Politica | Rechtsextremismus in Südtirol

Silvia von Pretz: „Wir wollen über Rechtsextremismus sprechen“

Silvia von Pretz, Geschäftsführerin der oew und Auftraggeberin von Armin Mutschlechner sagt im salto.bz Interview. „Die Schulen schätzen unsere Art zu arbeiten sehr“, „das Thema Rechtsextremismus wird immer noch zu sehr tabuisiert.“

Die oew organisiert seit Jahren erfolgreich das Filmfestival. Worum geht es genau?
Wir bieten den Schulen seit über zehn Jahren fünf Filme zur Auswahl an, die Klassen im Kino als Sondervorführung anschauen können. Die Filme stehen jeweils unter einem Jahresthema. 2013 war es das Thema „Identität“. Eine Arbeitsgruppe der oew wählt die Filme im Vorfeld aus. Die Initiative ist sehr erfolgreich, im letzen Jahr haben etwa 1.800 Berufs- und OberschülerInnen die Vorführungen besucht.

Wesentlich ist für die oew die Vor- und Nachbereitung.
Richtig. Die Lehrkräfte erhalten schon im Vorfeld umfangreiche Unterrichtsmaterialien von uns, um sich und die SchülerInnen auf das Filmthema vorzubereiten. Die Filme, die wir vorschlagen, decken sich mit den Schwerpunktthemen der oew. Sie sind anspruchsvoll und tiefgehend, zeigen meist gesellschaftskritische Themen auf, die oftmals nicht benannt werden. Wir möchten die Jugendlichen dazu animieren, sich Gedanken darüber zu machen und uns an ihrer Meinung teilhaben zu lassen.

Wir möchten die Jugendlichen dazu animieren, sich Gedanken darüber zu machen und uns an ihrer Meinung teilhaben zu lassen.

Unter den Filmen, die 2013 angeboten waren, gab es auch „Die Kriegerin.“
Ja. Im Film geht es um ein Mädchen aus Deutschland, das aus der rechtsextremen Szene aussteigen möchte. Die Lehrkräfte haben den Film von uns bereits im Vorfeld erhalten und wurden aufgefordert, ihn sich anzuschauen. So konnten sie abschätzen, ob er sich für die jeweilige Klasse eignen würde oder nicht. Eine 3. Oberschulklasse hat sich den Film auch bereits vor dem Filmfestival angesehen und uns bestätigt, dass das Thema aktuell und wichtig ist. Dass der Film brisant ist, war uns bewusst.

Armin Mutschlechner wurde von Ihnen als oew kontaktiert, um als Referent in Schulen aufzutreten.
Wir haben sehr viele Anfragen von Schulen und schaffen es zeitlich nicht, alle Filme mit unseren oew-BildungsreferentInnen nachzubereiten. Deshalb greifen wir immer wieder auf externe ExpertInnen zurück. Wir haben Herr Mutschlechner kontaktiert, er hat in mehreren Schulen für uns gearbeitet.

Wir haben Herr Mutschlechner kontaktiert, er hat in mehreren Schulen für uns gearbeitet.

Sein Gebiet ist die rechtsextreme Szene?
Als Jugendarbeiter kriegt Armin Mutschlechner viel mit und ist mit den Themen der Jugendlichen, u.a. auch Rechtsextremismus, oft konfrontiert. Er hat sich über Jahre damit auseinandergesetzt.

Laut Tageszeitung wurde gegen die Band frei.wild in einem Vortrag in einer Brunecker Oberschule gemeutert. Können Sie das bestätigen?
Wir haben diese Information selbst nur aus der Zeitung, wir sind aus allen Wolken gefallen. Zuerst einmal ist das kein Vortrag, sondern eine Diskussionsrunde. Bevor unsere ReferentInnen in die Schulen gehen, werden sie von uns gebrieft, so auch Armin Mutschlechner. Ziel der Nachbereitung war es, über Eindrücke aus dem Film zu sprechen und eine Diskussion mit den SchülerInnen zum Thema Rechtsextremismus anzuregen. Wir sind viel in Schulen unterwegs und wissen, dass es ein großes Thema ist, das allerdings oftmals tabuisiert wird. Die SchülerInnen sollten über ihre Erfahrungen und Gedanken zu dem Thema berichten und darüber diskutieren. Und natürlich wird da auch über die Musikszene in Südtirol gesprochen.

Wir sind viel in Schulen unterwegs und wissen, dass es ein großes Thema ist, das allerdings oftmals tabuisiert wird. Die SchülerInnen sollten über ihre Erfahrungen und Gedanken zu dem Thema berichten und darüber diskutieren.

Wurde der Hörmitschnitt, der jetzt anscheinend auf Handys zirkuliert von einem Schüler aufgenommen, der bei der Diskussion zum Thema Rechtesextremismus dabei war?
Ich weiß nicht, ob es wirklich einen Mitschnitt gibt. Aber eines ist jedenfalls klar: Wir wollten ganz sicher niemanden an den Pranger stellen.

Einige SüdtirolerInnen fühlen sich durch das Thema Rechtsradikalismus auf den Schlips getreten. Weil wir uns mit diesem Thema lieber nicht auseinandersetzen?
Das kann sein. Das Thema macht betroffen und nachdenklich. Und es gibt zu wenig geschichtliche Aufbereitung in Südtirol. Gerade deshalb ist es uns als oew wichtig, eine Diskussion zu entfachen, das Thema zu benennen und natürlich auch zu schauen, wie die Szene in Südtirol aussieht. Aber es liegt uns fern darüber zu diskutieren oder gar darüber zu urteilen, ob die Band frei.wild rechtsextrem ist oder nicht.

Wir wollen eine Diskussion anregen, aber es liegt uns fern darüber zu diskutieren oder gar darüber zu urteilen, ob die Band frei.wild rechtsextrem ist oder nicht.

Was hat das Jahresthema Identität für interessante Erkenntnisse gebracht? Wissen die Südtiroler SchülerInnen um ihre Identität?
Es hat sich bestätigt, dass sich Jugendliche mit dem Thema Identität stark auseinandersetzen. JedeR mit sich selbst, oder auch in Gruppen. Die Fragen „Wer bin ich?“, „Was macht mich aus?“, „Wie sehen mich andere?“ beschäftigen aber natürlich nicht nur Jugendliche. Die Themen der anderen Filme waren beispielsweise die Identität einer illegalisierten Jugendlichen oder die Suche nach den eigenen Wurzeln im interkulturellen Kontext.

Kamen außer Kritik aus der Zeitung auch konkrete Beschwerden aus einer Schule?
Nein, die Schulen sind alle sehr zufrieden mit unserer Art zu arbeiten, mit unseren Filmen, mit unseren Diskussionsrunden. Wie gesagt, die Schule vertrauen uns, freuen sich jedes Jahr auf die Filmbeiträge und sind sehr offen. Sie sind froh und sie wissen: Die Arbeit, die wir leisten, ist wesentlich.