„Nichts und niemand kann uns aufhalten!“
Sie besingen die Liebe, das Internet, aber auch Existenzängste. Nora Pider und Julian Angerer aus Brixen leben seit Jahren in Wien, sind privat ein Paar und machen auch zusammen Musik. Anger heißt ihr musikalisches Projekt: elektronische Popsongs - schrill und laut, ungehemmt und frei. Musikalische Grenzen werden eingerissen und Neues erschaffen. Auch im neuen Musikvideo wird mit Farben und Energie nur so geklotzt und um sich geschmissen - direkt und unkonventionell. Nach den zwei Vorabsingles „Baby“ und „Sie schreit“ wird ihr Debütalbum „Heart/ Break“ schon heißerwartet.
salto.bz: Hallo Nora, hallo Julian, ihr seid gerade mit zwei Single-Auskopplungen am Start. „Baby“ ist seit kurzem auf Nummer 1 der FM4 Charts, der wichtigsten alternativen Musikcharts Österreichs - hättet ihr das erwartet? Oder seid ihr selbst ein bisschen überrascht davon?
Anger: Nein, wir waren schon sehr überrascht. Als wir vor zwei Wochen auf Platz 7 in die Charts eingestiegen sind, haben wir zwar schon geahnt, dass es weiter nach oben gehen wird, aber mit der 1 haben wir nicht gerechnet. Wir sind im Auto gesessen und als die 2 anmoderiert wurde, haben wir nur noch vor Freude gejubelt, weil wir wussten, dass wir mit „Baby“ auf der 1 sind.
Wir sind im Auto gesessen und als die 2 anmoderiert wurde, haben wir nur noch vor Freude gejubelt, weil wir wussten, dass wir mit „Baby“ auf der 1 sind.
Was soll jetzt noch kommen? Ö3-Charts?
Wir haben klar formulierte Ziele. Die haben wir in unsere Notizbücher geschrieben. Wir wollen einen Fm4-Award, wir wollen jedes große europäische Festival bespielen, touren, quer durch Europa und jedes Jahr bzw. jedes zweite Jahr ein Album machen. Natürlich wollen wir auch in die Ö3-Charts kommen. Wir arbeiten sehr zielstrebig und nichts und niemand kann uns aufhalten.
Gibt es ein spezielles Zielpublikum, das ihr erreichen wollt?
In erster Linie wollen wir natürlich alle erreichen. Wir wollen kein spezielles Zielpublikum erreichen, wir machen die Musik, die wir machen wollen, und das Publikum ergibt sich dann von selbst. Die Personen, die unsere Musik hören und feiern sind dann das Zielpublikum.
Und wen wollt ihr mit „Baby“ und „Sie schreit“ besonders ansprechen? Die Jugend von heute?
Wir haben die Songs geschrieben mit der Priorität, wir werden uns künstlerisch nicht einschränken. Wir lassen alles zu. Gleich wenig schränken wir unser Publikum ein. Alle sind eingeladen unsere Musik zu hören und zu feiern. Wir besingen die Liebe, das Internet, aber auch Existenzängste. Das sind doch Themen, die alle Generationen kennen?
Wie tickt die Jugend von heute?
Die Jugend von heute ist mega. Schau sie dir an, wie sie wieder auf die Straße geht. Wie sie abrechnen mit einem veralteten System. Wie sie Schluss machen mit Rassismus und Sexismus. Die Jugend von heute ist bunt und laut.
Die Jugend von heute ist mega. Schau sie dir an, wie sie wieder auf die Straße geht. Wie sie abrechnen mit einem veralteten System. Wie sie Schluss machen mit Rassismus und Sexismus. Die Jugend von heute ist bunt und laut.
Große Zukunftsfrage, auf die ihr auch in euren Songs anspielt: digital vs. real - wer gewinnt? Wie wird die Zukunft in zehn Jahren aussehen?
Keine Ahnung. Wenn wir diese Dinge besingen, dann hat das immer in erster Linie mit uns zu tun. Wir sind Poweruser*innen des Internet. Wir holen uns alles zu jederzeit. Digital und Real sind keine Gegensätze mehr, sondern ergeben zusammen unsere Realität, verstehst du? Wir kommen da nicht mehr raus. Darum geht’s auch gar nicht. Das ist kein „zurück zur Natur Bullshit“. Internet hat uns die wichtigsten Sachen gebracht: ein uneingeschränkter Zugang zu Wissen. Wir können überall alles abrufen. Es geht nur darum, dass wir lernen damit umzugehen. Das ist das Ding.
„Sie schreit“ und natürlich vor allem „Baby“ haben Lust auf mehr gemacht! Wann kommt endlich euer heiß erwartetes Debütalbum? Auf was dürfen wir uns freuen?
Wir haben uns im Februar mit unserem Produzenten Jakob Herber für zehn Tage nach Meransen zurückgezogen um Songs zu schreiben. Wir haben uns im Schreibprozess überhaupt keine Grenzen gesetzt und diese Freiheit war wunderbar. Es war eine super Zeit und wir glauben dieses Gefühl hört man auch auf dem Album. Seit Februar sind wir nun fast täglich im Studio, um das Album abzuschließen. Gerade eben haben wir die letzten Vocal-Aufnahmen gemacht. Das Album kommt am 20/09/2019 und wird „Heart / Break“ heißen. Es wird fantastisch. Wir sind sehr stolz auf die Arbeit. Ihr könnt euch freuen auf ein Pop-Album, das ehrlich ist, das mit Zitaten nicht spart und nach einem zeitgemäßen Album klingt, das auf Genre-Grenzen pfeift.
Warum „muss“ man Anger mindestens einmal live erlebt haben? ;-)
Warum nur einmal? Die Show ist super. Abwechslungsreich, unterhaltsam, ruhig und laut. It‘s a fucking romantic pop show, you know!
Wo kann man euch heuer noch live erleben?
In Südtirol am 12.07. beim Rock im Ring Festival am Ritten und am 13.07. in Brixen im alten Gefängnis „Im Tschumpus“.
Die Performance gehört zur Musik unbedingt dazu, oder Nora?
Manchmal kann ich mich fühlen und verhalten wie Kim Gordon, dann wieder wie Beyonce. Ja, für mich gehört die Performance zur Musik, aber sie ist immer authentisch. Wir lieben es kurze Choreos zu machen oder die Zuseher*innen mit einem „special“ zu überraschen. Wir haben Spaß daran zu unterhalten und wir haben weder Angst vor großen Gesten noch vor Bewegungslosigkeit.
Große Stages oder doch lieber rauchige Keller-Atmosphäre?
Große Stages. Wir brauchen Raum.
Wen würdet ihr als musikalische Vorbilder bezeichnen?
Die Liste ist lang und verändert sich auch ständig. Vorbilder kommen und gehen. Manche bleiben aber für immer. Im Moment haben wir eine coole Liste an Artists zusammengestellt, die wir feiern. Die Playlist haben wir für das Sonar Festival in Barcelona gemacht. Darunter findet ihr Musik von Haim, Dua Lipa, Mavi Phoenix, Robyn, Cardi B. Billie Eilish, The 1975...
Ihr seid auch privat ein Paar - dürfen wir fragen, wie das so funktioniert, wenn man so vieles, berufliches und privates zusammen macht?
Es läuft immer besser (lachen). Wir arbeiten am besten, wenn wir uns klare Routinen schaffen, die Arbeit aufteilen und unsere Stärken nutzen. Wir vertrauen einander und versuchen unser gemeinsames Mind-Set zu stärken.
Aus dem Paar Nora und Julian ist die Band entstanden... So frei nach dem Motto: wenn wir eh schon ein Paar sind, dann können wir auch gleich zusammen eine Band sein? ;-)
Die LP Titel sprechen für sich: „Liebe & Wut“ 2018. „Heart / Break“ 2019 (lachen).
Nora, kannst Du uns den Musiker Julian in drei Worten beschreiben?
Einfallsreich, unaufhaltsam & sensibel.
Julian, drei Adjektive für die Musikerin Nora?
Mutig, ehrlich & stur.
Und jetzt noch drei mit denen ihr Anger beschreiben würdet?
Kompromisslos, frech & anger (wütend).
Wenn ihr Anger mit einer Farbe assoziieren müsstet, welche wäre diese?
Gelb.
Warum eigentlich die Wahlheimat Wien?
Wien ist wunderbar. Vielleicht die aktuell größte Pop-Stadt im deutschsprachigen Raum. Lange ist hier wenig passiert, aber in den letzten Jahren wurde die Glasdecke aufgebrochen. Auch dank Bands wie Bilderbuch oder Wanda. Das Selbstbewusstsein der Szene ist extrem gewachsen. Wir fühlen uns wohl hier. Und es gibt auch nix schöneres, als den Sommer in Wien.
Wien ist wunderbar. Vielleicht die aktuell größte Pop-Stadt im deutschsprachigen Raum. Lange ist hier wenig passiert, aber in den letzten Jahren wurde die Glasdecke aufgebrochen. Auch dank Bands wie Bilderbuch oder Wanda. Das Selbstbewusstsein der Szene ist extrem gewachsen.
Drei Dinge, die in Wien besser sind als in Südtirol?
Erstens die Vielfalt, zweitens das Nachtleben und drittens die Kultur- und Kunstszene.
Und jetzt bitte noch drei Sachen, die wiederum für Südtirol sprechen?
Also, erstens die Berge im Winter, zweitens Familien & Freunde und drittens Pizza & Knedl.
Und als Schlussworte noch die Frage von was ihr sonst so träumt?
Generell träumen wir von weniger Plastik, wir träumen von einem Europa mit offenen Grenzen, ohne Rechtsruck, von Inklusion, von gerechtem Handel, von Gleichheit aller Geschlechter, von realistischer Klimapolitik, von einer Systemveränderung fern vom Neoliberalismus, von fairer Aufteilung des Kapitals. Wir träumen davon, dass alle Menschen sich gegenseitig auf Augenhöhe Begegnen können.
Generell träumen wir von weniger Plastik, wir träumen von einem Europa mit offenen Grenzen, ohne Rechtsruck, von Inklusion, von gerechtem Handel, von Gleichheit aller Geschlechter, von realistischer Klimapolitik, von einer Systemveränderung fern vom Neoliberalismus, von fairer Aufteilung des Kapitals.
Tourdaten:
05/07/19 Rock im Dorf (Klaus, AT)
12/07/19 Rock Im Ring (Ritten, IT)
13/07/19 Im Tschumpus (Brixen, IT)
18/07/19 Sonar Festival (Barcelona, ESP)
15/08/19 Fm4 Frequency (St. Pölten, AT)
18/09/19 Reeperbahnfestival (Hamburg, DE)
27/09/19 Waves Festival (Wien, AT)
16/10/19 Monarch (Berlin, DE)
28/01/20 B72 (Wien, AT)