Ambiente | Biodiversität

Wenige mögen's heiß

18. Tag der Artenvielfalt - Bedeutung stabiler Artenzahlen - Erhebung in unterschiedlichen Lebensräumen in der Umgebung von Klausen
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Foto: Naturmuseum Südtirol

Erst am Abend zogen die schweren Gewitter auf, der Tag war glühend heiß. Es litten nicht nur die Menschen in Klausen und die Fachleute für Botanik, Zoologie und Pilzkunde, die am 24. Juni 2017 nach Klausen und Umgebung gekommen waren, um einen Tag lang Arten zu erheben. Viele Tiere hielten sich versteckt, Gräser und Kräuter waren auf großen Flächen verdorrt. Das Untersuchungsgebiet am 18. Tag der Artenvielfalt, den das Naturmuseum Südtirol jedes Jahr organisiert, umfasste die Hänge zwischen der Stadt und dem Weiler Pardell, den Hügel von Kloster Säben und den untersten Teil des Thinnetales. Die Forscherinnen und Forscher der Arbeitsgruppen stellten am Abend im Dürersaal von Klausen die Ergebnisse vor, in den Bürgermeisterin Anna Maria Fink Gasser geladen hatte.

Die Pilzexperten erwarteten sich bei einem so trockenen Frühjahr keine Fülle: Sie stellten 13 Arten fest. Die Heuwiesen waren gemäht, die Straßenböschungen auch (Hinweis des Bienenfachmanns Timo Kopf: Die Mahd sollte nicht überall zur gleichen Zeit erfolgen, da Insekten, die auf Nektar und Pollen angewiesen sind, dann kaum Nahrung finden). Positive Überraschung: Nach fast hundert Jahren entdeckte der Arbeitskreis Flora von Südtirol den Borsten-Pippau (Crepis setosa) in Südtirol wieder, in einem Weinberg am Säbener Hügel. Die letzte Angabe stammt aus dem Jahre 1921 aus Meran, im 19. Jahrhundert war die Art in Äckern und Brachflächen der Tieflagen weiter verbreitet. Unter den Blütenpflanzen waren einige Neufunde für den Klausner Raum, so das heimische Sumpf-Rispengras (Poa palustris) und das nicht-heimische Norwegische Fingerkraut (Potentilla norvegica). Insgesamt kamen die Botanikerinnen und Botaniker auf 400 bis 500 Arten, genauere Zahlen wissen sie erst nach einer eingehenden Untersuchung.

Viele Moosarten haben eine Strategie, anhaltende Trockenheit zu überstehen. Feucht angesprüht, lagern die großen Wasserzellen der Blätter die Feuchtigkeit ein und bilden eine breitere Blattstruktur aus, in diesem Zustand können die Moose bestimmt werden, 90 Arten wurden am Samstag nachgewiesen.

Eng verbunden mit der Anzahl der Gräser und Kräuter sind die Schmetterlinge. Insgesamt nahm die Arbeitsgruppe, die sich um Heuschrecken und Schmetterlinge bemühte, zehn Tagfalter auf. Die geringe Anzahl lässt sich mit den fehlenden Futterpflanzen erklären (abgemähte oder verarmte Wiesen) und hängt auch davon ab, dass die Innsbrucker Schmetterlingsspezialisten an der Erhebung 2017 nicht teilnehmen konnten. Unter den Nachtfaltern fiel das Weißfleck-Widderchen (Amata phegea) auf. Es heißt Widderchen, ist aber keines. Auch ein echtes Widderchen konnten die Fachleute bestimmen, das Veränderliche Rotwidderchen (Zygaena ephialtes). Die Hummeln hatten eindeutig zu warm und zogen sich in die höheren Lagen zurück.

 

Sehr zufrieden über das Ergebnis waren die Heuschrecken-Experten: Die Wärme im Mai und Juni begünstige die Entwicklung der Larven. 20 Arten wurden erhoben; acht Langfühlerschrecken, zehn Kurzfühlerschrecken, eine Feldgrille und eine Gottesanbeterin. Für diese Gruppe ist die Besonderheit des Tages die Larve einer Lauch-Schrecke. Lauch-Schrecken brauchen einen differenzierten Lebensraum, daher sind sie regional sehr begrenzt und in Südtirol eine eher seltene Art.

Kurzflügelkäfer sind auf Feuchtigkeit angewiesen, die Experten kamen daher nur auf ungefähr 25 Arten. Die empfindlichen Kurzflügelkäfer sind ein wichtiger Bioindikator.

40 Spinnenarten, eine Skorpionsart und eine Art von Pseudoskorpion stellte der Spinnenfachmann fest. Bei den Hornmilben gibt es erst Schätzungen, Prof. Heinz Schatz aus Innsbruck geht von 30 Arten an Hornmilben aus. Für ihn sind die Trockenhänge des Säbener Bergs ein lohnendes Forschungsgebiet, da Klausen für Hornmilben mediterraner Herkunft die nördliche Verbreitungsgrenze darstellt.

Das Biologische Landeslabor untersuchte einige Abschnitte des Leitacher Baches, Tinnebachs und Eisacks nach Kieselalgen und Makrozoobenthos, den Bewohnern der Flusssohle wie den Schnecken, Krebstieren, Ringelwürmern, Strudelwürmern, Steinfliegen, Köcherfliegen. Im Tinnebach fanden sie 20 Arten, im wärmeren Eisack 33 Arten.

Amphibien und Reptilien ließen sich sehr vereinzelt blicken: ein Grasfrosch, eine Gelbbauchunke, Mauereidechsen. Eine Zornnatter schlängelte sich über die Straße bei Pardell, zwei Ringelnattern lagen überfahren auf derselben Straße und im Thinnetal. Straßen, die Lebensräume von Amphibien und Reptilien zerschneiden, kosten sehr vielen Vertretern dieser Tiergruppen das Leben.

Die Ornithologen sahen nach ihren Beobachtungen von Schlangen am Ende ihrer Sichtungstour einen Schlangenadler kreisen. In Südtirol sind Schlangenadler sehr selten. Die Anzahl an Greifvögeln (sechs Arten) entschädigte für die Hitze. Insgesamt stellten die Ornithologen 53 Vogelarten fest. Aufschlussreich auch, welche Arten nicht gehört oder gesehen wurden: Berglaubsänger, Waldlaubsänger, Zippammer …, insektenfressende Vögel der Wiesen und des Waldrands.

Ergänzend zum Forschungsprogramm fanden zwei Wanderungen für Interessierte statt. Im Kreuzgang des Kapuzinerklosters und in den Räumen des Eltern-Kind-Zentrums von Klausen luden Spiele, Wissensstationen und Basteltische Kinder und ihre Familien ein, die Bedeutung der Lebensräume zu verstehen, ohne die der Schutz von Tieren, Pflanzen und Pilzen nicht gelingt.

Die definitiven Artenzahlen und Ergebnisse publizieren die beteiligten Fachleute in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Gredleriana des Naturmuseums Südtirol.