Politica | CO2-Steuer und ETS-2

Reform der Energiebesteuerung überfällig

Die CO2-Abgabe ETS-2 wird ab 2027 fossile Brennstoffe verteuern, doch der Strompreis ist pro Energieeinheit in Italien noch stärker besteuert. Warum dieser Widerspruch?
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Das ETS-2 und die Besteuerung der Energiekosten in Italien - Quelle: ECCO
Foto: ECCO Climate
  • ETS-2 nennt sich das neue Emissionshandelssystem, das ab 1.1.2027 für Gebäude, Verkehr und andere Sektoren eingeführt wird, um die CO2-Emissionen zu senken. Der CO2-Preis wird dann durch Angebot und Nachfrage nach diesen CO2-Zertifikaten bestimmt, deren Gesamtzahl von Jahr zu Jahr gezielt schrumpft. Seit 20 Jahren hat sich dieses System in Form des ETS-1 für die Energiewirtschaft und Großindustrie bewährt. Nun wird es zum marktkonformen Instrument zur Bepreisung klimaschädlicher Gase in allen Sektoren. Für die Verbaucher von Öl, Gas, Benzin, Diesel und Kerosin wird es teurer, und muss es auch, wenn die Energiewende bei Verkehr und Gebäudeheizung Fahrt aufnehmen soll. Ein zukünftiger CO2-Preis von 65 Euro ab 2027 entspricht etwa +20 Cent pro Liter Heizöl, +17,3 Cent pro Liter Diesel und +15,7 Cent pro Liter Super. Wenn der CO2-Preis später auf 100 Euro pro Tonne steigt, wird ein Kubikmeter Gas um 20 Cent und 1 Liter Diesel um 25 Cent steigen. 

    Nicht alle Verbraucher:innen sind davon begeistert. Diese beabsichtigte Preissteigerung wird von vielen kritisiert, ist aber für die Lenkungswirkung unverzichtbar. Die EU und die Mitgliedstaaten halten verschiedene Maßnahmen bereit, um den Preisschub zu dämpfen, etwa in Form von „Reserve-Zertifikaten“ bei höherem Preisauftrieb. In Italien muss dieser Preisschub bei den fossilen Brennstoffen im Gesamtrahmen der Besteuerung von Energie betrachtet werden. Hier klafft ein  erstaunlicher Unterschied zwischen der Steuerlast auf Strom und den Steuern auf Gas, Diesel und Benzin, heute und auch noch mit dem ETS-2. Die fossile Stromerzeugung unterliegt schon seit 2005 dem ETS-1 mit entsprechendem Preisauftrieb. Der Strompreis liegt in Italien besonders hoch, weil noch immer mehr als die Hälfte in Öl- und Gaskraftwerken erzeugt wird. Doch heute zahlt man bei gleicher Energiemenge auf Strom auch die dreifache Steuer als auf Diesel und Benzin. Das wird durch das ETS-2 nicht ausgeglichen. 

    So wird ein umwelt- und klimafreundlicher Verbraucher, der rechtzeitig auf E-Auto und Wärmepumpe umgestiegen ist, regelrecht bestraft. Dabei nutzen E-Autos und Wärmepumpen die Energie vier Mal so effizient als fossile Brennstoffe. Doch 63% dieses Effizienzgewinns wird durch die derzeitigen Zusatzsteuern (oneri parafiscali) wieder wegbesteuert, hat der Mailänder Think Tank ECCO Climate errechnet.

    Bei den Kosten fürs Aufladen von E-Autos stellt sich das krass dar (vgl. Grafik oben). Die Aufladung eines typischen E-PKW je nach Modus (Wallbox zuhause, Steckdose zuhause, öff. Ladesäule) führt zu 20,6 Cent/kWh, 27,4 Cent/kWh und 31,2 Cent/kWh gegenüber nur 11,4 Cent/kWh beim Benzin (vgl. ECCO Climate, ETS2 e costi dell’energia: qual è la convenienza per i consumatori?, ott. 2025, 13-18). Die Vorteile des Effizienzgewinns durch den Elektroantrieb werden so um mehr als die Hälfte wegbesteuert. Fossil betriebene Fahrzeuge werden steuerlich begünstigt, obwohl klimapolitisch gesehen schädlich. Das kann wohl nicht die Absicht des ETS-2 sein.

    Das Energiesteuersystem Italiens ist widersprüchlich und inkonsequent. Die energiesparwilligen Verbraucherinnen werden abgestraft, die angepeilte Senkung der CO2-Emissionen wird gebremst und verzögert. Somit höchste Zeit für die Regierung, diese verzerrte Besteuerung von Strom und fossiler Energie mit dem Haushalt 2026 ins Lot zu bringen. Das ETS-2 bietet die Gelegenheit dafür, den Strompreis steuerlich zu entlasten und den Klimaschaden der fossilen Energie einzupreisen.

    Das ETS-2 wird – so ECCO Climate – die Energiewende hin zur Elektrifizierung von Mobilität und Gebäudeheizung in sozial fairer Weise fördern, sofern

    • …die Regierungen – wie von der EU vorgegeben – 100% der Einnahmen aus dem Zertifikatehandel für die Förderung der Energieeffizienz und den Umstieg auf erneuerbare Energie verwenden. Dadurch soll auch Geringverdienern der Zugang  zu effizienter, klimafreundlicher Energietechnik eröffnet werden.
    • …das ETS-2 in die gesamte geltende Energiebesteuerung integriert wird, um den stufenweisen Anstieg des CO2-Preises zu steuern. Eine Art „Preiskorridor“ soll dem Staat eine Mindesteinnahme aus dem ETS-2 sichern und dem Verbraucher eine planbare und leistbare Höchstausgabe garantieren;
    • …die Energiebesteuerung insgesamt neu geregelt wird, um kontraproduktive Ungleichgewichte auszuräumen. Nur so wird z.B. der Ankauf von E-Autos und Wärmepumpen systematisch und langfristig gefördert.
    • …es keine Verzögerungen in der Umsetzung des ETS-2 gibt. Die ETS-2-Richtlinie sieht einen mit 7 Mrd. Euro dotierten Sozialfonds für Italien vor. Wird das Ganze verzögert, könnte dieser von der EU gewährte Fonds schon sofort um 1,55 Mrd. gekürzt werden.

    Es wäre kurzsichtig, jetzt weiterhin die Einführung des ETS-2 zu behindern oder zu verschieben. Sozial- und klimapolitisch geboten wäre es hingegen, die Steuern auf Strom zu senken. Das ETS-2 bietet eine doppelte Chance, die Energiewende gezielt anzuschieben und den Zugang zu effizienter und klimaschonender Mobilität und Gebäudeheizung für alle zu gewährleisten.