Società | Sprache
„Privilegien sind Grenzen“
Foto: Weigh Station/Samira Mosca
Was fällt Ihnen dazu ein, wenn Sie an Afrika denken?
Wissen Sie, wie viele Länder es auf dem afrikanischen Kontinent gibt und wie viele Sprachen dort gesprochen werden? Wissen Sie, wie viel Prozent der weltweiten Treibhausgase in Afrika emittiert werden? Wissen Sie, wie viele Menschen aus Afrika in Italien leben?
Der afrikanische Kontinent setzt sich aus 54 Staaten zusammen, es werden über 2.000 Sprachen, inklusive der Dialekte, gesprochen. Drei Prozent des weltweiten Ausstoßes schädlicher Treibhausgase stammen aus Afrika. In Italien lebt rund eine Million Afrikaner:innen. Im Workshop „Kulturelle Vielfalt kommunizieren: Unconscious Bias und bewährte Praktiken“, organisiert von Weigh Station in Bozen, weiß keine:r der Teilnehmer:innen diese Fakten.
Kwanza Musi Dos Santos überrascht das nicht. Die Referentin hält bereits seit einigen Jahren Workshops für verschiedene Zielgruppen zu Antirassismus und intersektionalem Feminismus im italienischsprachigen Raum. „Ich mache diese Workshops, um Fragen zu stellen. Je mehr wir Fragen stellen, desto mehr stellen wir in Diskussion und dekonstruieren dieses System.“
Im Workshop analysiert Dos Santos deshalb gemeinsam mit den Teilnehmer:innen italienische und Südtiroler Tageszeitungen, auch ein Ausschnitt aus einem Fernsehinterview der Rai wird gezeigt. Was kann gesagt werden und was nicht? Welche Aussagen basieren auf (un)bewussten Vorurteilen, die Rassismus, Sexismus oder Behindertenfeindlichkeit reproduzieren?
Sichtweisen schärfen
„Es ist wichtig, die eigenen Privilegien zu erkennen, eine gute Möglichkeit dafür sind die Privilege Walks auf Youtube. Dann können die eigenen Privilegien auf einen Zettel notiert werden, diese Übung klappt auch mit Freund:innen gemeinsam“, so Dos Santos. „Privilegien sind für mich keine Güter, sondern es sind Grenzen. Sie sind in Situationen erkennbar, wo eine Person mit Bedingungen konfrontiert ist, die besser oder schlechter sind als für andere Personen. Diese Bedingungen hat sich die Person aber nicht erarbeitet und auch nicht ausgesucht“, erklärt die Expertin.
Ein Phänomen, das in diesem Prozess auftreten kann, ist die White Fragility (weiße Zerbrechlichkeit in Deutsch). Weiße Zerbrechlichkeit löst eine Reihe von Abwehrhaltungen bei weißen Menschen aus, wenn sie mit unbequemen Wahrheiten über Rassismus konfrontiert werden. Dazu gehören das Zeigen von Wut, Angst und Schuld sowie Verhaltensweisen wie Diskussion, Schweigen und Verlassen der stressauslösenden Situation. Solche Reaktionen führen dazu, dass diejenigen, die von Rassismus betroffen sind, aus Angst, dafür angegriffen zu werden, nicht mehr über ihre Erfahrungen sprechen.
„White Fragility ist ein großes Problem, vor allem bei weißen Feministinnen. Sie nutzen diese Zerbrechlichkeit oft, um darauf hinzuweisen, dass sie unter Sexismus leiden, so als ob, schwarze Frauen nicht unter Sexismus leiden. Auch wir leiden unter Sexismus. Damit reproduzieren sie Rassismus im Umgang mit anderen Frauen und sie begeben sich in eine Machtposition“, erklärt Dos Santos. Die Zerbrechlichkeit sei eine Folge davon, dass wir in einem Umfeld der Vorherrschaft weißer Menschen aufgewachsen sind.
Intersektionalität
Das Zusammenbringen von Feminismus und Antirassismus hat die Schwarze US-amerikanische Menschenrechtsaktivistin und Universitätsprofessorin Kimberlé Williams Crenshaw mit der Einführung von Intersektionalität maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Bei intersektionalem Feminismus geht es darum, die Überlappungen von Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen aufzuzeigen, die nicht nur aufgrund des Geschlechts, sondern auch aufgrund der Ethnie, Sexualität, des wirtschaftlichen Hintergrunds und anderen Merkmalen erfolgen.
„Intersektionalität ist für mich eine Praxis, beispielsweise wenn zu einem Thema Menschen mit verschiedenen Hintergründen sprechen können“, so Dos Santos. Dabei gehe es nicht darum, alle gleich zu machen, sondern die Unterschiede der Menschen aufzuwerten.
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