Zum Teufel mit dem Krampus!
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Ist in Zeiten zunehmender Unsicherheit, Konflikte und irrationaler Ängste der Drang, das Böse in greifbare Figuren zu projizieren, größer – oder gar eine tief verwurzelte menschliche Konstante? Im SALTO-Podcast In der Streitergasse sprechen dazu der Moraltheologe Martin M. Lintner, die Volkskundlerin Barbara Stocker und die Sagenforscherin Ulrike Kindl.
Es ist längst schon ein Kommerz geworden. Es ist längst schon aus den ursprünglichen Zusammenhängen herausgerissen.
[Ulrike Kindl]
Wie steht es um die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung von Nikolaus- und Krampusbräuchen im Alpenraum? Wie ist die historische Entwicklung und ihre symbolische Funktion heute? Welchen Einfluss haben Medien und Mainstream? Oder hat die zunehmende Popularität von Krampusläufen seit den 2000er-Jahren vielleicht mit Zukunftsängsten, Unsicherheiten und gesellschaftlichen Spannungen zu tun? -
Barbara Stocker beobachtet das Phänomen der Krampus-Schauläufe seit vielen Jahren und berichtet, dass sie sich nicht mehr nur um den 5. oder 6. Dezember abspielen, sondern bereits im Herbst beginnen und bis (nahezu) in die Karnevalszeit reichen. Es gibt tatsächlich Parallelen – wie auch Ulrike Kindl betont – „zu mittelalterlichen Umkehrfesten“, in denen gesellschaftliche Normen temporär außer Kraft gesetzt wurden, um Spannungen zu lösen und anschließend die soziale Ordnung wiederherzustellen. Alles also nur Karneval unter einem anderem Namen und anderen Vorzeichen?
In diesen letzten 25 Jahren können wir sagen, gibt es einen außerordentlichen Zuwachs. Ständig entstehen neue Vereine...
[Barbara Stocker] -
Die Rolle und das Tun der Krampus-Vereine wird In der Streitergasse (trotz Kritik) dennoch positiv hervorgehoben, etwa in Bezug auf Dorfgemeinschaft und die handwerkliche Tätigkeit der Maskenschnitzerei. Zudem gebe es inzwischen auch einige Vereine, die sich mit besonderen Angeboten für Kinder hervortun und sogar den eigentlichen Nikolausumzug organisieren – damit der gute Bischofsmann in dieser Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, nachdem ihm bereits von einer kleinen Nebenfigur die Show gestohlen wurde.
Und vielleicht kann gerade da auch so etwas wie diese Zelebration des Bösen bei diesen Umzügen eine gewisse katharische Funktion ganz einfach auch haben.
[Martin M. Lintner] -
Martin M. Lintner spricht neben seiner Einschätzung zu Gut und Böse und den Krampussen auch von der Nikolausfigur und wie er diese vor Jahren am eigenen Leib erleben durfte, als er selbst als Nikolaus in den Großstädten Wien und Gelsenkirchen unterwegs war. Würde er sich Nikolaus-Schauläufe wünschen? Sie hätten sicher nicht so einen Ansturm, meint Lintner, „weil das Böse und das Hässliche einfach mehr faszinieren.“
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Die Gäste in Folge 70
Barbara Stocker (Volkskundlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde)
Ulrike Kindl (Volkskundlerin und Professorin an der Universität Ca’ Foscari in Venedig)
Martin M. Lintner (Ordentlicher Professor für Moraltheologie und Spirituelle Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen)
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