Cultura | Salto Afternoon

Kulturbewertungen

Seit einigen Tagen wird in Südtirol wieder einmal über Kulturpolitik geredet. Leider aneinander vorbei.
Abstimmung
Foto: upi

„Wenn es um die Kultur geht will die Mehrheit im Südtiroler Landtag ihren Horizont nicht erweitern“, schreibt die Landtagsfraktion der Grünen in der gestrigen Aussendung, nachdem die SVP-Lega-Koalition den von den Grünen eingebrachten Vorschlag abgelehnt hatte, eine „Erhebung zur wirtschaftlichen Situation der Kultur- und Kreativwirtschaft in Südtirol durchzuführen.“ Die Vorlage lieferte ein offener Brief an Politik und Medien, in welchem der Südtiroler Künstlerbund und die neugegründete Gruppierung Performing Artists South Tyrol „eine ganzheitliche Erhebung über die Wertschöpfung des Kulturbereichs“ fordern.

In einem Antwortschreiben unter dem Titel Kultur krisenfest machen, wollte Landesrat Philipp Achammer bereits vor der Abstimmung im Landtag den Wind aus den Segeln nehmen, der ihm – nicht erst seit der Ausstrahlung der Rai-Diskussionssendung Am runden Tisch zu Wochenbeginn – entgegenbläst. Der Auftritt Achammers in der Gesprächsrunde legte nämlich unverblümt offen, dass er durch verständnisvolles Kopfnicken zwar Bemühen und Entgegenkommen signalisiert, allerdings nicht wahrhaben will, dass es in Krisenzeiten damit nicht genug ist.
„Die derzeitige Krise offenbart, wie fragil und verletzlich der Kulturbereich ist“, schreibt Achammer einen Tag nach der Sendung mitleidsvoll in die Runde und bietet längst fällige Gesprächsbereitschaft an. „Wir müssen darüber reden, welche Rolle die Kultur innerhalb einer Gesellschaft hat“, kommt er in freundschaftlich-belehrendem Ton daher und berichtet selbstlobend von Erhebungen „der Kreativwirtschaft in Südtirol“ und von der Schaffung eines „Verzeichnisses der Kunstschaffenden“. 

Wie fragwürdig ist es aber, wenn der Wert von Kultur und die Leistung von Kunstschaffenden vor allem durch die neoliberalen Maßstäbe eines Wirtschaftslandesrates bemessen werden? Wie fragwürdig ist es, wenn im Kulturbereich Begriffe wie Gewinn und Reichtum meist von Wirtschaftstreibenden und nach dem Gutdünken einer verarmten Jurist*innensprache interpretiert und weiter-"verarbeitet" werden? Sie lotsen Kultur doch letztendlich – nicht nur in Südtirol – in eine gefährliche Sackgasse, oder?
Die nette Zwischenlösung, den Kulturbetrieb mit frischen Zahlen zu erheben, um ihn für die Zukunft mit anderen Bereichen zu vergleichen und vielleicht monetär minimal neu zu bewerten, ist durchaus löblich und ein erster Ansatz – weitaus wichtiger aber sind klare Visionen und nachhaltige Investitionen im Bildungs- und Kulturbereich. Dazu braucht es weder fadenscheinige Wertschätzung und kollegiales Schulterklopfen, sondern vielfach höher angesetzte Fördermaßnahmen, sprachübergreifende Zusammenarbeit und eine gute Vernetzung der verschiedenen Kulturabteilungen. Und Weitblick, anstelle von trügerischem Like-Blick.

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Klemens Riegler Ven, 02/05/2021 - 16:33

Ich würde in den nächsten Monaten auch keine „Erhebung zur wirtschaftlichen Situation der Kultur- und Kreativwirtschaft in Südtirol durchzuführen.“ Das Ergebnis ist schon jetzt klar: Null!
Und nach der Pandemie könnte es noch schlimmer ausschauen. Er wird ohne Hilfen und Solidarität dann kaum noch "Perfas-Künstler" geben.
Vielleicht verstehen jetzt (im erneuten Halb-Lockdown) einige mehr wie es der Kultur- und Kreativwirtschaft seit März 2020 geht. Die ist seit fast 11 Monaten im Voll-Lockdown!

Ven, 02/05/2021 - 16:33 Collegamento permanente
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Arne Saknussemm Sab, 02/06/2021 - 07:13

... „eine ganzheitliche Erhebung über die Wertschöpfung des Kulturbereichs“ ?..
So ziemlich das Blödeste was man tun kann. Was dabei heraus kommt, kann man sich denken. Ich habe die RAI Südtirol Sendung auch gesehen. Man redete nicht nur aneinander vorbei, sondern benutzte die ewigen üblichen Floskeln und Allgemeinplätze. Der ehrlichste Beitrag war noch der von Geigerin Frau Egger, den Rest kann man als Lobby-Geplänkel abhaken. Armselig!

Sab, 02/06/2021 - 07:13 Collegamento permanente