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Babler statt Doskozil SPÖ-Chef

Super-GAU bei Registrierung der Delegierten-Stimmen. Schock in der SPÖ – Spott und Häme der anderen Parteien.
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Foto: Facebook
Unfassbar, unglaublich, beschämend….die Kommentare zum neuerlichen Polit-Erdbeben in der österreichischen Sozialdemokratie gehen vom ungläubigen Kopfschütteln bis zu bissigen Häme. 
Schon am Samstag hatte sich der ORF-Moderator Martin Thür auf Twitter gewundert, dass beim offiziell bekanntgegebenen Abstimmungsergebnis die Gesamtsumme der Stimmen für die beiden Kandidaten für den Parteivorsitz Andreas Babler und Hans Peter Doskozil nicht mit jener der von den Parteitagsdelegierten abgegeben Stimmen übereinstimmt – es fehlte eine Stimme. Als Thür dann die Vorsitzende der Wahlkommission darauf ansprach, versprach sie, sich das „noch einmal anzuschauen“. Das tat sie allerdings nicht sofort.
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Eine Nacht-SPÖ-Vorsitzender Hans Peter Doskozil: Rückzug aus der Bundespolitik.
 
 
Erst am Montag stand nach nochmaliger Kontrolle fest: bei der Eintragung der Stimmen in eine Excel-Datei wurden sie vertauscht. Nicht Doskozil war mit 53 zu 47 Prozent der Sieger, sondern umgekehrt. Jetzt soll das korrigierte Ergebnis Babler 52,7 – Doskozil 46,5 Prozent lauten. Die Betonung liegt auf „soll“. Denn Andreas Babler sagte in einer ersten Stellungnahme, er werde die Funktion erst dann annehmen, wenn eine genaue, transparente Überprüfung des Ergebnisses inklusive der Fehlerursachen gemacht wird. 
Betont gefasst und ohne da und dort schon aufkeimende Verschwörungsgerüchte zu verstärken, akzeptierte Hans Peter Doskozil das neue von der Wahlkommission verlautbarte Ergebnis und somit die Aberkennung seines Sieges. Zugleich erklärte er seinen Rückzug aus der Bundespolitik, bleibt aber Landeshauptmann von Burgenland.
 

Desaster für Image und Vertrauen

 
Der Schock und die Verunsicherung in der SPÖ sind enorm. Von Landeshauptleuten, Bürgermeistern bis hin zu einfachen Aktivisten zeugen die Stellungnahmen und Kommentare von geknickter Erschütterung. Nachdem schon die Organisation und der Streit über die Spielregeln bei der vorangegangenen Mitgliederbefragung über Wochen für Polemiken gesorgt hatte, steht die traditionsreiche und staatstragende Volkspartei plötzlich als aus den Fugen geratene Chaostruppe da. #
 
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SPÖ-Sonderparteitag in Linz: Traditionsreiche und staatstragende Volkspartei steht plötzlich als aus den Fugen geratene Chaostruppe da.
 
 
Die anderen Parteien und der Großteil der Medien sparen nicht mit hämischen Kommentaren. Wenn eine Partei bei einem so wichtigen Sonderparteitag zur Wahl ihres Vorsitzenden nicht imstande ist 600 Delegiertenstimmen korrekt auszuzählen, ist sie dann noch fit, um das Land in Zeiten allgegenwärtiger schwerer Krisen mit sicherer Hand zu regieren? Und noch ist die Krise ja nicht überstanden – wer weiß, was die von Babler zu Recht geforderte neuerliche Überprüfung des Wahlvorgangs und des Ergebnisses bringt. Bereits heute am Dienstag wird die Stimmenauszählung noch einmal wiederholt.
 

Sind ÖVP und Grüne versucht Neuwahlen zu provozieren?

 
Aber selbst, wenn das derzeitig neue Abstimmungsergebnis als korrekt von allen akzeptiert wird, stehen Andreas Babler und die gesamte SPÖ vor außerordentlichen Herausforderungen. 
Der Start des neuen Chefs ist kein triumphaler, sondern verpatzt. Die Partei wird sich weiterhin wochenlang mit sich selbst und ihrer internen Aufarbeitung des blamablen Desasters beschäftigen. Und Babler will ja den Gesamtkurs der Partei neu ausrichten. Dazu braucht es nicht nur eine organisatorische Neuordnung und Postenbesetzungen, sondern vor allem umfassende inhaltliche Diskussionen über konkrete programmatische Linien.
Die Partei wird sich weiterhin wochenlang mit sich selbst und ihrer internen Aufarbeitung des blamablen Desasters beschäftigen.
Das braucht Zeit. Zeit, die der SPÖ vielleicht nicht bleiben könnte, denn viele Beobachter und Spin-Doktoren glauben, dass die regierende Volkspartei und die Grünen die Gunst der Stunde nützen und vorzeitige Neuwahlen im kommenden Herbst ausrufen könnten.