Cultura | Jubiläum

Fische und Orchideen

Die Vereinigten Bühnen Bozen wurden vor über 30 Jahren bei einer Pizza auf einer Piazza in Verona gegründet. Am vergangenen Samstag wurde zurück- und nach vorne geschaut.
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Foto: Luca Guadagnini

Das Kürzel VBB steht für den Verband der Beamten und Beschäftigten der Bundeswehr oder für den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Seit 30 Jahren allerdings auch für die Vereinigten Bühnen Bozen.
In den ersten Wochen des Jahres 1992 hatten sich nach einem längeren Findungsprozess die Bozner Theatervereine Südtiroler Ensembletheater – unter der Leitung von Erich Innerebner –, die Theater-Initiative – unter der Leitung von Waltraud Staudacher –, die Kleinkunstbühne – unter der Leitung von Manfred Schweigkofler –, sowie die Talferbühne Bozen – unter der Leitung von Johann Winkler –, zu den Vereinigten Bühnen Bozen zusammengeschlossen. Formal. Die eigentliche Bozner Theater-Zusammenführung beschlossen einige Gründungsmitglieder bereits ein halbes Jahr vorher, auf der Piazza Dante in Verona, bei einer Pizza. Der langjährige Präsident und Intendant Thomas Seeber erinnerte am vergangenen Samstag beim feierlichen VBB-Jubiläum an diese Sommernachtstraum-Inszenierung im Teatro Romano des bekannten Regisseurs Jérôme Savary: „Es war ein lauer Sommerabend, rundherum perfekt, die Aufführung hat uns beschwingt.“ Auf der Bühne von Savarys Sommernachtstraum war neben Renato De Carmine auch die großartige Schauspielerin Ottavia Piccolo zu sehen. Die in Bozen geborene und aufgewachsene Bühnen- und Filmikone – sie lebt heute in Venedig –, kam in den vergangenen Jahren für diverse Produktionen in ihre Heimatstadt, u.a. für Eichmann. Dove inizia la notte in der Saison 2021/2022 für das Teatro Stabile.
 


Der VBB-Weg war „lang und steinig“, erzählte Thomas Seeber über die ersten VBB-Gehversuche: „Die Köpfe mussten erst lernen, ihre künstlerische Eigenständigkeit hintanstellen, für ein größeres Ganzes. Das war für alle ein Lernprozess. Es gab zudem sehr viel Neid, Missgunst und Skepsis.“ Bei einigen Dingen wäre „man auch selber schuld gewesen“, gab Seeber zu.
Eines der größten Probleme der neu gegründeten Institution war in den ersten Jahren das Fehlen einer festen Spielstätte, sodass sich die Aufführungen auf verschiedene Bühnen Bozens verteilen mussten. In der Baracke am Bahnhof, bezogen die VBB dann für die Spielzeit 1998/1999 eine erste provisorische Spielstätte, wo erstmals ein regelmäßiger Spielbetrieb abgewickelt werden konnte. Der damalige Intendant Georg Mittendrein war ebenfalls für die 30-Jahr-Feier nach Bozen gekommen.
 


Großes Lob erntete am feierlichen Abend die ehemalige Bozner Gemeindepolitikerin Ingeborg Bauer Polo, die sich wie keine andere dafür stark machte, dass die VBB im großen und von Stararchitekt Marco Zanuso geplanten Haus, auch einen Platz – neben dem Teatro Stabile – bekommen sollten.
Am "unvergesslichen" 9.9.1999 wurde das Neue Stadttheater am Verdiplatz in Bozen eröffnet und die VBB weihten ihre neue feste Spielstätte im Oktober 1999 mit zwei Premieren ein: mit Romeo und Julia im Großen Haus und mit Herbert Rosendorfers Oh Tyrol oder Der letzte Stylit das Studio. 
 

 

„Heute beschäftigen die VBB über 150 Künstlerinnen und Künstler, haben 25 fest angestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, führen eine Werkstatt, eine Schneiderei, machen Technik, Maske, Licht, Ton und Verwaltung...“ freute sich die neue VBB-Präsidentin Judith Gögele
Als Vorgeschmack für 2023 wurde der Text Das Theater als Kontaktzone der Südtiroler Autorin Anna Gschnitzer – sie lauschte im Publikum mit – von Marie Therese Futterknecht vorgetragen. Darin äußert die Autorin mitunter folgenden Wunsch:
 

Ich möchte mir Theater als eine Kontaktzone vorstellen, keinen Ort der Mimesis, sondern einen der Mimikry, in dem sich Spezies kreuzen. Die Protagonist:innen dieses Theaters heißen nicht länger Faust, Macbeth oder Don Karlos, sondern sind zum Beispiel Orchideen, die eine ausgestorbene Biene spielen.
(Anna Gschnitzer)


Die langjährige Intendantin Irene Girkinger führte nicht nur souverän durch den Abend, sondern schaute im Gespräch mit Seeber und Frey auch auf die erfolgreichen Produktionen ihrer Ära zurück, etwa auf die Dokumentationstheater zu Option, Bombenjahre und Autonomie, Mother Song, sowie auf das Stück Radetzkymarsch in der damaligen Inszenierung ihres heutigen Nachfolgers Rudolf Frey. Ihm entlockte Girkinger das ein oder andere Detail zur Planung für die Spielsaison 2023/24. Auch wenn Frey noch sehr bedeckt blieb. „An allen Töpfen wird gekocht, aber die Speisekarte ist noch nicht gedruckt“, meinte er verhalten und versprach „neue kreativen Köpfe und bekannte Gesichter auf der Bühne“ – ohne jedoch Namen zu nennen.
Auch Musik werde weiterhin eine wichtige Rolle spielen, etwa bei einer Theaterarbeit mit einem bekannten zeitgenössischen Komponisten oder beim Projekt mit einer bekannten Popband. Zudem ist auch ein bei einem österreichischen Autor in Auftrag gegebenes Werk für die VBB im Entstehen, welches unter Frey`s Regie Premiere haben wird und „auf einem Stück Südtiroler Zeitgeschichte basiert.“ 
Parallel zur VBB-Jubelfeier wurde und wird im Studio des Stadttheaters das legendäre Kinderstück Der Regenbogenfisch gespielt. Was das mit den VBB zu tun hat? Regenbogenfisch und VBB sind gleich alt!