Cultura | Salto Afternoon
Michele Giro lebt
Foto: Privat
Mit einer Zugabe hat man die zehn komplett gemacht und vor vollem Haus alle Albumtracks gespielt. Angefangen bei „Lost“, welches so gleich dem Charakter, wenn auch nicht der vielseitigen Tonalität des Jazzabends vorweg griff. Michele Giro, begleitet von Marco Stagni, der den Kontrabass zupfte und Roman Hinteregger am Schlagzeug, eröffnete mit einem romantisch, leicht schwermütigem Klavierpart, der in seinem Wandel hin zu hoffnungsvollerer Melancholie das emotionale Zentrum war, sich aber auch als leises Backing für Stagnis Solo bot.
In der Einleitung zu „Ballad for A.“ demonstrierte Giro seine in den Überleitungen sympathische Art und sorgte fortan bei jeder Überleitung für den einen oder anderen Lacher. Die leichte Schmalzigkeit zu Beginn verflog und gab mit sanft gestrichenen Drums ein warmes Gefühl für die kalte Jahreszeit.
„Waltz New“, den letzen Titel des Albums zog man vor und demonstrierte, eine weniger romantische, energetisierende Facette. Hinteregger glänzte mit einhändig gespielter Feinarbeit an den Becken, welche die andere Hand hielt. Nach zunehmender Zersetzung des Walzertakts, gelang ein überraschender Switch, der zu hartem Funk Anklängen führte und Giro auch hart und atonaler in die Tasten schlagen ließ.
Der folgende „E-minor Blues“ bei welchem Giro gelobte, die Songtitel würden sich bessern, sah Stagni solitär am Bass eröffnen, mit großzügigen Vibratos. Die Band setzte ein und man spielte einmal mehr auf Tempo, welches zum Ende überleitete in welchem Hinteregger weitere Spielarten des Schlagzeugs durchrezitierte.
Einem Pfeifentabak den Namen entlehnend war „Springwater“ der zwischen den Musikern ausbalancierteste, deswegen vielleicht auch harmonischste Song des Abends, den ein am Ende gesetzter Kontrapunkt interessanter gestaltete.
Über das Wortspiel im Titel lässt sich streiten, aber „Bachardi“ zeigte die bereits bekannte Wandelbarkeit von Bach-Motiven in aller Deutlichkeit, als Longdrink mit lateinamerikanischen Geschmacksnoten und Gangart.
Der überraschende Höhepunkt kam mit „Requiem for me“, zu Lebzeiten geschrieben „così mi tolgo la noia“, der mit paukenhaft gespielten Drums begann, zu welchem sich ein stürmisches Piano gesellte. Die Drums brachen immer wieder die Schwermut des Pianos auf, welches in einem formulaisch strukturiertem Crescendo auch an Kraft gewann. Die Musiker spielten sich den Tod von der Seele. Am Ende Stagni: „Michele Giro - è vivo.“
Keine Eigenkomposition aber ein schönes Arrangement von Fritz Kreislers „Liebesleid“ ließ viel Liebe, wenig Leid spüren. Man stampfte munter vorwärts, mit nur einem Hauch von Trennungsschmerz.
Zurück in die Klassikbearbeitung fand mit „A little pathetic“ aus welchem kundige Hörer das Zitat Beethovens Klaviersonate Nr. 8 „Pathétique“ heraushören konnten, wenngleich das Tempo nur minimal weniger mitreißend war als im Durchschnitt.
Den offiziellen Abschluss des Konzerte bildete der „Blues for Che“, ein weiteres Stück mit Klangzitat, diesmal von „Hasta Siempre, Comandante“ entlehnt. Man lief zu Höchsttempi auf und hatte das Gefühl, dass durch den Wechsel zwischen forte und pianissimo die Spannung weiter stieg. Scheinbar schon am Limit ermöglichte das abebben und aufbrausen des Stücks immer noch eine kleine Schippe drauf zu legen. Passend ließe sich die Performance als kämpferisch bezeichnen, es wurde das zweite Highlight des Abends.
Als Zugabe „Nostango“, kurz und knapp noch einmal Feuer und Leidenschaft, besonders an den Tasten, bevor es in die nieselkühle Nacht ging.
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