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Lehren aus der Vergangenheit

Die Grünen kontern auf Ulli Mair: “Rechtsradikalen applaudiert man nicht, außer man identifiziert sich mit ihnen.” Parallel findet SVP-Senatorin Unterberger klare Worte.
Jena in Thüringen
Foto: Twitter/Katharina König-Preuss

Ein Blumenstrauß. Nicht in die Hand gedrückt, sondern vor die Füße geworfen. Damit brachte die Parteichefin der Linken in Thüringen am Mittwoch ihre Verachtung für das, was soeben geschehen war, zum Ausdruck. Nicht Bodo Ramelow, der bisherige Ministerpräsident, dessen Partei – die Linke – im Oktober die Landtagswahlen gewonnen hatte, war zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden. Sondern FDP-Kandidat Thomas Kemmerich hatte sich mit den (fünf) Stimmen seiner Fraktion und jenen der CDU und AfD zu Ramelows Nachfolger küren lassen. Rot-rot-grün, also eine Koalition zwischen Linke, SDP und Grünen verhindern – das war die Losung, die die CDU in Thüringen ausgegeben hatte. Mission geglückt!

Doch die Wahl Kemmerichs hat ein Erdbeben weit über Thüringen hinaus ausgelöst. Nicht nur, dass er das Mandat dank der AfD erhalten – und angenommen – hat. Nein, es ist ausgerechnet die Landespartei des rechtsradikalen Björn Höcke, die die notwendigen Stimmen beschaffte.

 

Während bei vielen das Entsetzen überwiegt und sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel Kemmerichs Wahl als “unverzeihlichen Vorgang” bezeichnet und Neuwahlen fordert – die wird es geben, denn am Donnerstag Nachmittag hat Kemmerich seinen Rücktritt bekannt gegeben –, fällt die Reaktion der Südtiroler Freiheitlichen überaus erfreut aus. “Erstmals verfügt Deutschland über einen FDP-Ministerpräsidenten, was in einem zunehmend nach links driftendem Deutschland erfrischend ist”, schreibt die Freiheitliche Landtagsabgeordnete Ulli Mair am Donnerstag Morgen. Prompt folgt die Antwort vom Grünen Co-Sprecher Felix von Wohlgemuth, der sich auf Facebook direkt an Mair wendet.
“Liebe Ulli, wie könnte es auch anders sein, sind wir zwei mal wieder nicht einer Meinung”, beginnt von Wohlgemuth seinen Post. “Die Thüringer AfD um Björn Höcke ist rechtsradikal und ich halte Dich für zu intelligent, als dass du das nicht erkennen würdest. Man klatscht Rechtsradikalen keinen Beifall, außer man identifiziert sich mit ihnen und ich hoffe doch stark, dass weder Du, noch Deine Partei, sich mit Personen wie Björn Höcke identifizieren.”

 

Unter anderem erinnert der Grüne Co-Srecher an Höckes Aussagen zum Holocaust-Mahnmal in Berlin. “Wir Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat”, hatte Höcke 2016 in einer Rede gesagt, in der er auch ein Ende “dieser dämlichen Bewältigungspolitik” forderte.
“Wer die Erinnerung an Millionen Tote als dämlich bezeichnet und das Holocaust-Mahnmal als Denkmal der Schande betitelt, wer sich ganz bewusst rechtsradikaler Rhetorik bedient und einen Führerstaat nachhängt, ist sicher keine ‘demokratisch berechtigte Partei’, wie Du in Deiner Aussendung glauben lassen willst”, so von Wohlgemuth.

 

Passender könnten die Zeilen, die Julia Unterberger am Donnerstag Mittag verschickt, in diesem Zusammenhang nicht sein. Tags zuvor war die SVP-Senatorin im Plenum interveniert, um sich für schärfere Gesetze auszusprechen, um die Verherrlichung von Faschismus und Nationalsozialismus zu verhindern. Wörtlich schreibt Unterberger:

“Das Verherrlichen von Nationalsozialismus und Faschismus fällt nicht unter die Meinungsfreiheit; es handelt sich dabei schlichtweg um ein Verbrechen. Als Gegenmittel ist es wichtig, die Erinnerung an die Judenverfolgung weiter wachzuhalten – gleichzeitig muss aber auch die Verbreitung entsprechenden Gedankengutes schärfer geahndet werden. Es ist erschütternd, dass 15 von 100 Italienern den Holocaust leugnen. Das einzige Gegenmittel gegen diese offensichtliche Bildungslücke ist das Wachhalten der Erinnerung – etwa mit Besuchen in den Konzentrationslagern. Dort werden die Gräuel von Nationalsozialismus und Antisemitismus greifbar. Es braucht aber auch eine härtere Bestrafung jener, die faschistische oder nationalsozialistische Gedanken verbreiten. Leider sind solche Gedanken in letzter Zeit wieder salonfähig geworden. Egal, ob es sich um den Faschistengruß in den Fankurven, rassistische Kommentare im Netz oder den Verkauf von Weinflaschen mit dem Antlitz von Adolf Hitler oder Benito Mussolini handelt – es gibt verschiedene Formen, um das menschenverachtende Gedankengut zu verbreiten: Allesamt dürfen nicht geduldet werden! Deshalb haben die Senatoren der Autonomiegruppe bereits am Beginn der Legislaturperiode einen Gesetzentwurf wiedereingebracht, der die Verschärfung des Mancino-Gesetzes vorsieht. Ich glaube, die Zeit für diese Gesetzesverschärfung ist reif: Es braucht strengere Regeln, die die erzieherischen Bemühungen hinsichtlich der Lehren aus der Vergangenheit flankieren.”