Community Highlight Community Highlight
Società | Eiertreter*in

Live-Ticker

Devid Hintertoler bestreitet einen Schaukampf in Eppan/Rungg gegen niemand geringeren als Jannik Sinner. Goggel Totsch putzt sich derweil die SS52 entlang. Verfolgen Sie live zwei Südtiroler bei der Arbeit.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Tennisball mit Netz
Foto: Pixabay
  • 09:17 Willkommen
    Herzlich willkommen zur IDM Trophy im TC Rungg! Beim einzigen international besetzten Tennisturnier Südtirols gibt es heute einen Schaukampf zwischen einem Monegassen mit Migrationshintergrund und unserem kometenhaft aufsteigenden Lokalmatador. Ab voraussichtlich 10:00 Uhr spielen auf Platz 1 Jannik Sinner und Devid Hintertoler.

  • 09:17 Willkommen
    Herzlich willkommen zu unserer Sendereihe „Beruf und Berufung“. Heute begleiten wir mit der Kamera einen der fast 480 Straßenwärter des Südtiroler Straßendienstes. Ab voraussichtlich 10:00 putzt Goggel Totsch - von Kollegen und Freunden ob des Bewegungsmusters seines Reisigbesens nur „Halbkreisingeneur“ genannt - die Reflektoren an den Leitpfosten und -planken der SS52 zwischen Innichen und Sexten.

  • 09:44 Sinner 2024
    Nach wie vor gilt Sinner als der aktuell formstärkste Spieler auf der Tour. Nicht nur auf dem Hartplatz überzeugt er mit seiner Leistung, er konnte seine Form auch auf die rote Asche übertragen. Allein beim Aufschlag schlägt die aktuelle Nummer zwei der Welt mittlerweile im Durchschnitt 18 km/h schneller auf, als noch in der vergangenen Saison. Dazu trifft der 22-Jährige nahezu immer die richtigen Entscheidungen auf dem Platz. Das führte zum ersten Grand-Slam-Titel gleich zu Beginn bei den Australian Open.

  • 09:44 Goggel Totsch 2024
    Nach wie vor gilt Goggel Totsch als der aktuell furchtloseste Straßenwärter im Straßenstützpunkt Toblach. Der Wahlener lässt sich weder von haarscharf vorbei donnernden Linienbussen noch von Sattelschleppern beeindrucken, die sich auf der Suche nach einer Abkürzung der Strecke Venedig-Verona-Brenner, ins Comelico und somit auf den Kreuzbergpass verirrt haben. Seine mentale Stärke für den Job holt sich der mit zwei linken Händen gesegnete vor Dienstantritt am Pudl der Zenzi, in die er seit der ersten Klasse Volksschule verliebt ist. Schon 13 mal hat er sich noch mehr Mut für eine Liebeserklärung angetrunken - leider ist sein „I hon di gärn“ in einem volltrunkenen Gelalle untergegangen.

  • 10:01 Einmarsch und Münzwurf
    In diesem Augenblick betreten unsere Protagonisten den Platz 1. Nach kurzer Vorbereitung trifft man sich zusammen mit dem Eppaner Stuhlschiedsrichter Franz Vorderwieser zur Wahl am Netz. Die Münze fällt zugunsten von Hintertoler, der sich für Rückschlag entscheidet. Anschließend spielen sich beide noch etwas ein.

  • 10:01 Anfahrt und Parken
    In diesem Augenblick fahren unser Protagonist und sein Arbeitskollege Toni an der Einfahrt nach Sexten vor und stellen ihren Kleintransporter - zu fleiß - direkt vor der Speedcheck-Box auf der gegenüberliegenden Seite ab. Der gerade blitzende Dorfputz muss notgedrungen sein Trappele abbauen und von dannen ziehen. Hier wird schnell klar, wer die Oberhoheit über den Straßenrand hat.

  • 10:27 Sinner - Hintertoler 5:0
    Hintertoler agiert mutig und versucht trotz der offensichtlichen Unterlegenheit, Druck aufzubauen, da Sinner in dieser ersten Phase des Spiels etwas müde wirkt. Die vierstündige Ballschlacht am Wochenende gegen Medvedev (oder war es Ruud? Nein Zverev. Oder vielleicht doch Tsitsipas?) scheint Spuren hinterlassen zu haben. Umsonst! Beim 15:40 überzieht Hintertoler seine Rückhand etwas und der Ball geht deutlich weg. Weiterhin kein Punkt für den Südtiroler.

  • 10:27 Kilometer 0,6
    Goggel Totsch wirkt heute etwas müde. Die vierstündige Pudltour am Wochenende, gleich nach der Frühmesse, scheint Spuren hinterlassen zu haben. Während er sich von Leitpfosten zu Leitpfosten putzt, sinniert sein Arbeitskollege in Begleitfahrzeug halblaut, dass der Monegasse mit Migrationshintergrund vermutlich nicht einmal mitbekommt, wie fein die Reflektoren gefeudelt wurden, wenn er nächtens zu einer Stippvisite zum Elternhaus in Sexten rauscht! Auch sei weder in der Zeitung, noch im Fernsehen berichtet worden als Goggel Totsch die Strecke Innichen-Sexten in neuer Rekordzeit geputzt hatte. Im Gegenteil: Das letzte Foto, wo er vor dem neu aufgestellten Ortsschild von Sexten posiert hatte - das von einem besoffenen Toaschtn niedergemäht worden war - hatte nur sein Schef geliked. Der Wahrheit halber, muss gesagt werden, dass Totschs Schwester ein Herzchen gepostet hatte. Er hätte einfach den falschen Social-Media-Manager, feixt Toni hinten aus dem Kleinlaster: Sinner beim Skifahren. Sinner bei der Fussball-Nationalmannschaft. Sinner beim Rollstuhltennis. Sinner beim Eisbeutel- und Handtuchverteilen für eine ohnmächtig gewordenen Zuschauerin. Sinner mit dem Ballmädchen unterm Regenschirm, während Carlos Alcaraz auf der anderen Seite des Netzes seine Gitsch mit dem Schirm, hinter sich im Regen stehen lässt. The Tennis Letter, ein Informationsdienst für Tennis-Enthusiasten auf der Plattform X, kommentiert dazu: „Pure class on the court & pure class as a human being.“
    Was? Letzteres haben Sie schon mal so gesehen? Genau, 2014 bei den French Open bei der Partie Novak Djokovic gegen Joao Sousa, machte auch der Serbe für den Balljungen Platz. „Besser gut kopiert als schlecht erfunden, wird sich das in Sexten gebürtige „Human being“ vermutlich gedacht haben“, ätzt Toni.
    Dafür erntet er böse Blicke. Er wäre jetzt viel lieber in Eppan, denn da bestreite Jannik Sinner heute einen Schaukampf, als sich diese bösartigen Seitenhiebe anhören zu müssen, outet sich Goggel Totsch als beinharter Fanboy.

  • 10:35 2. Satz
    Nun ist es an Hintertoler, den Satz zu eröffnen. Der erste Punkt geht aufgrund eines leichten Fehlers weg. Doch umso besser läuft es im folgenden Ballwechsel. Jetzt hat der Südtiroler die Ruhe, wartet auf den richtigen Moment und zieht die Rückhand blitzsauber die Linie runter.

  • 10:35 Kilometer 0,6
    Nun ist es an Goggel Totsch, für beide eine Nazionale ohne Filter anzuzünden. Der erste Zug geht in einem ungesund klingenden Huster weg, den er mit einem langen Schluck aus seiner  Thermoskanne lindert. Toni vermutet schon seit Jahren, dass darin nicht eine Mischung aus Rooibos/Kamille schwappt, wie Goggel Totsch (Drei-Finger-aufs-Herz) schwört, sondern seine Lieblingsmarke „In vino veritas“ - 55 Cent das Tetrapak.
    Die beiden Straßenwärter diskutieren lebhaft darüber, ob der Tennis Drain Tourismusabgabe zahlen muss, wenn er im Ferienwohnungshaus von Mama und Papa übernachtet? Oder ob sein Kinderzimmer als Zweitwohnungssitz gilt und somit für die paar Quadratmeter der höhere IMU-Satz zu zahlen ist? Ortstaxe eher nicht, erwidert Toni. Nach allem was man aus Sexten so höre, müsse der Tourismusverein für das Konterfei des Wunderkindes auf den paar Wimpeln im Dorf sogar bezahlen. Gelte sicher nicht für das Plakat an der renovierungsbedürftigen Tennishalle im Sportzentrum, verteidigt Goggel Totsch: „Das „Biabl“ wird sicher ohne viel Aufhebens bei der Finanzierung aushelfen.“
    Zum Dank würde die Halle dann nach ihm benannt, lästert der Kollege. Dazu gebe es - HimmelseiDank - einen Präzedenzfall: Schon mit der Bibliothek „Luis Durnwalder“ der UniBZ hätte man jede Scham hinter sich gelassen und honorigen Schlitzohren zu Lebzeiten einen Heiligenschrein gesetzt.

  • 10:40 Sinner - Hintertoler 6:0 2:0
    Sinner serviert mal wieder in den Körper, provoziert einen Not-Return. So kann der Davis-Cup-Sieger ins Feld treten und seine Vorhand gegen die Laufrichtung des Konkurrenten setzen.

  • 10:40 Kilometer 0,7
    Der „Halbkreisingeneur“ legt nun einen Zahn zu. Bis Mittag möchte er am Abzweig Wildbad sein. Er überschlägt für die Kamera, was den Südtiroler Steuerzahler seine Dienste für diese zwei Kilometer kosten werden. Gleichzeitig fügt Toni süffisant hinzu, dass der Monegasse mit Migrationshintergrund daran keinen Anteil habe. „Der Jannik kann jederzeit meine Straße benutzen“, erwidert Totsch. „Meine Straße“ verwendet er ohne phonetische Anführungszeichen oder sonstige Betonung. Man glaubt dem Straßenkehrer sofort, dass dies „seine“ Straße ist. Wieder einmal bestätigt sich auf wunderbare Weise der Titel unserer Sendereihe „Beruf und Berufung“. Aus dem Vorgespräch wissen wir, dass dem ein langer Weg vorausging: abgebrochenes Literaturstudium, Bademeister, Photoarchivar einer großen Werbeagentur in Berlin, Äpfelklauber, Saisonsjobs im Tourismus … eine Karriere mit Brüchen, doch letztlich hat hier ein Suchender seine Bestimmung gefunden.

  • 10:51 Sinner - Hintertoler 6:0 4:1
    Die kurze Drangphase von Hintertoler scheint nur von kurzer Dauer gewesen zu sein, denn Sinner ist im Returnspiel wieder am Drücker. Zügig stellt der 22-Jährige auf 40:15 und kommt dank seiner Vorhand inside-out dem nächsten Break näher. Direkt der erste Breakball sitzt, denn der Südtiroler wird zu lang von der Grundlinie aus, 4:1!

  • 10:51 Kilometer 0,8
    Die kurze Drangphase von Goggel Totsch scheint nur von kurzer Dauer gewesen zu sein, denn nun schlurft er wieder von Reflektor zu Reflektor. „Ich schweife ab“, sagt der Straßenwärter, nach einem kurzen Ausflug in die Politik, in dem er mit abfälligen Bemerkungen die Faschisten in Rom und Bozen kommentiert. Das Gespräch kommt zurück auf den derzeit berühmtesten Sohn Südtirols. Hätte er, Goggel Totsch, die Möglichkeit, würde er seine Steuererklärung auch schönrechnen oder dahin ziehen, wo man gar keine zahle, aber leider werde sein Obolus direkt auf dem Lohnstreifen abgezogen. Und das englische Wortspiel Tax-Sinner, also Steuersünder, ist auch so was von gemein. Schließlich habe sich der Jannik dank seiner Arbeit, seiner Kunst, über die mediokre Kleingeisterei dieses Landes erhoben - und mit der gleichzeitig demonstrativ hervorgekehrten Bescheidenheit seiner Herkunft, die Fama dieses Landes und seiner Menschen in eine andere Liga katapultiert. Was ein Reinhold Messner, Markus Lanz, Giorgio Moroder oder der Nischensportler Gustav Thöni nie geschafft hätten, sei Jannik Sinner gelungen: Das von genetisch bedingten Minderwertigkeitkomplexen geplagte Land werde endlich wahrgenommen: Wir sind Tennisnation!

    Apropos Skisport. Natürlich habe man 2010 mit den Schweizer Konten der Skigitschen eine Ahnung bekommen, wie Sportler Geld am Fiskus vorbei manövrieren, aber so professionell - mit einem Umzug nach Monte Carlo (wegen der besseren Trainingsmöglichkeiten, versteht sich) ist noch kein Südtiroler Steueroptimierer angegangen. Das verdiene Respekt! Genau den Respekt, den man auch einer ganzen Berufsgruppe verwehre: Den 0-Euro-Steuer-Bauern. Bände sprächen die Reaktionen im Netz zur Steuererklärung 2022 der Dreifaltigkeit des populistischen Rechtsextremismus. Darüber müsse man schnell ein Kreuz schlagen: Im Namen des Bauern und des Skilehrers und des schwurbelnden Schützen. Amen.
    Die Giftpfeile eines Vasco Rossi mit seinem Sager: „Le tasse vanno pagate in Italia”, seien daher nur schäbig. Er würde ja eh keine walsche Musik hören, sondern nur 80er und House, aber ein Vasco Rossi käme jetzt ganz sicher nicht mehr auf seine Playlist, empört sich Goggel Totsch. 
    Er verstehe nicht, dass im Land die Nase gerümpft werde; nicht alle kollektiv in die Chorgesänge der Carota Boys - des verrückten Fanklubs von Jannik Sinner - einfallen würden? Schließlich habe Sinner auch einiges auszuhalten und verweist dann auf das dilettantische, hochnotpeinliche Video der Medienkrake: Preisübergabe zum Sportler-des-Jahres-2024. Ganz zu schweigen von der Umarmung des Premier mit den zwei Melonen nach den Australian Open. Und es sei eine Lüge, dass Preisgelder im Tennis unversteuert wären: Die 1.949.949 Euro für den Grand Slam-Sieg in Melbourne seien vom australischen Fiskus mit 40 Prozent belastet worden. Gut, bis zur Pensionierung wird man beim Straßenkehren, alles zusammengerechnet, vermutlich nicht 1,16 Millionen verdient haben, aber dafür habe Sinner 3:44 Stunden wie ein Pferd geackert und mit seiner Energieleistung einen 0:2-Satzrückstand aufgeholt. „Wenn man zu Mittag nicht in Wildbad ist, holt man das nie mehr auf – Energieleistung oder nicht“, fügt Goggel Totsch dann lakonisch hinzu.

  • 11:09 Fazit
    Jannik Sinner besiegt Devid Hintertoler in nur 1:09 mit 6:0, 6:1 und gibt dem derzeit besten Südtiroler Tennisspieler eine Gratis-Lehrstunde in Sachen Schläger und Filzball.

  • 11:09 Fazit
    Nach einer unheimlichen Begegnung der dritten Art mit einem Wohnwagenpiefke, der sein wertes Hinterteil nur um Millimeter verfehlt hat, braucht Goggel Totsch jetzt erst mal einen starken Kaffee bei der Zenzi (corretto oder nicht, bleibt an dieser Stelle sein Geheimnis) und steigt fluchend und brottelnd zu Toni in den Wagen. „In meinem nächsten Leben werde ich auch Tennisspieler, da ist’s gut wenn es haarschaft Longline geht. Und die 10 Prozent IVA auf einen Schwarzen am Pudl, zahl ich dann auch nicht mehr. Wenn du erst mal genug Kohle hast, wirst eh immer eingeladen.“