Cronaca | Stein an Stein Prozess

Peinlicher Auftritt

Die früheren SEL-Verwaltungsräte wollten vor Gericht Maximilian Rainer entlasten. Mit einer spontanen Zusatzerklärung. Doch die Aktion ist ordentlich in die Hose gegangen.

Angetreten sind sie alle: Christoph Perathoner, Konrad Pfitscher, Karl Ferrari, Alfred Plank, Giorgio Cainelli, Mario Bidiri und Josef Vieider.
Wer aber die ehemaligen SEL-Verwaltungs- und Aufsichtsräte am Freitag vor dem Landesgericht erlebt hat, der kann verstehen, dass Maximilian Rainer, Klaus Stocker und Franz Pircher in der Landesenergiegesellschaft jahrelang das gute und schlechte Wetter machen konnten.
Selten hat man so einen verunglückten Auftritt erlebt. In Form und Inhalt.

Harmonisierte Aussagen

Es war fast zum Lachen. Christoph Perathoner machte bereits am Mittwoch den Anfang. Als die Befragung durch Oberstaatsanwalt Guido Rispoli, den SEL-Anwalt Giacomo Gualtieri und den Rainer-Verteidiger Carlo Bertacchi bereits zu Ende war, bat der Anwalt im Zeugenstand eine spontane Zusatzerklärung machen zu dürfen.
Perathoner führte dann aus, dass der Kauf des Mittewalder Kleinkraftwerks einfach nicht in die Unternehmensstrategie der Landesenergiegesellschaft gepasst hätte. „Die SEL erwarb und führte keine kleinen Kraftwerke, sondern man legte das Unternehmen auf mittlere und auf Großkraftwerke aus“, erklärte Perathoner.
Damit sollte die Hauptbegründung geliefert werden, warum sich der Verwaltungsrat am 24. November 2006 gegen den Ankauf des Mittewalder Kraftwerkes aussprach.
Als es am Freitag nach der Zeugenaussage des Bozner Wirtschaftsberaters Paul Schweitzer mit dem SEL-Verwaltungsrat Giorgio Cainelli weitergeht, wiederholt sich im Zeugenstand genau dasselbe Spiel. Nach der Befragung, eine spontane Erklärung. Fast im identischen Wortlaut betet Cainelli denselben Sermon herunter. Man darf wetten: Diese spontane Erklärung hätte man auch bei allen anderen SEL-Verwaltungsräten deckungsgleich gehört. Zu offensichtlich waren die Herren vor ihrer Aussage gebrieft worden.
Deshalb platzt Staatsanwalt Guido Rispoli auch der Kragen. Als der Ankläger Giorgio Cainelli daran erinnert, dass er unter Eid aussagt, springt Rainer-Verteidiger Bertacchi umgehend ein. „Der Staatsanwalt schüchtert den Zeugen ein“, wendet sich der Strafverteidiger ans Gericht.
Doch Rispoli erst einmal in Fahrt geht noch weiter: „Haben Sie in den letzten Wochen Kontakt mit dem Angeklagten Maximilian Rainer gehabt?“. Giorgio Cainelli weiß, was jetzt kommen wird. Er muss bejahen. „Das letzte Mal zu Weihnachten“, sagt er. Als Rispoli noch einmal nachfragt, erklärt der amtierende Selnet-Verwaltungsrat, dass es vielleicht im Jänner dieses Jahres war, als man sich das letzte Mal gehört hat.

Durchkreuzter Plan
Guido Rispoli durchkreuzt mit diesem Angriff die Verteidigungsstrategie der SEL-Verwaltungsräte. Keiner getraut sich danach die spontane Erklärung so abzugeben, wie ursprünglich geplant. Dennoch versuchten auch alle anderen diesen Passus irgendwie in ihre Aussage einzubauen.

Nur einer der ehemaligen SEL-Verwaltungsräte fällt dabei positiv aus dem Rahmen. Karl Ferrari sagt am Freitag als erster Verwaltungsrat aus. Der ehemalige SVP-Senator ist dabei klar und linear und sagt genau das, was im Verwaltungsrat an diesem Novembertag 2005 diskutiert wurde.
Im Verwaltungsratsprotokoll werden insgesamt acht Gründe für den Nichtankauf des Kraftwerks angeführt. Von der jetzt herausgezogenen Unternehmensstrategie steht im Protokoll aber kein Wort. Sie stimmt so auch nicht. Hat sich die SEL in diesen Jahren doch an mehreren kleinen Kraftwerken in Südtirol beteiligt. Vor allem eine andere Frage kann im Zeugenstand niemand beantworten: Warum hat die SEL zwei Jahre mit dem Verkäufer des Kraftwerks verhandelt, wenn der Kauf nicht in ihre Strategie passte?

Morellis Ei

Die peinliche Figur im Zeugenstand dürfte auch an einem ungewollten Strategiewechsel in letzter Minute liegen. In der Ermittlungsphase hatten sich alle SEL-Verwaltungsräte in den Verhören auf das Gutachten des Turiner Ingenieurs Michele Morelli berufen. Dort sei ein Schätzwert von 70.000 Euro angegeben worden. Dieser Wert war mit der Forderung des Verkäufers von 500.000 Euro einfach nicht vereinbar, sagen jetzt auch alle Verwaltungsräte vor Gericht.
Das Problem: Gutachter Michele Morelli hatte am Mittwoch im Zeugenstand ausgesagt, dass er einen ersten Rohentwurf erst vier Wochen nach dieser Verwaltungsratssitzung an Rainer geschickt und das unterschriebene Gutachten erst im Mai 2007 der SEL übergeben hat. Konkret heißt das, dass es am 24. November 2006 bei der Entscheidung des Verwaltungsrates gar kein solches Gutachten gab.
Deshalb bleiben alle Verwaltungsräte am Freitag in ihrer Zeugenaussage in diesem Punkt sehr vage. Einige sprechen zwar von dem Gutachten, gesehen haben will es aber keiner. Am Ende kommt heraus, dass in der Sitzung der betreffende Wert den Anwesenden von Maximilian Rainer und Klaus Stocker nur mündlich mitgeteilt worden war.

Nachgebessertes Protokoll?

Das Protokoll der entscheidenden SEL-Verwaltungsratssitzung wurde, wie es die übliche Praxis ist, bei der nächsten Sitzung genehmigt. Staatsanwalt Guido Rispoli fragt jeden einzelnen Verwaltungsrat, ob er das Protokoll bei Genehmigung desselben auch gesehen habe. Keiner erinnert sich genau daran.
Die merkwürdige Frage des Anklägers hat einen konkreten Hintergrund. Im offiziellen Verwaltungsratsprotokoll der Sitzung vom 24. November 2006, das von Schriftführer Maximilian Rainer verfasst wurde, steht, dass das Morelli-Gutachten mit Datum 16. Juni 2006 dem Verwaltungsrat bei der Entscheidung vorliegt. Es wurde als Beilage zum Sitzungsprotokoll auch offiziell bei der SEL beschlagnahmt.
Nur gibt es das Gutachten zu diesem Zeitpunkt gar nicht. Es kommt erst ein halbes Jahr später.
Die Staatsanwaltschaft stellt sich deshalb eine berechtigte Frage: Hat Schriftführer Maximilian Rainer das Protokoll und die Unterlagen im Nachhinein nachgebessert?

Es ist nur eine der vielen noch offenen Fragen, die es in diesem Prozess zu klären gibt.

Diese detaillierten Prozessberichte sind eine sehr wertvolle Milieustudie und zeigen das Ausmaß an Habgier, Betrug, Verlogenheit und Machtmissbrauch das sich im Dunstkreis eines ausser Kontrolle geratenen Landesapparates entwickeln konnte.

Sab, 04/05/2014 - 15:43 Collegamento permanente

Diese detaillierten Prozessberichte sind eine sehr wertvolle Milieustudie und zeigen das Ausmaß an Habgier, Betrug, Verlogenheit und Machtmissbrauch das sich im Dunstkreis eines ausser Kontrolle geratenen Landesapparates entwickeln konnte.

Sab, 04/05/2014 - 15:43 Collegamento permanente