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(K)Leben für das Klima – Und nun?

So lautet der Titel des dritten Dialogabends. Gemeinsam mit Markus Lobis diskutieren zwei Klimaaktivist*innen wie und ob die Menschheit noch zu retten ist.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale del partner e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Indigo Drau & Jakob Dellago
Foto: Jana Bauch & Moritz Holzinger
  • Der dritte start.klar Dialogabend steht vor der Tür (wer die ersten zwei verpasst hat, findet hier und hier jeweils die Aufzeichnungen). Am Mittwoch, den 12. Februar ab 20.00 Uhr diskutiert Markus Lobis mit Indigo Drau und Jakob Dellago unter dem Titel „(K)Leben für das Klima – Und nun?“ zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Klimaaktivismus.

    Zu Gast sind dieses Mal zwei langjährige Klimaaktivist*innen. „Seit sieben Jahren besteht der Hauptinhalt meines Lebens darin, mich für eine klimagerechte Welt, in der alle gut leben können einzusetzen.“, stellt Indigo Drau sich selbst vor. „Das tue ich auf sehr unterschiedlichen Wegen: Indem ich im Rheinischen Braunkohlerevier Bagger besetzt und Bäume bewohnt habe. Indem ich Teil von globalen Bündnissen gegen fossile Plünderung sein durfte. In dem ich kämpfende Commons aufgebaut habe, für andere gesorgt habe und von anderen versorgt wurde. Und in letzter Zeit auch leider immer häufiger, indem ich mich in antifaschistischen Abwehrkämpfen einbringe.“

    Jakob Dellago hingegen hat Theater-, Film- und Medienwissenschaften studiert und lebt nun als selbstständiger Filmemacher in Wien. Er war lange Zeit Mitglied der Letzten Generation, bis diese Gruppierung sich vor etwa einem halben Jahr aufgelöst hat. Im Rahmen seines Aktivismus hat er sich auf die Straße geklebt, wurde verhaftet und zu Geldstrafen verurteilt. Für ihn ist ziviler Ungehorsam „die effektivste Art um für Veränderung zu kämpfen.“

  • Vom zivilen Ungehorsam

    Der zivile Ungehorsam wird bei Dellago auch während des Dialogabends im Fokus stehen. „Ich möchte dem Publikum zeigen, wie stark ziviler Ungehorsam ist. Er war und ist ein wichtiger Baustein in vielen sozialen Reformen, die zu Dingen geführt haben, die wir heute oft als selbstverständlich betrachten. Das Frauenwahlrecht, zum Beispiel, aber auch das Ende der Rassentrennung und die Bürgerrechte in den USA. Oder die Studierendenbewegung, die sich aktuell in Serbien zusammengefunden hat, um gegen die Korruption in der Regierung zu protestieren. Was zivilen Ungehorsam – also das friedliche Brechen von Regeln und Gesetzen – so effektiv macht, ist, dass es dazu nicht viele Personen braucht. Jede einzelne Person, die mitmacht, kann etwas bewirken. Aus der Forschung zu Protestbewegungen wissen wir, dass in den letzten hundert Jahren jede Bewegung, bei der sich über 3,5 % der Bevölkerung aktiv beteiligte, erfolgreich war.“

  • Klimaktivist Jakob Dellago: Foto: Moritz Holzinger
  • Zur Emanzipation

    Für Drau ist die Klimakrise vor allem eine soziale Frage. „Nicht nur, weil sie, wie in einem Brennglas, soziale Ungerechtigkeiten weiter verschärft, also zum Beispiel arme Menschen, Frauen und People of Color besonders hart trifft, während sie am wenigsten zu der Krise beigetragen haben. Sondern auch, weil die Frage danach, ob wir Natur zerstören oder nicht, letztlich die Frage danach ist, wie wir als Gesellschaft in einem arbeitsteiligen Prozess und im Stoffwechsel mit der Natur, das produzieren, was wir zum Leben brauchen. Es gibt also letztlich kein Leben oder Kleben für das Klima, sondern bloß ein Sterben nach einer Emanzipation von uns selbst und der gesamten Menschheit, worin eine andere Beziehung zu unserer nicht-menschlichen Umwelt eingeschlossen sein muss. 

    Klimapolitiken, die Klimafrage auf technische Aspekte zur CO₂-Reduktion verengen, sind zum Scheitern verurteilt. Es ist der Moment, in dem wir alles infrage stellen müssen.“

  • Klimaktivistin Indigo Drau: Foto: Jana Bauch
  • Positive und negative Aufmerksamkeit

    Fragwürdig erscheinen vielen Personen auch die Methoden der Klimaaktivist*innen. Was bringt es, sich auf die Straße zu kleben? Geht es dabei nur um Aufmerksamkeit? „Ja“, bestätigt Dellago. „Es geht um Aufmerksamkeit. Wir müssen den Leuten endlich bewusst machen, dass unsere Lebensqualität dabei ist, sich aufgrund der Klimakrise zu verschlechtern. Zum Beispiel wird es immer schwieriger, Lebensmittel zu produzieren, da Wasser immer knapper wird und es zu immer mehr Dürren kommt. Wir werden uns auf tiefgreifende Einschnitte in unseren Leben gefasst machen müssen. Allerdings sind die Auswirkungen der Klimakrise im Moment für die meisten noch viel zu wenig spürbar, das wird noch etwa 15-20 Jahre dauern. Nur leider haben wir keine Zeit um nochmal 15-20 Jahre zu warten. Wir müssen die Leute jetzt wachrütteln. Sich auf die Straße zu kleben, ist eine sehr effektive Art, das zu tun. Denn erstens braucht es dafür nicht viele Leute und zweitens stört man die Menschen damit, anders als zum Beispiel bei den Fridays for Future Demos, in ihrem Alltag. Das macht es ihnen sehr viel schwieriger, uns zu ignorieren. Und wenn genügend Leute mitmachen – die angesprochenen 3,5 % - kann man so genug Druck auf die Politik ausüben, dass auch die unsere Forderungen nicht mehr ignorieren kann und sie umsetzen muss.“

    Die Macht der Aufmerksamkeit kennt auch Indigo Drau gut. Sie setzt sich schon seit Jahren für das Klima ein und hat die Erfolge und Misserfolge der Bewegung miterlebt. „Ich erinnere mich noch daran, wie wir 2017 und 2018 eine eher kleine Bewegung waren, die aber mit der Rettung des Hambacher Forsts 2018 viele Menschen begeistern und mobilisieren konnte. 2019 ist mit Fridays for Future eine Massenbewegung entstanden, und wir haben sowohl diskursiv als auch realpolitisch einiges erreicht. Doch die Erfolge waren weder ausreichend, noch wurden die klimapolitischen Maßnahmen ausreichend mit sozialer Ausgleich und Umverteilung verbunden. Auch das war schließlich Wasser in den Mühlen der Rechtsextremen, die in den vergangenen Jahren die Klimabewegung zu einem Feindbild stilisieren. Statt dem gesellschaftlichen Rückenwind, den wir uns über Jahre erarbeitet haben, agieren wir jetzt im scharfen Gegenwind.“

    Gegenwind kommt häufig auch aus der Politik. „Nicht alle haben ein Interesse daran, die Klimakatastrophe zu verhindern“, erzähl Jakob Dellago. „Schließlich sind gerade im Bereich der fossilen Brennstoffe viel Geld und eine große Lobby im Spiel. Aber wenn die Politik unseren Forderungen nicht nachgeben kann, bleibt ihr nur eine Wahl, nämlich die Repressalien auf uns Aktivist*innen zu erhöhen. Indem sie Leute, die zivilen Ungehorsam betreiben, also festnehmen lässt und hohe Geldstrafen verhängt. Doch damit tut sie uns in Wirklichkeit einen Gefallen, denn so bekommt unsere Sache noch mehr Aufmerksamkeit.“

    Das ist eine Art, die Aufmerksamkeit zu nutzen. Indigo Drau sieht noch eine andere: „Ein Schlüssel läge darin, das Bekämpfen der Klimakrise damit zu verbinden, solidarische Wege aus der multiplen Krise zu finden, anstatt zuzulassen, dass Probleme gegeneinander ausgespielt werden. Wenn es in der aktuellen Situation zum Beispiel so ist, dass Arbeiter*innen gegen Klimapolitiken sind, weil sie Sorge haben, dass diese zu Wettbewerbsnachteile führen könnten, die Industriearbeitsplätze bedrohen, dann müssen wir diese Sorgen ernst nehmen. Das bedeutet aber nicht die notwendige Forderung nach Konversion einfach wieder aufzugeben, sondern viel mehr, eine Gesellschaft einzufordern, in der wir wirklich sicher sind: Sicher, dass wir den Zugang, zu dem, was wir brauchen haben, seien es Versorgungsgüter oder die Möglichkeit gesellschaftlich beizutragen. Und sicher, dass unsere Lebensgrundlagen auf dieser Erde auch in einigen Jahrzehnten noch existiert.“

  • Frust?

    Multiple Krisen sind ein gutes Stichwort. Inmitten der vielen politischen und wirtschaftlichen Probleme, mit denen sich Entscheidungsträger*innen zurzeit auseinandersetzen müssen, scheint die Klimakatastrophe etwas in den Hintergrund gerückt zu sein. Gut vorstellbar, dass sich deshalb auch unter den Klimaaktivist*innen Frust und Resignation breit machen. Was hilft dagegen? „Mir hilft vor allem aktiv zu bleiben, statt in Ohnmacht zu verfallen. Und das Wissen, nicht allein zu sein. Überall auf der Welt kämpfen Menschen für bessere kommende Welten.“, so Drau.

    „Ich beobachte in meinem Umfeld vor allem zwei Herangehensweisen“, erzählt Dellago. „Einige Menschen sind optimistisch, dass wir den Umstieg noch schaffen werden, dass die Energiewende gelingt und wir die Emissionen ausreichend senken können. Andere – wie ich – sind der Meinung, dass wir eh auf eine Katastrophe zusteuern. 2024 haben wir zum ersten Mal das 1,5-Grad-Ziel nicht eingehalten, aller Voraussicht nach wird das noch öfter passieren. Auch das 2-Grad-Ziel werden wir vermutlich verfehlen. Die Katastrophe ist also nicht mehr aufzuhalten. Aber wir können immer noch versuchen, Schadensbegrenzung zu betreiben. In der Zwischenzeit übe ich mich, wie so viele andere im Verdrängen und versuche im Hier und Jetzt zu leben.“

  • Zum Dialogabend

    Der Dialogabend findet im Jugend- und Kulturzentrum UFO in Bruneck am Mittwoch, 12. Februar, um 20 Uhr statt. Reservierungen sind erwünscht: www.ufobruneck.it

    Zudem kann der Abend via Live-Stream auf www.salto.bz & YouTube & www.facebook.com/UFObruneck verfolgt werden. Für den Livestream ist keine Anmeldung bzw. Passwort erforderlich.
    Die Veranstaltungsreihe „UFO | start.klar.“ ist ein offenes Forum für Begegnung und Debatte und wird vom UFO gemeinsam mit KVW-Bezirk Pustertal und Zigori LAB und in Zusammenarbeit mit SALTO organisiert.