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Mehrsprachig feilschen

Seit dem 12. Jahrhundert war Bozen ein wichtiger Handelsplatz, an dem Kaufleute aus Nord und Süd aufeinandertrafen. Das machte die Stadt wohlhabend
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- und sorgte auch für sprachlichen Reichtum.

Amsterdam, Frankfurt, Kopenhagen, London, Prag, Reims,…: die Bozner Kaufmannsfamilie Menz hatte beeindruckend weitreichende Geschäftskontakte. Allein im Jahr 1784 gingen aus der Zentrale fast 600 Briefe in 65 verschiedene Städte jenseits der Alpen. Richtung Süden war die Korrespondenz noch intensiver: 1505 Briefe wurden im selben Jahr nach Bergamo und Venedig, Verona, Padua, Mantua, Triest oder Reggio Emilia verschickt. Und woher Post kam! Aus Argentinien gingen Briefe ein, aus Schweden, aus dem Russischen Reich! „Das Handelsbozen jener Zeit war extrem breit vernetzt“, sagt Rita Franceschini, Sprachwissenschaftlerin und Leiterin des Kompetenzzentrums Sprachen der unibz. Sie hat die Erforschung des Menzschen Geschäftsarchivs in Angriff genommen: angesichts der Fülle des Materials – 52 Kisten mit jeweils 2000 bis 4000 Dokumenten – vorerst mit einer „Sondierbohrung“ in besagtem Jahr 1784. Wobei Franceschini, zusammen mit der Forscherin Chiara Meluzzi, vor allem der Aspekt Sprache interessiert:  Wie ging man in der Handelsstadt Bozen, wo Kaufleute aus Venetien und dem germanischen Raum aufeinandertrafen, sprachlich miteinander um? Aus der Korrespondenz der Menz zu schließen: flexibel. „Man passte sich der Sprache des Käufers an“, sagt Franceschini. Bestätigt wird dieses Bild durch einen zweiten Dokumentenschatz, den die Forscherinnen für ihre Analyse der „historische Mehrsprachigkeit“ ebenfalls ausschöpft: das Archiv des Merkantilmagistrats. Das war eine Art Vorläuferinstitution der Handelskammer, zu deren Aufgaben es unter anderem gehörte, Handelsstreitigkeiten zu schlichten – ein Kaufmann, dem ranziges Öl untergeschoben wurde, wandte sich zum Beispiel an den Merkantilmagistrat. Dass es in Bozen seit 1634 so eine Institution gab, bezeugt schon die Bedeutung der Handelsstadt, in der vier große Märkte im Jahr stattfanden. Aus Sicht der Sprachwissenschaftlerin ist aber vor allem bemerkenswert, dass der gesamte Verwaltungsapparat des Magistrats zweisprachig war: deutsch- wie italienischsprachige Beamte wechselten sich ab, und an den Handschriften kann man erkennen, dass manche beide Sprachen beherrschten. Doch auch Französisch, damals die internationale lingua franca, wurde verwendet, vor allem im Kontakt mit weiter entfernten Geschäftspartnern wie er sich im Stoffhandel häufig ergab.

Die Menz handelten ebenfalls mit Stoff. Doch das war nur eine ihrer zahlreichen geschäftlichen Aktivitäten, die so einträglich waren, dass der Familie um 1800 halb Bozen gehörte. Dass die erfolgreichen Kaufleute auch Sprachkenntnisse als Kapital begriffen, bezeugt ein Brief der 13jährigen Eleonora Menz an ihren Vater, der sie für den Sommer in eine italienischsprachige Stadt in Obhut gegeben hatte: „Carissimo Sign. padre“, schreibt das Mädchen 1816, „Eccola una lettera italiana, giacché mi commando´nella sua che le scriva in questa lingua.“

Bozen war schon lange eine wichtige Handelsstadt zwischen Norden und Süden, als sie 1635 eine Institution erhielt, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung Rechnung trug und sie noch untermauerte: den Merkantilmagistrat. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehörte es, in Handelsstreitigkeiten zu entscheiden – besonders aktiv war er deshalb während der vier jährlichen großen Märkte.

Was aus der bis 1851 dauernden Tätigkeit des Magistrats erhalten ist – Akten, Klageschriften und andere Prozesspapiere, politische Briefe und vieles mehr – wird heute im Provinzarchiv aufbewahrt: 90 Meter Dokumente. An Sprachen findet sich dort neben Deutsch und Italienisch auch Latein, Französisch und Englisch.

Die Menz waren um 1800 die reichste Bozner Kaufmannsfamilie, ihr Palais in der Mustergasse gehört zu den bedeutenden Patrizierhäusern der Stadt. Die geschäftlichen Tätigkeiten der Familie waren vielfältig,  der Tuchhandel nahm aber einen wichtigen Platz ein.

Das Geschäftsarchiv der Familie, heute im Besitz der Grafen Toggenburg und aufbewahrt in der Handelskammer, umfasst Briefe, Bestellschreiben und Rechnungsbelege von 1730 – 1846: 52 Holzkisten mit je 2000 bis 4000 Dokumenten auf Deutsch, Italienisch oder Französisch.

Etwa drei Viertel der erhaltenen Korrespondenz, sowohl aus dem Archiv der Menz wie des Merkantilmagistrats, ist auf Italienisch. Deutsch sind etwa ein Fünftel der Briefe. Sechs Prozent der Briefe sind auf Französisch, damals eine Art lingua franca die vor allem im Kontakt mit weiter entfernten Geschäftspartnern verwendet wurde. 

 

Bozen

Im Jahr 1784 gingen in der Geschäftszentrale der Menz Briefe aus 112 verschiedenen Städten ein: aus Italien, dem Habsburgerreich und Deutschland, aber auch aus Frankreich, England, Schweden, Belgien, Holland, Dänemark, dem Russischen Reich, Argentinien … insgesamt aus 16 heutigen Staaten.

Im gleichen Jahr wurden von den Menz Geschäftsbriefe in 69 italienische Städte geschickt, vor allem nach Verona und Venedig. Auch über die Alpen gingen Briefe in über 60 verschiedene Städte, die meisten nach Augsburg, Nürnberg und Wien, aber auch in so weit entfernte Metropolen wie Amsterdam und London.

Im Archiv des Merkantilmagistrats finden sich für das Jahr 1784 247 Briefe, verfasst vor allem während der großen Märkte und mit Adressaten in 26 verschiedenen Städten; mehr als die Hälfte der Korrespondenz hatte aber Empfänger in Bozen. 

von Barbara Baumgartner

 

Academia #75 - September / Settembre 2016

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