Società | Notwehr

Farce oder Einladung zur Selbstjustiz?

Das PD-Gesetz zur Notwehr mit Waffen stößt im linken wie im rechten politischen Lager auf Kritik. Was den einen zu weit geht, ist für die anderen eine Farce.
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Foto: Facebook

Gut darüber sprechen eigentlich nur die Einbringer. Eine „gute und wichtige Reform“  sei das Gesetzesvorhaben zur Notwehr mit Waffen, meint beispielsweise der PD-Abgeordnete David Ermini nach der Verabschiedung des Gesetzesentwurfs seiner Partei und des Nuovo Centrodestra in dieser Woche. Bevor die Diskussion im Senat weitergeht, belebt die Erlaubnis für Bürger, sich bei nächtlichen Einbrüchen mit einer Waffe verteidigen zu dürfen, aber auch den öffentlichen Diskurs. Ob in Sozialen Netzwerken, journalistischen oder politischen Kommentaren – die Notwehr-Thematik scheint niemanden kalt zu lassen.

So satt die Mehrheit mit 225 Jastimmen in der römischen Abgeordnetenkammer war, so gespalten sind die Meinungen zur Aufweichung des staatlichen Gewaltmonopols. Eindeutig zu wenig weit geht es Vertretern aus dem rechten politischen Lager, zeigt sich auch in Südtirol. „Privateigentum zu schützen ist ein Grundrecht“, wettert Ulli Mair. Nur müsse das Recht auf Selbstverteidigung rund um die Uhr gelten, ist der Grund, warum die Freiheitliche den PD-Vorstoß als „reine Farce“ bezeichnet. Denn so sinnvoll es angesichts der steigenden Einbrüche und Überfälle auch sei, sich selbst, seine Familie und sein Eigentum, notfalls auch mit einer Waffe, verteidigen zu dürfen, so lächerlich findet Mair die Beschränkung auf die Nacht.

 „Dass in Italien allerdings das Opfer künftig den Täter zuerst nach der Uhrzeit fragen muss, bevor es sich verteidigt, kann und darf es nicht sein.“

Eine Argumentation, die sich auf Facebook in unterschiedlichsten Varianten wiederholt. "La befana vien di notte..." il pd poteva dirlo subito che ce l'aveva con lei...“, spottet dort der Bozner Gemeinderat und frischgebackene Fratelli d’Italia-Exponent Marco Galateo. „Und wos isch mit Nacht gemeint,wenn es im Winter schon früh dunkel isch?“, wird auch auf der Facebook-Gruppe „Iats reichts“ gefragt.“Isch sell schun als Nacht zu werten oder net? Also wern iatz die Einbrüche olle af die Tagschicht verlegt... Ein Witz!!!“

Schullians Bauchweh

Ganz von der Hand zu weisen, sind solche Fragen auch für die SVP nicht. Die Partei hat am Mittwoch zwar brav für den Gesetzestext gestimmt. Dennoch gestand Parlamentarier Manfred Schullian danach ein gewisses Bauchweh mit dem „recht problematischen Gesetzestext“. Neben Fragen à la „Was passiert, wenn um 6 Uhr morgens eingebrochen wird?“ sieht der Kalterer Anwalt im Gesetzesentwurf auch so manch andere schwammige Formulierung wie das Prinzip der „akuten psychischen Verwirrung“, bei deren Nachweis Bürger, die zur Waffe greifen, nicht mehr bestraft werden sollen. Den Forderungen nach einer Rund-um-die-Uhr-Selbstverteidigung kann der  SVP-Parlamentarier aber wenig abgewinnen. Denn parallel zu einer „steigenden Gewaltbereitschaft der Ausländer sei in den vergangenen Jahren auch das Aggressionspotential bei den besorgten Bürgern gestiegen“, so Schullian. Umso wichtiger sei es, am Prinzip der Angemessenheit festzuhalten.

Eine klares Statement gegen den Gesetzesvorstoß setzte am Donnerstag auf nationaler Ebene der Schriftsteller und Journalist Roberto Saviano. Er beschuldigt den PD in einem Facebook-Post, nun definitiv „un partito della peggior destra“ geworden zu sein, die auf Bauchgefühl, Ignoranz und Gemeinplätze setzt. "Die Sicherheit der Bürger wird nicht geschützt, indem man ihnen erlaubt, sich zu bewaffnen“, meint Saviano. Entgegen von Statistiken, laut denen Raubüberfälle im vergangenen Jahr sogar um 16 Prozent zurückgegangen seien, fördere die Politik das Gefühl der Unsicherheit und lade Bürger dazu ein, sich zu bewaffnen, schreibt Saviano. „Gesetze entstehen nicht mehr als Reaktion auf das, was wirklich geschieht, sondern auf Basis der Wahrnehmung, die in der Gesellschaft von der Realität vorherrscht", kritisiert der bekannte Schriftsteller. Seine bitteres Resümee :

„Quando il nuovo fascismo sarà alle porte ricordiamoci di chi gliele avrà fatte trovare aperte.“