Die Wirrnisse der Fünf Sterne
Die sardische M5S-Abgeordnete Lucia Scanu ist die vorerst letzte einer langen Liste von Parlamentariern, die der Fünf Sterne-Bewegung den Rücken gekehrt haben. Die 42-jährige aus Oristano wechselte in die gemischte Fraktion, die mit 158 Mitgliedern eine neue Rekordhöhe erreichte. Fast 100 Parlamentarier haben der Bewegung seit ihrem überraschenden Wahlerfolg den Rücken gekehrt. Fast flehentlich versucht Parteichef Giuseppe Conte, den Exodus aufzuhalten: "Non dividiamoci, abbiamo un dovere verso il paese." Doch der ehemalige Regierungschef, der weltweit als sympathischer Aufsteiger Anerkennung und Lob erntete, wirkt müde, abgekämpft und resigniert. Der M5S-Senator Gabriele Lanzi plädiert für eine drastische Lösung: "Ma smettiamola di fare riunioni. Non servono a niente e non sappiamo cosa dirci." Die letzte krasse Fehlleistung der Bewegung war ein Appell an Sergio Mattarella für eine zweite Amtszeit - als der scheidende Präsident den Quirinalspalast bereits verlassen hatte. Während Danilo Toninelli für ein "bis di Mattarella" plädierte, sprach sich Minister Stefano Patuanelli für eine "candidatura femminile" aus.
Resumee des römischen Tagblatts Il Messaggero: "I 5 stelle sono fuori controllo." Conte sei die Kontrolle über die Bewegung längst entglitten. Der Corriere della Sera spottet über die Haltung des M5S zur Wahl des neuen Staatspräsidenten: "Uno, nessuno o forse centomila". Der Vorsitzende richtet einen eindringlichen Appell an seine Abgeordneten und Senatoren: "Evitiamo di dare l'immagine di andare in ordine sparso e di un Movimento spaccato." Stolpert die Bewegung nun über die Widersprüche, die sie seit ihrer Gründung begleiten - den Bruch mit Casaleggio und Rousseau, das weitgehende Scheitern des Grundeinkommens, die Abwahl der 5-Sterne-Bürgermeisterin in Rom und den Rücktritt ihrer Amtskollegin in Turin, den immer wieder aufflackenden Konflikt Zwischen Beppe Grillo und Giuseppe Conte ? Auch über die Frage, ob Premier Mario Draghi für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren soll, gibt es extrem gegensätzliche Meinungen. Paola Taverna, eine der Mitbegründerinnen des M5S wendet sich angesichts der chaotischen Situation irritiert an die Fraktionssprecherin Mariolina Castellone: "Siamo in autogestione ?" Die aufschlussreiche Antwort der Fraktionschefin: "Nessuno mi dice nulla. Le trattative stanno avvenendo al buio".
Für weitere Polemiken sorgte die Tatsache, dass Conte in einem Interview die Wahl der ehemaligen Mailänder Forza Italia-Bürgermeisterin Moratti zur Staatspräsidentin nicht ausgeschlossen hatte: "Moratti ha qualità morali? Non ho nessun motivo per non riconoscergliele." Die wirre Situation lässt den Ruf nach einer Rückkehr von Luigi di Maio lauter werden. Doch die Führung der Bewegung scheint mit dem Terminkalender des Aussenministers und seinen zahlreichen Auslandsreisen schwer vereinbar. Il Messaggero: "Portare una parvenza d' ordine nel caos può rivelarsi una mission impossible pure per l' ineffabile Luigi." Die Zahl der widersprüchlichen Erklärungen Contes und seines Stellvertreters Michele Gubitosa zur Wahl des Staatspräsidenten lassen sich kaum mehr zählen. Gnadenloser Kommentar der Tageszeitung La Stampa: "Per gli altri partiti trattare sul Quirinale con Conte è pericoloso, perchè non garantisce neppure la tenuta dei suoi." Ebenso gnadenlose Schlagzeile des Turiner Tagblatts: Implosione 5 stelle.