Cultura | Editorial

Watch it all fall out*

"Kunst und Geld" ist das März-Thema von salto arts

No hay diferencia entre el dinero y la conciencia.
No hay diferencia entre la conciencia y la muerte.
No hay diferencia entre la muerte y a riqueza.

There is no difference between money and consciousness.
There is no difference between consciousness and death.
There is no difference between death and wealth.
A. Jodorowsky, Spruch auf 100 dinero poético


Kunst und Geld, das ist ein komplexes Thema. Das sind zwei Bereiche, deren Abstand manchmal so minimal ist, dass beide miteinander verwechselt werden können (Kunst IST Geld und Geld IST Kunst). Vor Kurzem hat Klaus Biesenbach (MoMA PS1, New York) für ein Projekt von Darren Bader auf Facebook geworben: der Konzeptkünstler hat via Crowdfunding auf Indiegogo Geld gesammelt. Im Idealfall sollte die Summe von £310,786 zusammenkommen, die er dann am 12. Februar bei Christie's versteigerte. So hat er augenzwinkernd dafür geworben.

Lot 128

Schlussendlich sind bei dieser Aktion £10.211 gespendet worden, und ein anonymer Käufer hat genau £10.000 (plus £2.500 Verkaufsgebühren an Christie's) dafür hingeblättert. Dieser Betrag geht an eines der vier auf Indigogo nominierten Charity-Projekte, der ersteigerte Betrag hingegen wird auf das Konto des Käufers überwiesen. Darren Bader: "It would have been more thrilling in a way if it was higher or lower because it would underscore the relative value of things."

Kunstprojekte, die sich mit alternativen Ökonomien befassen, befragen unsere Währung und unseren Umgang damit. KünstlerInnen, deren Werk erst nach ihrem Tod bekannt geworden sind, werden in romantische Gefielde gehievt, wo Kunst sozuagen völlig frei und in höchster Wahrscheinlichkeit an der Grenze zur Armut entstanden ist.
Auch der chilenische Visionär, Kartenleger und Regisseur Alejandro Jodorowsky hat nicht unlängst eine alternative Ökonomie vorgeschlagen: er tauscht echtes Geld gegen "Poetic Money" - dinero poético (DP). Die Dollars braucht er für sein nächstes Regieprojekt, dem Nachfolger von "The Dance of Reality" (2013), dem ersten Teil seiner Autobiographie. Auf dem Online-Portal Kickstarter ruft er zur Spende auf, im Gegenzug erhält der/die Spenderin Banknoten, auf denen ein sich auf Geld beziehendes Gedicht auf Spanisch sowie Jodorowsky himself abgebildet sind. Das Budget des neuen Films Endless Poetry beläuft sich eigentlich auf 3 Millionen Dollar, 350.000 Dollar sollen bis zum 22. März mit Hilfe der Fans aufgetrieben werden.
Die Zeit berichtet von einem jungen Mann, der mit Hilfe von Crowdfunding einen Weg gefunden hat, sich für das bedingungslose Grundeinkommen zu engagieren: er sammelt mit Hilfe dieser alternativen Finanzierungmethode Geld und verlost es dann an die SpenderInnen in monatlichen Raten im Sinne des Grundeinkommens - eine ziemlich gute Idee!
Crowdfunding ist ein seit Mitte der 2000er eine immer beliebter werdende Methode, größere Projekte, seien sie künstlerisch oder politisch, aus eigener Tasche und ohne Banken zu finanzieren und zu unterstützen.

Der Unternehmer J. sagt, dass jeder Geld haben will. Der Künstler S. sagt, Geld sei ihm scheissegal.

"Kunst und Geld" sind zwei Bereiche, die sich gegenseitig füttern, inspirieren, anekeln, bekämpfen und manchmal ignorieren. Ekel entsteht aus Abhängigkeit: viele KünstlerInnen waren immer schon auf MäzenInnen angewiesen, seien es private oder staatliche. Und umgekehrt genauso: würden die SammlerInnen nicht mit neuen Werken versorgt, fühlten sie sich wie Fische im Trockenen.
Ganze Wirtschaftszweige sind aus der Kunstbranche entstanden, mittlerweile auch Kreativwirtschaft genannt. Und der Kunstmarkt selber boomt wie noch nie zuvor. Hier ein paar frische Fakten:
Die österreichische Tageszeitung Der Standard hat letztens berichtet, dass 2014 ein Rekordjahr für Kunstauktionen war: für 13,5 Milliarden Euro wurden Kunstwerke gekauft - was mehr Geld als je zuvor gewesen sei. Arbeiten von Andy Warhol (1928-87) sind am begehrtesten, ihm folgen Pablo Picasso (1881-73), Francis Bacon (1909-92) und Gerhard Richter (1932-): der Tod treibt die Preise in die Höhe. Der wichtigste Kunstmarkt ist China: dort müssen die neugegründeten Museen mit Werken gefüllt werden; der zweitwichtigste Markt sind die USA.
Gerhard Richter ist der teuerste, lebende Künstler aller Zeiten. 26,4 Millionen Euro wurde für das Werk "Abstraktes Bild" im Londoner Auktionshaus Sotheby's geboten, es wurde für mehr als das Doppelte des erwarteten Preises verkauft. Da hatte Eric Clapton, der vorige Besitzer, wohl gerade Geldmangel.
Eine Fliege im Vergleich zu Richter ist der Verkauf des nun zum teuersten Gemälde aller Zeiten erkorenen Gauguin "Nafea faa Ipoipo" (heisst übersetzt: Wann heiratest du?, 1882): 300 Millionen Euro legte ein anonym bleibender Käufer aus Katar hin. Bisher war es als Leihgabe der von Rudolf Staechlin angelegten Sammlung im Baseler Kunstmuseum geparkt, nun lief der Leihvertrag mit dem Kunstmuseum aus, das bis 2016 umfangreich saniert wird und daher geschlossen bleibt. Der Enkel des Kunstsammlers bestätigte dem Standard den Verkauf.
Das sind alles sehr bekannte Namen, das große Geld geht an deren Vermächtnisse, experimentelle Arbeiten sind sehr viel schwieriger zu verkaufen. (1)



Wie sieht es mit den Geldern und der Kunst in Südtirol aus? Die Provinz schlägt vor, im Jahr 2015 60 Millionen Euro für Kultur (von 5 Milliarden Gesamtbudget) auszugeben, in folgende Kapitel sowie jeweils aufgeteilt in laufende Ausgaben und Investitionsausgaben: kulturelle Tätigkeiten der deutschen, italienischen und ladinischen Kultur, "kulturelle Körperschaften von übergreifendem Interesse", worunter u.a. die Stiftung Museion, das Stadttheater, das Kurhaus von Meran oder das Haydn-Orchester fallen, Rundfunk- und Fernsehanstalten, Tätigkeiten für den Schutz der kulturellen, künstlerischen und geschichtlichen Güter, Weiterbildung, Zweit- und Fremdsprachenförderung, Bibliotheken, Lese- und Medienförderung aufgeteilt in Sprachgruppen, Förderung der Museumstätigkeit, Jugendarbeit, Kulturhauptstadt, Zuwendungen für Strukturen für die versch. Sprachgruppen zur Unterstützung kultureller Tätigkeiten, Schutz und Aufwertung der geschichtlichen, künstlerischen, und kulturellen Vermögensgüter, Strukturen und Ausstattungen für die Museen, als Extrapunkt Strukturen und Ausstattung für die "Stiftung Museion", Aufwertung geschichtlicher Vermögensgüter.
Ein 550 Seiten langes, nicht einfach auffindbares und schwierig lesbares PDF informiert über die geplanten Ausgaben. Auch in Südtirol wurde das Kulturbudget minimiert, und zwar um 12% seit dem Jahr 2010. Zu den Rückgängen gibt es keine nachlesbaren offiziellen Begründungen. Die Kürzungen erfolgten nicht in allen Ausgabenbereichen gleichmäßig, generell wurden die Beitragskapitel für die Investitionen (Einrichtung Probelokale für Kulturvereine, Einrichtung Kulturhäuser, Investitionen in Bibliotheken und Weiterbildungshäusern) mehr gekürzt als die Beiträge für die kulturelle Tätigkeit der Kulturorganisationen, die Weiterbildungstätigkeit von Institutionen oder die Beiträge an die Museen usw. Die damalige Landesrätin Kasslatter-Mur meinte, dass nämlich die lebendige kulturelle Tätigkeit weniger gekürzt werden soll als die Investitionen "in Mauern".

Kunst und Geld: es geht um Spekulation, um die Relativität von Werten, um Kreisläufe, Investitionen, Verausgabungen, um Förderungen und Stiftungen.
Es geht um Luxus und um Armut, die sowohl in Geld als auch in Bildung/Kultur gemessen werden können.
Es geht um Ersatzgötter.
Es geht darum, darauf hinzuweisen, unter welchen teilweise prekären Verhältnissen KünstlerInnen leben müssen, wenn ihre Arbeit von der Gesellschaft/den KapitalinhaberInnen nicht anerkannt wird.
Es geht darum, davon zu sprechen, wie entwickelte westliche Gesellschaften zunehmend Kulturbudgets kürzen, um sie für andere, ihnen wichtiger erscheinende Aufgaben (z.B. Bankenrettung, Managergehälter in Wirtschaftszentren, fragwürdige Entscheidungsfindung bei der Geldvergabe in Gemeinden) einzusetzen.
Es geht auch darum, jene zu honorieren, die sich trotz Kritik und Unverständnis dauerhaft und unermüdlich darum bemühen, dass Kunst gefördert wird und stattfinden kann (seien es SammlerInnen, seien es OrganisatorInnen von Non-Profit-Kunsträumen).
Noch mehr Arbeiten und Projekte zum Thema folgen im März, sowie natürlich aktuelle Ausstellungsrezensionen und Interviews!


Noch ein Hinweis am Ende: Walid Raad (Medienkünstler, Libanon) hat einen ungemein spannenden Text auf e-flux zum Thema geschrieben.

*Textzeile aus einem Song von Rihanna über Geld aus der Sicht des Pop-Business
(1) Link