Wegweiser zum Klimaziel
Der Zielraum scheint noch in weiter Ferne – und doch wird er unerreichbar bleiben, wenn nicht heute schon die Weichen gestellt werden: 1,5 Tonnen Co2-Emissionen pro Einwohner und Jahr will Südtirol bis 2050 im Rahmen des Klimaplanes erreichen. Dafür muss mehr als 50 Prozent des Verkehrs emissionsfrei werden und der Wärmeverbrauch um mehr als 60 Prozent gesenkt werden, wird nun von Seiten der Eurac Druck gemacht. Dort wurde am Institut für erneuerbare Energien ein potentes Werkzeug entwickelt, das Politik und Verwaltung die nachhaltigsten und wirtschaftlichsten Möglichkeiten zum Erreichen des Klimaziels aufzeigt. Ausgangspunkt dafür sind stündlich erhobene Daten zu Energiekonsum, Energiebedarf und Energieerzeugung über den gesamten Jahresverlauf. Auf dieser Basis entwickelten die Forscher unter Leitung von Institutsvorstand Wolfram Sparber ein dynamisch-mathematisches Modell, mit dem insgesamt 25.000 unterschiedliche Szenarien zur Weiterentwicklung des heimischen Energiesystems berechnet werden können. Wie viel Co2-Emissionen können dabei zu welchem Preis eingespart werden, lautete die Fragestellung, nach denen sie bewertet wurden.
Auch wenn die Annahmen auf Basis der heutigen Preise und Technologien gemacht werden, können aus den Simulationen wertvolle Erkenntnisse für die energiepolitische Planung gemacht werden, unterstrich Sparber, der am Mittwoch nicht in der Rolle des Alperia-Präsidenten, sondern des Forschers auftrat. Denn sie zeigen beispielsweise, dass eine substanzielle Senkung des CO2-Verbrauchs nicht zwingend mit steigenden Kosten verbunden sein muss. Das zeigt sich auch beim idealen Szenario, das die Forscher aus den Simulationen gewählt haben. Dort müssten die Südtiroler jährlich um über 20 Prozent weniger für Energie ausgeben und der Energieverbrauch würde sich dabei von den heutigen 12,4 TWH fast halbieren. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es aber ein massives Zurückfahren beim Wärmeverbrauch, der heute noch die Hälfte des Energieverbrauchs in Anspruch nimmt, sowie eine drastische Reduktion von fossiler Energie im Verkehr. Ziele, die einerseits über eine intensive Investitionstätigkeit in die Energieeffizienz von Gebäuden erreicht werden kann, unterstrichen Sparber und der Eurac-Photovoltaik-Experte David Moser bei der Vorstellung des neuen Tools. „Mit der aktuellen Sanierungsrate von jährlich rund einem Prozent des Gebäudebestands kommen wir dort sicher nicht hin“, meinte Sparber. Wie realistisch ein massiver Umstieg auf eine emissionsfreie Mobilität ist, lässt sich angesichts der nicht abschätzbaren technologischen Entwicklung in den kommenden 30 Jahren nicht leicht abschätzen. Aber immerhin würden diesbezüglich auch in Südtirol letzthin viele und wichtige Weichen gestellt, unterstrich Sparber.
Derzeit gehen die Eurac-Experten bei der Energieerzeugung von keinen großen Veränderungen bei Energieträgern wie Wasserkraft oder Biomasse aus. Ein großes offenes Potential wird bei der Photovoltaik ausgemacht, bei der die Forscher ein Potential von 1250 Megawatt gegenüber der aktuellen Kapazität von 240 MW sehen. Abzusehen ist, dass ein drastischer Rückgang der fossilen Energiequellen für Wärme und Verkehr zu einem starken Anstieg des Stromkonsums führen wird. So würde der Stromverbrauch im idealen Szenario des Modells von heute 23 Prozent auf 53 Prozent des gesamten Energieverbrauchs steigen. Das zeigt aber auch auf, dass Klimaschutz gleichzeitig die lokale Wirtschaft fördert, unterstrich Eurac-Direktor Stephan Ortner. „Denn statt nach Russland oder Kuweit abzufließen, bleiben die Gelder im Land.“ Für Ortner ist das Modell des vor 12 Jahren gegründeten Institutes ein Vorzeigeprojekt für Eurac. Ziel der Forschungseinrichtung sei es, der Politik und Verwaltung genau solche Instrumente zur Verfügung zu stellen, die sie dabei unterstützen, ihre Vorhaben besser und zielgerichteter umsetzen zu können.