Politica | ISIS-Träume

Diplomatische Vertretung

Während Bilder über die neuerliche Enthauptung einer Geisel durch die IS-Mörderbanden Empörung hervorrufen, will das Kalifat ein Konsulat in Istanbul eröffnen.

ISIS will also ein ganz normales Konsulat in Istanbul eröffnen. Warum nicht gleich neben jenem Deutschlands, damit sich die angeworbenen Dschihadisten nicht zu sehr abmühen müssen, um nach Syrien einzureisen, wenn sie dem Ruf des Kalifen folgen? Dass Istanbul die auserwählte Stadt der ISIS-Terrorherrscher ist, hat seine Logik. Seit zwei Jahren passieren alle Sympathisanten und Möchtegern-Kämpfer aus Europa über die  Türkei die Grenze nach Syrien, mit wohlwollender Duldung seitens der Regierung in Ankara. 

Staatspräsident Erdogan hat zwar am Randes der letzten UNO-Vollversammlung versprochen, die Grenzen für ISIS-Kämpfer dicht zu machen. Das Versprechen ist ebenso leer wie der Beschluss des türkischen Parlaments, gegen die einfallenden ISIS-Banden vorzugehen, um deren Vormarsch zu stoppen.  Einige symbolische Artillerieschüsse haben die türkischen Soldaten gestern abgefeuert, um die kurdische Enklave Kobané zu verteidigen. Doch de facto hat die Türkei die Symbolstadt der Kurden bereits dem ISIS-Kalifat überlassen.   

Sollte die Türkei jemals Bodentruppen in das von Minderheiten "gesäuberte" Territorium im Grenzgebiet zu Syrien und dem Irak entsenden, dann wohl nur, um das Niemandsland zu besetzen und einzuverleiben. Gegen diese Pläne protestieren die Kurden ebenso wie der syrische Diktator Assad. Beide werden von der Türkei als Bedrohung betrachtet, deshalb hat sie den Pakt mit dem Teufel geschlossen.

Die Isis-freundliche Außenpolitik der Regierung in Ankara hat auch damit zu tun, dass ein beträchtlicher Teil der öffentlichen Meinung in der Türkei im Kalifenstaat keine Bedrohung sieht, sondern eher einen Verbündeten. Auch finden sich in den Reihen der ISIS-Milizen auffallend viele Türken. Dazu kommt, allem Anschein nach, auch logistische Unterstützung: Ein Video macht die Runde, das  zeigt, wie zehn türkische Panzer den ISIS-Milizen übergeben werden.    

Verwundete ISIS-Milizionäre werden in türkischen Spitälern behandelt und eine Zeitung berichtete kürzlich von einer Kaserne in der Umgebung  von Istanbul, in der 5000 ISIS-Gefolgsleute ausgebildet wurden. Als ich unseren türkischen Immobilienmakler Osman fragte, ob das nicht Erfindungen von Journalisten seien, meinte er: nein, nur sei die Zahl zu tief angesetzt.

Jetzt plötzlich den Rückwärtsgang einzulegen und ISIS den Krieg zu erklären:  das wird Staatspräsident Erdogan weder können noch wollen. Dafür ist es zu spät.  Und wie die NATO mit dem langjährigen Partner und Verbündeten Türkei umgehen will, ist die nächste, fast unlösbare Frage. Es sei denn, alle beteiligen sich an einer großen Heuchelei. Die Türkei tut so, als ob sie ISIS bekämpfen würde und die NATO simuliert Wertschätzung für die Türkei, weil sie ihre NATO-Stützpunkte für Militärraktionen des Anti-ISIS-Bündnisses zur Verfügung stellt.