Ambiente | BÄR

Als ob er schliefe

Eines Morgens finden zwei Lokführer einen Bären
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Foto: Mg

Da liegt er auf den Geleisen, der Bär. Es sieht so aus, als ob er sich genau diesen Ort zum Schlafen ausgesucht hätte. Am Morgen finden ihn zwei Lokführer und machen Meldung. Die Transitstrecke wird für den Zugverkehr gesperrt. Danach tauchen allerlei Funktionäre und Amtsträger auf. Auch die Presse ist schnell vor Ort. Schließlich sieht man sowas nicht alle Tage. Ein Bär, der auf den Schienen schläft. Irgendjemand bemerkt dann, dass der Bär tot ist. Die linke Hinterpfote fehlt. Er war wohl vor einen Zug gerannt und ist seinen inneren Verletzungen erlegen. Was trieb den Bären nur hier her? Und von wo kam er?

Noch am selben Tag wird der Kadaver in die Hauptstadt gebracht, wo sie die Proben mit anderen Funden abgleichen. Denn im Frühjahr gab es schon mehrere Meldungen über Bärensichtungen. In den Nachbarbezirken, aber auch schon in nahen Seitentälern. Da in den Hochtälern noch Schnee liegt, konnte man einen Bären anhand seiner Spuren identifizieren. Und spätestens mit dem Fund auf den Geleisen, hat es der Bär auch in die Schlagzeilen gebracht. Jetzt fürchten sich alle vor ihm.

Vor über hundert Jahren wurden die Bären noch vom Kaiser und anderen hohen Herrschaften gejagt. Solange, bis irgendjemand den letzten Bären erlegt hat. Seitdem gab in den Alpen es keine Bären mehr. Es sollte sowieso kein Platz mehr für sie sein. Den brauchte man jetzt für Güterwege, Autostraßen und eben die Eisenbahn. Wo sollte man hier auch noch Bären unterbringen? Sie würden nur den zunehmenden Transportfluss stören und die Gäste aus dem Außergebirg verschrecken. Schließlich wollen die Gebirgsorte denselben Komfort bieten, wie das die Städte draußen tun. Da ist kein Platz für Bären.

Doch seit einiger Zeit gibt es schlaue Köpfe, die wissen, dass sich der Mensch mit der Zerstörung der Natur seiner Lebensgrundlage beraubt. Deshalb wurde der Bär von höchster politischer Ebene unter Schutz gestellt. Daran müssen sich alle nachgeordneten Regierungen und Verwaltungen halten. Und weil der Bär jetzt nicht gleich erschossen wird, kommt er zurück. In eine Gegend, wo seine Vorfahren über Jahrtausende heimisch waren.

War es also einfach ein Trieb, dem unser Bär ins Tal gefolgt ist? Wahrscheinlich wollte er auf die andere Seite des Tals wechseln, den Berg drüben hinaufwandern. Er war auf der Durchreise. War er auf Nahrungssuch? Suchte er eine Partnerin? Sei´s drum, des Bären Weg endete hier auf den Bahngeleisen.

Epilog. Nach ein paar Tagen haben sich die aus der Hauptstadt gemeldet. Nein, die eingesandte DNA konnte keinem anderen bekannten Tier zugeordnet werden. Es handelte sich um ein bislang unauffälliges Exemplar. Dieser Bär hielt sich fern von den Menschen. Vielleicht hätten wir nie von ihm erfahren, wäre es nicht zum verhängnisvollen Zwischenfall auf den Geleisen gekommen.

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Peter Gasser Dom, 06/04/2023 - 20:14

Zitat: „Und weil der Bär jetzt nicht gleich erschossen wird, kommt er zurück. In eine Gegend, wo seine Vorfahren über Jahrtausende heimisch waren“:
der Bär ist nicht „zurückgekommen“, er wurde neu angesiedelt, ausgesetzt.
Und dann hat man es sträflich verabsäumt, die neue & künstliche Population ausreichend zu betreuen und zu begrenzen.
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Wildpopulationen regeln sich in einer stark anthropogen geprägten und veränderten und genutzten Natur nicht mehr von selbst, das ist bekannt.
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Dom, 06/04/2023 - 20:14 Collegamento permanente