leuten, quer durch alle Berufsgruppen und Altersklassen. Soviel Engagement gab es im Dorf schon lange nicht mehr, berichtet Julia Dalsant und der Gedanke kommt auf, ob nicht letztendlich auch die Dorfgemeinschaft von der neuen Situation profitiert. „Sicherlich schafft die Anwesenheit der Flüchtlinge in einem so kleinen Ort wie Prissian ein stärkeres Gefühl von Solidarität, aber es gibt auch Ablehnung wie wir wissen,“ gibt Caritas-Direktor Paolo Valente zu bedenken. „Es kann auf jeden Fall eine Chance sein, innerhalb des Dorfes neue solidarische Allianzen zu schmieden.“ Diese Vorgänge beobachte er auch in Vintl oder in Wiesen.

Die Pressekonferenz der Tisner und Prissianer ist jedenfalls ein Schritt hin zu mehr Offenheit, Transparenz und freundschaftlichem Umgang mit neuen Situationen und Menschen. Vor allem erteilt es anonymen Initiativen, die gegen Asylwerber hetzen, eine klare und deutliche Absage.