Das Versagen der Regierung in Genua
Eineinhalb Monate nach dem verhängnisvollen Einsturz der Autobahnbrücke in Genua wartet die ligurische Hauptstadt noch immer auf die Ernennnung des Kommissars, der den Wiederaufbau leiten soll. Im steten Tauziehen zwischen Lega und Fünf-Sterne-Bewegung wird ein Name nach dem anderen verheizt - ein skandalöser Vorgang, der demostriert, wie die von der Regierung ständig versprochenen Effizienz zu beurteilen ist. Der jüngste einer langen Liste von Namen ist Roberto Cingolani, Direktor des Istituto italiano di tecnologie. Er wird von der Fünf-Sterne-Bewegung abgelehnt, weil Renzi ihm bei der Mailänder Weltausstellung ein Expo-Projekt anvertraut hatte. Auch der jüngste Vorschlag - jener des Fincantieri-Ingenieurs Claudio Gemme stösst auf Widerstand, weil dessen Staatskonzern die Bauarbeiten ausführen soll - der Vorteil wird als Nachteil dargestellt. Nächster Vorschlag - jener des Genueser Bürgermeisters Marco Bucci, der die Lage in seiner Stadt bis ins kleinste Detail kennt. Bucci wurde bisher vom M5S abgelehnt, weil er einige Änderungen an dem Ernennungsdekret fordert. Liguriens Präsident Toti mahnt seit Wochen zu Eile und wirft der Regierung Versagen vor - aber er macht keine Einwände gegen die genannten Namen geltend: "Vanno bene tutti. C'è una grande urgenza." Unter dem Druck der Ereignisse trat die Regierung am Donnerstag die Flucht nach vorne an und ernannte Bürgermeister Bucci zum Kommissar. Nun muss das Dekret mit Verfallsdatum 8. Oktober umgeschrieben werden - nach Buccis Vorgaben. Bis dahin wird weitere Zeit vergehen.
Misst man die von Luigi Di Maio versprochene "kopernikanische Wende" an den Fakten in Genua, stellt sich eine gewisse Ernüchterung ein.
Indessen gärt es in der Genueser Bevölkerung, die mit einer weiteren Protestkundgebung am Montag droht. Fast 600 Familien, deren Wohnungen im Einsturzbereich der Brücke liegen, fordern seit Wochen Zugang, um für sie wichtige Gegenstände zu bergen wie Geld, Ausweise und Kleider. Seit Wochen verspricht man ihnen einen halbstündigen Zugang in Begleitung von Feuerwehrleuten. Doch nichts passiert. Die Bürger sprechen von "tenntennamenti e false promesse." Ihre Wut und Ohnmacht wächst von Tag zu Tag. Fazit: Misst man die von Luigi Di Maio versprochene "kopernikanische Wende" an den Fakten in Genua, stellt sich eine gewisse Ernüchterung ein.