Privatissimum mit Letta
Die stärksten Töne schlägt wie immer die Freiheitlichen-Chefin an: „Was bitte soll bei einem Treffen mit einem Ministerpräsidenten herauskommen, der derzeit angesichts der enormen Probleme in Rom ohnehin nicht handeln kann“, fragt Ulli Mair. „Hier muss schon die provokante Frage gestellt werden, ob es vielleicht um die Staatsbürgerschaft der schwedischen SVP-Kandidatin geht“. Provokation hin und her: Der für 18 Uhr angesetzte Bozner Gipfel der Landesregierung mit Premier Enrico Letta und Regionenminister Graziano Delrio läßt im heißen Klima der Vorwahlzeit keine politische Bewegung kalt. Obwohl die Reizthemen zwischen und innerhalb der politischen Lager durchaus variieren, lautet der große gemeinsame Nenner der Kritik: Südtirols Autonomie ist nicht allein Sache der Südtiroler Volkspartei.
Genau dieser Eindruck entstand jedoch selbst bei Exponenten von Regierungspartner PD, der im Gegensatz zu den Oppositionsparteien am heutigen Gipfel im Palais Widmann teilnimmt, anstatt davor zu protestieren. Beim vorbereitenden Treffen in Rom mit Minister Delrio, bei dem neben künftigen Finanzregeln ganz nebenbei noch eine Einigung in Sachen Toponomastik gefunden wurde, war zwar der mögliche künftige Landeshauptmann Arno Kompatscher, nicht jedoch der amtierende stellvertretende Vize-Landeshauptmann Christian Tommasini dabei; selbst die PD-Parlamentarier sollen nur über Umwege von den wichtigen Treffen erfahren haben.
Regierungspartner bleibt zu Hause
Zumindest Landesrat Tommasini, der ebenso wie sein Regierungskollege Roberto Bizzo seinen Urlaub unterbricht, um am frühen Abend beim Treffen mit Letta in Bozen dabei zu sein, fühlt sich jedoch nicht ausgeschlossen. „Mit Ausnahme der Toponomastik-Frage, die heute auch nicht Teil des Abkommens sein wird, haben wir alle in Rom verhandelten Themen schon vorab in der Landesregierung besprochen“, meint er auf Anfrage. Deshalb stehe er hinter den Inhalten des heute zur Unterzeichnung vorliegenden Abkommens – nicht jedoch hinter Vereinbarungen, über die es vorab keine Absprache gab, spielt Tommasini auf die Toponomastik an, die in den italienischen Parteien seit Tagen für heftige Diskussionen sorgt.
Doch auch die passive Rolle des PD in Sachen Bozner Abkommen stößt so manchem Exponenten innerhalb der Partei sauer auf. Warum schafft es die SVP kurz vor den Wahlen den ganzen Bonus für ein Abkommen mit der eigenen Partei zu kassieren – während die lokalen PD-Vertreter von Rom nicht einmal über das Treffen mit der SVP informiert werden, lautet eine der Fragen, die derzeit innerhalb der Partei für Diskussion sorgen. „Es ist klar, dass wir in der Angelegenheit keine gute Figur gemacht haben“, räumt die stellvertretende Parteisekretärin Daniel Rossi ein. Zwar sei heute nach dem Treffen Lettas mit der Landesregierung noch eine Zusammenkunft mit dem Regierungschef geplant – „doch nach Unterzeichnung des Abkommens ist es ein wenig spät“, meint sie.
Willkommen im Freistaat
Während der Regierungspartner also eher der nationalen Parteispitze als der SVP grollt, ist zumindest bei den deutschen Oppositionsparteien der gemeinsame Gegner eindeutig die SVP. „Wir haben genug von alle den leeren Versprechungen und Abkommen, die uns von der SVP seit Jahren in Sachen Autonomie präsentiert werden, wir wollen endlich Taten sehen“, meint etwa Sven Knoll von der Südtiroler Freiheit. Dafür wird auch er heute genauso wie italienische Oppositionsvertreter oder Freiheitlichen-Chefin Ulli Mair vor dem Palais Widmann protestierten. Diese will den Regierungschef – wie bereits Staatspräsident Giorgio Napolitano – mit einem dreisprachigen Transparent im „Freistaat Südtirol“ willkommen heißen. „Denn wir wissen ja nicht, was die SVP in Rom bespricht“, meint Mair, „deshalb soll Letta zumindest auf diese Art etwas von anderen politischen Kräften im Land mitbekommen.“
Ein der heute Abend nicht in oder vor dem Palais Widmann zu finden sein wird, ist der SEL-Kammerabgeordnete Florian Kronbichler. „Im Gebote der Nicht-Hochachtung gehe ich ganz normal meiner Arbeit in Rom nach“, sagt der einzige römische Abgeordnete, der neben Staatssekretärin Michaela Biancofiore nicht zum heutigen Gipfel eingeladen ist. Beleidigt sei er deswegen nicht. Was er von den nicht-gehaltenen Versprechung der Volkspartei hält, das so genannte dritte Autonomiestatut mit allen ethnischen und politischen Vertretungen auf den Weg zu bringen, hat er bereits in den vergangenen Tagen zum Ausdruck gebracht.
Gibt es Hoffnung, dass solche Kritik zu einem Kurswechsel führt? „Ich denke, bei dieser demonstrativen Nicht-Beachtung anderer politischer Kräfte bewegt sich die SVP einfach auf einer eingefahrenen Spur“, meint er. „Und obwohl es keine Argumente dafür gibt, wird man wohl weiter daran festhalten.“