Politica | EU Wahlen 2014

Markus Warasin: "EU-Wahlen mit neuem Image"

Während in Südtirol nach den Wahlen noch Wunden geleckt und Gespräche sondiert werden , startet auf anderer politischer Ebene der nächste Wahlkampf. "Act. React. Impact – Handeln. Mitmachen. Bewegen." Die Kampagne für die EU-Wahlen 2014 hat der Südtiroler Markus Warasin koordiniert.

"Welches Bild haben die Bürger von der Politik im allgemeinen und von der EU im besonderen?"

Diese Frage stellte sich Markus WarasinLeiter des Referats Strategie und Planung in der Generaldirektion Kommunikation des Europäischen Parlaments, als er vor drei Jahren den Auftrag erhielt, ein Konzept für die Informationskampagne für die Wahlen zum Europaparlament 2014 zu entwerfen. Gerade bei den Abgeordneten im Europaparlament scheint die Entfernung von den Bedürfnissen der Bürger, die sie ja wegen bestimmter Anliegen "nach Brüssel" geschickt hatten, recht groß." Eine typische Postdemokratie ist so entstanden, in der der politische Diskurs oft zur Farce wird," meint Warasin, "Links und Rechts gibt es nicht mehr, Politik ist nur noch ergebnisfixiert, Politiker sind nicht mehr das, was sie einmal waren, Wahlen auch nicht, und entscheiden tun sowieso andere." Warasin sieht diese Realität, ist aber auch überzeugt, dass sich die Demokratie in einer Umbruchphase befindet. Europaweit finden die Wahlen  zwischen dem 22. und 25. Mai statt. 380 Millionen BürgerInnen sind wahlberechtigt. Die Info-Kampagne läuft bereits seit September 2013.

Hier ein Interview mit Markus Warasin

Womit hat eine Generaldirektion für Kommunikation im EU-Parlament zu tun, welches sind Ihre Aufgaben? 
Die Generaldirektion Kommunikation des Europäischen Parlaments ist eine Besonderheit im Parlamentarismus weltweit: Kein anderes Parlament weltweit beschäftigt 700 Beamte, verstreut auf 28 Mitgliedstaaten, plus USA und kommuniziert in 24 verschiedenen Amtssprachen plus zum Teil auch in Regionalsprachen wie beispielsweise unser Büro in Katalonien. Unsere Hauptaufgabe ist, den EU-Bürgern die parlamentarische Arbeit auf europäischer Ebene näher zu bringen und dafür zu sensibilisieren, dass es im manchmal intransparent wirkenden Europa-Bürokratismus politische Institutionen gibt, die für parlamentarische Kontrolle, politische Verantwortung und demokratische Legitimität sorgen. Um dies zu tun, haben wir eine Reihe von Diensten: den Pressedienst, den Besucherdienst, die Informationsbüros in den Mitgliedstaaten,  etc. 

Was gibt es bei der Planung einer solch umfangreichen Wahlkampagne zu bedenken, schon allein der sprachliche Aufwand wird enorm sein? 
Die größte Herausforderung ist vielleicht, dass wir keinen gemeinsamen Kommunikationsraum haben. Doch der Politisierungsschub, den Europa in den vergangenen Jahren seit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise erfahren hat, hat auch dazu geführt, dass Europäer in einem irischen Pub in Dublin ebenso über Europa diskutieren wie in einer italienischen Pizzeria in Rom oder bei einem Café au lait in einem Pariser Bistro: Die Frage ist inzwischen: Wieviel Politisierung verträgt die EU? 

Wie ist Ihr Eindruck, was denken die Menschen, die Europäer über die EU, das Parlament, die europäische Regierung?
Ich glaube der Eindruck der Europäer ist zurecht diffus, sie haben keine eindeutige, klare Vorstellung vom politischen, institutionalisierten Europa. Und das ist auch richtig so, denn es gibt auch in Brüssel "verschiedene Europa": Es gibt z. B. weiterhin ein Europa der Staaten, in dem häufig Gegensätze (Kleine gegen Große, Norden gegen Süden, Osten gegen Westen - denken wir an die Finanzkrise) dominieren. In diese Kategorie des Europas der Staaten gehört der altbekannte nationale Diskurs: die britische Kritik, Europa sei zu französisch, oder die französische, die EU sei zu britisch. In Italien hört man zuweilen Klagen, Deutschland und Frankreich bestimmten über Italien, in Frankreich wiederum: Deutschland bestimme über Frankreich, und so weiter und so fort. 

Es gibt auch ein Europa der Büros, der Technokratie (Bürokraten oder Eurokraten), der Überregulierungen, der „Regulierungswut“. Hans Magnus Enzensberger hat dieses Europa in seiner kritischen Schrift „Sanftes Monster Brüssel oder Die Entmündigung Europas“ 2011 mit seinen verspiegelten Fassaden und den verschlossenen Türen Brüssels, mit seiner fragwürdigen Legitimation beschrieben. Das bürokratische Europa könnte bald das gleiche Schicksal ereilen, wie der amerikanische Kongress, der Meinungsumfragen zufolge in Beliebtheits-Rankings noch hinter Wurzelbehandlungen und Küchenschaben rangiert.

Aber es gibt auch ein Europa der Bürger. Nicht nur Nationen und Büros zählen, sondern auch, oder eigentlich gerade, die Bürger: Institutionell ist dieses Europa durch das Europäische Parlament vertreten. Wenn wir immer wieder vom Demokratiedefizit der EU hören – ein Begriff der in den 70er Jahren erstmals auf die EU angewandt wurde - würde ich mir einmal gerne wünschen, dass nach 40 Jahren EU-Integration ein Student endlich einmal die erste Diplomarbeit zum „Demokratischen Surplus oder Bonus“ schreibt, den es in der EU auch gibt, anstatt die tausendste Diplomarbeit zum Demokratiedefizit. 

Und dann gibt es noch eine vierte Kategorie: das Ideal-Europa. Dieses Europa hat der Präsident des EU-Parlaments, der Deutsche Martin Schulz, treffend in seiner Antrittsrede am 18.01.2012 beschrieben: "Was heißt das ganz konkret? Konflikte durch Dialog und Konsens zu lösen. Anstelle des Rechts des Stärkeren, Solidarität und Demokratie zu setzen. Den Interessenausgleich zwischen kleinen und großen Staaten, zwischen Nord und Süd, Ost und West zu bewältigen; und das Wohl Aller über Partikularinteressen zu stellen."     Ist es auch Ziel der Kommunikationsstrategien in Ihrer Abteilung, dass beispielsweise Italienier oder Spanier sich vermehrt als Europäer bezeichnen? Unsere Kommunikation zielt zwar nicht auf die „Schaffung braver Yes-man Europäer“ ab, aber „Identität“ ist für unsere Kommunikation dennoch ein zentrales Element. Eurobarometer-Umfragen geben über das europapolitische Profil der Europäer regelmäßig Auskunft: Die Daten zeigen, dass ein Großteil der Europäer sich sowohl mit seinem Heimatland als auch mit der EU identifizieren, also eine duale oder Mehrfach-Identität aufweisen (56%), während sich mehr als ein Drittel „nur in der nationalen Identität“ verwurzelt fühlt (38%). Der Anteil der Europäer, die sich in einer „nationalen und europäischen Identität“ verwurzelt fühlen, ist seit der Umfrage vom Juni 2012 leicht gestiegen.  

Mit der oben genannten Politisierung der EU steht nicht mehr das “Ob” der Integration sondern das “Wie” der künftigen Ausgestaltung europäischer öffentlicher Ordnung im Mittelpunkt. Es geht also nicht nur um das “Wer-bekommt-was?”, sondern auch um das “Wer-gehört-zu-uns-und-wer-nicht?”. Anders ausgedrückt: Es geht nicht nur um die in der Krise offensichtlichen wirtschaftsrelevanten Themen - sprich: Wirtschafts-, Fiskal-, Renten-, und Sozialpolitik – sondern vermehrt auch um identitätsrelevante Themen - wie nationale Souveränität, Immigration, Ökologie, und kulturelle Vielfalt.

 

 

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Harald Niederseer Mar, 01/07/2014 - 15:52

Der größte Teil der EU-Kritik ist eigentlich Kritik am Kapitalismus und der "zu" freien Marktwirtschaft, welche die Plattform EU vorzüglich für ihre Belange zu nutzen verstehen. Wer das in pauschale EU-Kritik verpackt ist ein Populist und ein arg schädlicher dazu.
EUROPA IST DAS BESTE

Mar, 01/07/2014 - 15:52 Collegamento permanente