Politica | Doppelpass

Ten Years After

Vor zehn Jahren ist der Doppelpass innerhalb der SVP schon einmal hochgekocht. Auch damals hat der Landeshauptmann den Vorstoß seiner Parteikollegen energisch eingebremst
Durnwalder/Kompatscher
Foto: Othmar Seehauser
Was kümmert mich das, was ich gestern gesagt habe.
So könnte man das umschrieben, was sich seit zwei Wochen innerhalb der SVP abspielt. „Es ist schon interessant, wie sich die Rollen plötzlich umkehren“, sagte der langgediente Meraner SVP-Parlamentarier Karl Zeller am Montag in der SVP-Parteileitung. Und er fügte durchaus sarkastisch hinzu: „Die damals vehement gegen den Doppelpass waren, sind plötzlich flammend dafür und wir, die wir diesen Weg eingeschlagen haben, sind heute skeptisch.
Der SVP-Vizeobmann zeigte am Montag aber auch eine Parallele auf, die man im durchaus detailgetreuen Sitzungsprotokoll, das die Tageszeitung „Dolomiten“ in ihrer Dienstausgabe wiedergibt, vergeblich sucht. „Auch damals hat Landeshauptmann Luis Durnwalder uns wegen des Vorstoßes in Sachen Doppelpass öffentlich den Kopf gewaschen“, so Zeller.
Der Meraner Ex-Senator zauberte am Montag in der Parteileitung eine Dokumentation zur politischen Genese des Themas „Doppelstaatsbürgerschaft“ unterm Edelweiß aus der Aktentasche. Anträge, Gesprächsnotizen, Sitzungsprotokolle, E-Mails und Zeitungsartikel. Darunter einige aus der Feder des Autors. Vor allem einen Artikel aus der Tageszeitung legte Zeller dabei genüsslich vor.
Der Titel „Durnwalders Standpauke“. Datiert: 19. Jänner 2010. Im Vorspann heißt es dazu: „Landeshauptmann Luis Durnwalder hat mit ungewöhnlich scharfen Worten den Vorstoß seiner Parteikollegen in Sachen Doppelstaatsbürgerschaft eingebremst.  Seine Diagnose: Wir Südtiroler haben das Schamgefühl verloren.
Es war ein Déjà vu, das viele innerhalb der SVP ganz und gar nicht goutieren. Ebenso wenig die historische Rekonstruktion, die Zeller mit seiner Dokumentation vorlegte.
 

Unter anderen Vorzeichen


Denn schon einmal gingen innerhalb der SVP zum Thema Doppelpass die Wogen hoch. Vor genau zehn Jahren. Damals allerdings unter anderen Vorzeichen.
Ausgangspunkt war eine Initiative der damaligen SVP-Kammerabgeordneten Siegfried Brugger und Karl Zeller. Anfang Februar 2009 trafen sich die beiden SVP-Parlamentarier mit dem damaligen österreichischen Botschafter in Rom und dem einflussreichen ÖVP-Seniorenbund-Obmann Andreas Khol und besprachen erstmals den Vorschlag einer Doppelstaatsbürgerschaft für die Südtiroler. „Die politische Lage war damals absolut entspannt und der Zeitpunkt für eine solche Aktion sehr, sehr günstig“, sagt Karl Zeller heute.
 
 
Andreas Khol war von der Idee begeistert – wie Zeller anhand von Mails und Schreiben heute nachweisen kann – und versprach, das Anliegen mit dem damaligen ÖVP-Obmann Josef Pröll abzusprechen. Zeller und Brugger arbeiteten einen konkreten Vorschlag für die Möglichkeit eines Doppelpasses für Südtiroler aus, abgestimmt auf die italienische Gesetzgebung. Karl Zeller fuhr mehrmals zu Besprechungen nach Wien. Der Plan war es, zuerst das Anliegen in der ÖVP durchzusetzen und dann die SPÖ zu überzeugen. Damit hätte man auch im österreichischen Parlament eine breite Mehrheit gehabt.
Neun Monate lang funktionierte die Geheimdiplomatie, man verhandelte diskret im Stillen. Als dann die Südtiroler Freiheitlichen über die FPÖ von der Sache Wind bekamen, mussten die Proponenten an die Öffentlichkeit gehen. Es war Siegfried Brugger, der diese Rolle übernahm.
 

Schützenhilfe vom PD

 
Der ehemalige SVP-Obmann erläuterte am 2. Dezember 2009 in einem Tageszeitungs-Interview den Vorschlag, den Südtirolern neben der italienischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft zu geben und die Folge, dass dann ein Südtiroler in das österreichische Parlament einziehen könnte.
Die Bombe war damit gezündet. Der damalige Außenminister Franco Frattini (Forza Italia) kanzelte den Vorschlag in mehreren Interviews hart ab, während der einflussreiche PD-Kammerabgeordnete Gianclaudio Bressa öffentlich erklärte, sich im Parlament für die doppelte Staatsbürgerschaft der Südtiroler aussprechen zu wollen. Auch der damalige Südtiroler PD-Chef und Landeshauptmannstellvertreter Christian Tommasini äußerte sich positiv zur Initiative und erklärte die Unterstützung seiner Partei.
 
 
Die SVP jubilierte. „Wenn sich sogar ein hochrangiger italienischer Politiker mit der Doppelstaatsbürgerschaft anfreunden kann, so ist das ein wichtiges Signal, das für die öffentliche Wahrnehmung von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist“, kommentierte der damalige SVP-Obmann Richard Theiner die Situation. Brugger und Zeller erhielten von der Partei den Auftrag, am Projekt weiterzuarbeiten.
 

Durnwalders Ordnungsruf

 
Doch einem gefiel die Aktion überhaupt nicht: Luis Durnwalder.
Wochenlang äußerte sich der damalige Landeshauptmann nicht öffentlich zum Thema. Dann nutzte Durnwalder die montägliche Pressekonferenz der Landesregierung und eine Journalisten-Nachfrage, um seine Sichtweise darzulegen. Heraus kam eine veritable Standpauke in Richtung seiner eigenen Partei und der beiden SVP-Parlamentarier.
„Vernünftig wäre es gewesen, die Sache vorher im Stillen mit Rom und Wien anzudiskutieren“, rüffelte er das Duo Brugger/Zeller. Um nicht ganz über die eigene Partei herzufallen, schweifte Durnwalder dann auf eine allgemeine Kritik um. „Wir Südtiroler haben kein Schamgefühl mehr. Wir wollen immer das Beste vom Besten, ohne zu fragen, ob uns das überhaupt zustehe. Zu den Vorteilen sagen wir Ja, Nachteile wollen wir keine“, polterte Durnwalder. In der Parteileitung wurde der Landeshauptmann damals noch viel deutlicher. 
 
 
Luis Durnwalder ging 2009/10 die Aktion Doppelpass gegen den Strich. Heute ist er einer der mächtigsten Befürworter der Doppelstaatsbürgerschaft.
 

Projekt eingeschlafen

 
Luis Durnwalders harte Opposition gegen das Projekt Doppelpass hatte vor zehn Jahren auch einen klaren (partei)politischen Hintergrund. Schon bald zeichnete sich ab, dass innerhalb der ÖVP keine Mehrheit für den Doppelpass zu finden war. Andreas Khol änderte schnell seine Meinung. Noch schwieriger war es in de SPÖ.
Wir haben das Thema dann bewusst friedlich und still einschlafen lassen“, sagt Karl Zeller heute. 2012 kam es zu einer sehr vagen Resolution auf der SVP-Landesversammlung. Es ist eine von Dutzenden Absichtserklärungen, an die sich die eigenen Delegierten nach wenigen Wochen kaum mehr erinnern. Sieben Jahre später dient diese Resolution jetzt als Alibi, um den neuen Vorstoß – gemeinsam mit der volkstumspolitischen Front - in Sachen Doppelpass zu rechtfertigen.
Im Unterschied zu 2009 sind jetzt aber die Rollen der meisten Akteure vertauscht. Luis Durnwalder durfte vor knapp zehn Jahren in Sachen Doppelpass seine eigenen Parteifunktionäre abwatschen. Arno Kompatscher hingegen haut man heute das Wort „Briefchen“ um die Ohren.
So ändern sich die Zeiten.