Società | Geburtstag

Der Zeit voraus

Die OEW-Organisation für Eine solidarische Welt wird 30 Jahre alt. Zum Geburtstag wünscht man sich von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft vor allem eines: Mut.
30 Jahre OEW
Foto: oew

Anfangs wurden sie belächelt, ignoriert, nicht ernst genommen. Heute sind sie aus Südtirol nicht mehr wegzudenken und leisten wertvolle Arbeit für Land und Leute, die es nicht immer leicht haben. Die Rede ist von den Mitarbeitern der OEW-Organisation für Eine solidarische Welt. Und die feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen.

Am 12. Oktober 1990 gründeten Rückkehrer aus der Entwicklungszusammenarbeit die unabhängige NGO (non-governmental organization – Nichtregierungsorganisation). Ursprünglich sah es die OEW als ihren Auftrag, Projekte im Süden zu unterstützen. Doch nach und nach weitete sich der Aktionsradius aus. Heute steht die Bewusstseinsbildung im Vordergrund der Tätigkeiten der elf hauptamtlichen und zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeitern. “Seit 30 Jahren arbeitet die OEW mit Leidenschaft an globalpolitischen Themen, die sie auf den lokalen Kontext bezieht”, erklärt Sabrina Eberhöfer, seit vier Jahren Vorsitzende der OEW. “Dabei war die Organisation mit ihren Themen oftmals auch der Zeit voraus und viele Themen, die damals angesprochen wurden, sind heute aktueller denn je.”

Zum Beispiel die Nachhaltigkeits- und Flüchtlingsdebatte, die die OEW schon früh aufgegriffen hat, um der Südtiroler Bevölkerung internationale Zusammenhänge aufzuzeigen, das eigene Konsumverhalten mit Armut und Umweltzerstörung im Globalen Süden in direkte Verbindung zu bringen und ein besseres Zusammenleben zu fördern. Heute sieht man sich bestätigt. “Angesichts von Klimakrise und vermehrter Migration ist das Miteinander in Südtirol nicht einfacher geworden”, meint Eberhöfer.

 

Jährlich organisiert die OEW – sie hat ihren Sitz in Brixen – mehr als 400 Workshops und Vorträge in Schulen, Jugendzentren und auf Tagungen. Außerdem gab es beispielsweise in den vergangenen fünf Jahren mehr als zwei Dutzend große Aktionen, bei denen für einen bewussten Konsum von Lebensmitteln, Kleidung, Verpackungsmaterial und für ein vorurteilsbewusstes Handeln und Denken sensibilisiert wurde. Darunter die Adventskampagne “Sweet affair” im Jahr 2018, bei der die OEW gemeinsam mit den Weltläden auf die unzureichenden Arbeitsbedingungen in der Schokoladenproduktion aufmerksam machte; die zweijährige Kampagne für faire Kleidung in Kooperation mit der Clean-Clothes-Campaign Italy; die ersten Wochen gegen Rassismus in Südtirol 2019.

Einen festen Platz erobert hat sich auch die Straßenzeitung zebra., die 2014 von der OEW ins Leben gerufen wurde. “Das erfolgreiche Sozialprojekt zebra., das Menschen in schwierigen Lebenssituationen ein kleines Einkommen ermöglicht, ist der sichtbarste Ausdruck unserer Tätigkeit”, meint OEW-Vorsitzende Eberhöfer stolz.

 

Eine, die vor 30 Jahren – und auch bei der Jubiläumsfeier am Wochenende – dabei war, ist Christine Baumgartner. Als Gründungsmitglied und erste Vorsitzende der OEW von 1990 bis 1996, betont Baumgartner: “Dank jahrelanger Ausdauer, Begeisterung und Ideenreichtum kann die OEW heute als wichtigste entwicklungspolitische Organisation Südtirols auf 30 Jahre fruchtbare Arbeit zurückblicken. Mehr denn je brauchen wir in diesen Krisenzeiten ihre Initiativen mit dem Ziel einer weltweiten Solidarität in Frieden und Gerechtigkeit.” Anders als damals finden die Themen der OEW heute nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch auf politischer Ebene stärkeres Gehör. Dennoch will man keinesfalls kürzer treten, sondern fordert anlässlich des 30. Geburtstags vor allem eines: Mut. OEW-Geschäftsführer Matthäus Kircher dazu: “Mutige Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft stehen uns bevor, um den Ressourcenverbrauch in den Griff zu bekommen. Dafür werden wir neue Modelle entwickeln bzw. weit über den gewohnten Tellerrand blicken müssen, wenn wir uns noch aus eigenen Kräften aus der Sackgasse bewegen wollen, die auf der einen Seite von den Umwelt- und Klimaproblemen und auf der anderen von einer aberwitzigen sozialen Schieflage markiert wird.”

Um die vergangenen 30 Jahre zu feiern und um im vom Corona gebeutelten Krisenjahr besser über die Runden zu kommen, kam es bei der Feier am Wochenende zum Startschuss der Jubiläumslotterie “OEW-Flotterie”, die bis zum 1. November läuft. Ein Los ist für 5 Euro erhältlich. Es winken 30 Preise, zu denen im Internet 30 Tage lang 30 OEW-Anekdoten präsentiert werden.