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Società | Eiertreter*in

Fit for fun

Junge, Alte, Dicke, Dünne, Dumme, Gscheite. Es gibt keinen demokratischeren Ort als mein Fitnessstudio. Könnte man eins zu eins in den Landtag hieven. Ganz Südtirol könnte sich darin wiederfinden.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Fitnessstudio
Foto: Danielle Cerullo auf Unsplash
  • Habe ich schon erwähnt, dass ich seit zwei Jahren an einem BBP-Projekt arbeite? Nein, Nein: Keine Public-Private-Partnership, die meist darin besteht, dass die öffentliche Hand einen Haufen Steuergeld verbrennt und der Private dann ordentlich abkassiert. BBP steht für Bauch-Beine-Po und jedes mal wenn ich aus dem Fitnessstudio komme, habe ich danach drei Tage Muskelkater. Der Spruch „Schönheit muss leiden“ wird völlig überbewertet - denke ich dann. Andererseits möchte ich nicht, dass es mir wie der Babsi, der Chefschreibling*in der Medienkrake geht, wo du schneller oben drüber gesprungen bist, als außen rumgegangen. Und so quäle ich mich zwei mal die Woche an Lat Machine und Pec Deck.

    Willkommener Nebeneffekt ist, dass du, wie unter einem Brennglas, einen Blick auf Herrn und Frau Südtiroler werfen kannst, der aussagekräftiger nicht sein könnte. Morgens die Rentner und Campari-Hausfrauen, Karpf mit Nachtschicht. Nachmittags Oberschüler oder Bürohengste, die vor dem Abendessen noch etwas Zeit totschlagen, um nicht sofort zu den nervigen Kindern nach Hause zu müssen. Zartelen, wo man Angst haben muss, dass sie sich mit der 1-kg-Hantel weh tun, wenn die hinterm Gnagg auf-und-ab gewuchtet wird. Der Türsteher vom Maturaball deines Letzen, dessen Oberarme dir in Erinnerung geblieben sind, weil sie dicker sind als deine Oberschenkel. Klar hat mein BBP schon etwas Früchte getragen. Der Typ auf dessen Trainingsanzug in grünen Lettern „Personal Trainer“ steht, sagt immer sie seien „tonificati“. Hoffe das ist ein Kompliment, weil mit dem Walschen habe ich es nicht so.

  • Der Immigrato

    Hab’s mit den Italienern wie der Immigrato, der einmal im Monat für lediglich drei Tage Training aus Innsbruck kommt. Ich habe nie verstanden welchen Effekt das haben soll? Mittlerweile glaube ich, der kommt nur für seine Show: Ein Gestöhne und Geschrei ist das immer, wenn er seine Bizeps trainiert - da hörst du ihn durch den ganzen Raum. Dabei reicht ein Blick an welcher Gewichtsmarke der Dorn eingesteckt ist, um zu wissen, dass da ein absolutes Leichtgewicht zu Werke ist. Ist nichts dahinter: Ein Potemkinsches Dorf.
    Erinnert mit seiner Boxerfrisur und dem wie mit der Rasierklinge gezogenen Scheitel an einen Typ, dessen Insta-Profil mir aus unerfindlichen Gründen immer wieder vorgeschlagen wird. (Der Klick auf diesen Link geschieht auf eigene Gefahr).
    Gott habe ich gelacht! Am besten hat mir das mit der Arena von Verona gefallen. Wie er so selbstgefällig dasitzt. Mit Fliege und Vatermörder. Fesch! Nun weiß jeder, der schon mal auf den altehrwürdigen Stufen eine Aida oder einen Nabucco durchgesessen hat, dass die Steintreppen die billigsten Plätze der Freilichtoper sind. Und niemand käme auf die Idee, sich dort mit Anzug und Papillon hinzusetzen (wie man an den leger gekleideten Menschen im Hintergrund unschwer erkennen kann). Bis vor ein paar Jahren konnte man dort - am weitesten weg von der Bühne - vor der Aufführung noch picknicken. Was sich für die Schlippsträger ganz vorne auf den bequemen, überteuerten Poltronissime natürlich nicht schickt ;-) Mein erster Gedanke war: Tschöggl goes Opera. Der zweite: Da hat einer einen Publicitystunt nötig. Das übliche, glattgezogene Partyleben im Internet für 5.430 Follower. Arme Kreatur. Sein Lebensmensch sollte ihn mal wieder feste knuddeln. Ich schweife ab.

    „Zeige mir dein Instagram-Profil und ich sage dir wer du nicht bist“, möchte ich allen Schaumschlägern zurufen, die ein Stativ mit Handy vor der Bench Press positionieren. Und dem Immigrato in meinem Studio sollte ich in einem unbeobachteten Augenblick an der Arm Curl Machine den Dorn bei 35 Kilo einstecken. Dann müsste er mal liefern; sein Gebrülle wäre dann zur Abwechslung mal echter Anstrengung geschuldet.

  • Der Skilehrer

    Im Studio kennt ihn jeder, weil er am lautesten schreit. Also noch lauter als der Immigrato. Ich finde, dass er damit regelmäßig rote Linien überschreitet. Der Unterschied ist, dass der Immigrato so eine gekünstelte Empörung hat, wenn er laut wird. Der Skilehrer, wie ich ihn nenne, versucht sich hingegen in lustigen Wortschöpfungen, wenn jemand mit dem Handtuch stundenlang die Maschine reserviert hat. (Ja, die deutscheste aller Untugenden wurde bei uns sehr schnell übernommen).

    Sein Rauschebart soll vermutlich das Heldentum von Anno 1809 auf ihn herabbeschwören. Hat auch funktioniert - allerdings ist er Anno 2025 nur ein Maulheld. Ein Witz mit einem noch längeren Bart geht in etwa so: Ich bin eine Mischung aus Albert Einstein und Arnold Schwarzenegger - von Einstein die Figur, vom Schwarzenegger das Gehirn. Erzählen natürlich nur Kraftsportler mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Hat der bärtige Skilehrer leider überhaupt nicht. „Eier, Südtirol braucht Eier“, schwadroniert er immer. Muss als eine Art Pluralis Majestatis verstanden werden. Südtirol bräuchte ihn; den Mann mit dem grenzwertigen Testosteronspiegel. Ob er „Testosteronspiegel“ richtig buchstabieren könnte, ist eine andere Frage.
    Ich glaube der Skilehrer hält seine wirren Gedanken für Philosophie. Das endet oft damit, dass er unverständlich von „existenzialistischem Eiweiß“ schwadroniert, was auf ein Missverständnis seinerseits über Sartre und einen Proteinshake hindeutet, denn der Skilehrer ist mental genauso schwer wie ein Satz Kettlebells. Dazu muss man wissen, dass er seit dem 11. März 2020 auf Diät ist. Weil er seine sechs Liter Blutvolumen für den Bizeps braucht, hat er einfach das Denken eingestellt, damit im Oberstübchen nicht sinnlos Hämoglobin vergeudet wird.

  • Die Blonde

    Was die Strohblonde in unserem Studio macht ist mir bis dato unklar. Die pumpt nie, die macht Tai Chi. Steht da immer ganz verloren im Aerobic-Saal, hebt und senkt ihre Arme, dreht um die Mittelachse … Einmal während Corona habe ich sie auf den Talferwiesen mit den anderen Tai Chi-Fanaten gesehen. Da wäre sie auch heute besser aufgehoben - wenn ich mich recht erinnere, hat so ein Guru aus Meran zu mehr Frischluft und Atemübungen geraten.
    Die Blonde kam irgendwann auf die Idee, dass es im Leben nur zwei Dinge gibt: Tai Chi und... naja, das war’s dann auch schon. Der Rest? "Macht nichts, mach weiter, Bro." Am Montag übt sie die Bewegungsfigur „Wolkenhände“, am Dienstag „Die Mähne des Wildpferds teilen“, am Mittwoch „Weiße Schlange spritzt Gift“, am Donnerstag wieder die Wolkenhände (weil das ja „noch mehr“ bringt, klar), und am Freitag… naja, da geht’s eigentlich nur noch darum, den Aerobic-Saal ordentlich auszufüllen. Schad ums Geld. Ist ein bisschen so wie bei den bedauernswerten Obesen, von denen alle drei, vier Wochen einer durch die Drehtür schneit. Als Motivationsschub wird gleich der ganze Jahresbeitrag gelöhnt und einen Monat später werfen sie das schweißnasse Handtuch. Sollte die Blonde auch mal versuchen.

  • Der alte Sack

    Da steht er; wie ein Denkmal aus Proteinpulver und Eitelkeit, die Brust so aufgeblasen wie seine Erinnerungen an die Mr.-Südtirol-Wahl 1997. Der alte Sack, den alle nur den Bizeps-Bischof nennen, predigt noch immer vom Altar der Hantelbank. Seine Muskeln sind inzwischen mehr Mythos als Masse, doch das stört ihn nicht: „Südtirol braucht mehr Bodybuilder. Bodybuilder wie mich“, ruft er beim Frühschoppen, während er mit einem Espresso seine Creatin-Kapseln runterspült. Ich habe meine berechtigten Zweifel, ob dieser Anspruch zu irgend einer Zeit seine Berechtigung hatte?

    Vor zwei Jahren hat man ihn aus dem Ausschuss seines Bodybuildervereins geworfen, weil er den Präsidenten beleidigt hat. Daraufhin hat er seinen eigenen Verein gegründet: „Für ästhetische Südtiroler mit dem Bodybuilder“. So ein grenzdebiler Name muss dir erst mal einfallen. Und was reißt er jetzt? Nichts. Weder beim Deathlift, noch sonst. Der Machtverlust hat ihn merklich altern lassen. Warte, wie war das Zitat von Giulio Andreotti: „Il potere logora chi non ce l'ha“? Wenn der alte Sack von Maschine zu Maschine schlurft, kann man zusehen wie das Zitat mit jedem Schritt wahrer wird. Jetzt versucht er mit der Schweißbandage an der Stirn das letzte bisschen Restglanz der Jugend aufzupolieren. Im Spiegel sieht er weniger aus wie der nächste Mr. Olympia, als wie ein missglückter Versuch einer modernen Statue von David. Sie wissen schon - wo die Proportionen völlig aus dem Ruder gelaufen sind. In Wahrheit kämpft er nicht für ewige Jugend, sondern gegen die Schwerkraft, die ihn auf den harten Boden der Tatsachen zwingt - und verliert, jeden Tag ein bisschen mehr. Muss hart sein, wenn dein Spiegelbild vom Komplimentemachen zum stummen Zeugen deines Verfalls mutiert. „Fürs Altern braucht es Mut“, sagte mein Tate immer und am mutlosesten seien die alternden Narzisten.

  • Die Mehrheit

    Die Mehrheit im Studio hat kein Programm … oder zwei. (Wegen des Rotationsprinzips, damit sich die Muskeln nicht an die immergleiche Belastung gewöhnen). Entweder macht die Mehrheit der Mitglieder seit Jahr und Tag das selbe Zirkeltraining oder äfft nach, was andere vormachen. Damit es nicht auffällt, wird die Anzahl der Serien oder Wiederholungen leicht geändert. Ist gefühlt seit der Eröffnung des Studios dabei. Lebendinventar, das von sich glaubt, ohne es müsste das Studio zusperren. Ein bisschen so wie die Urlauber-Piefke mit 50-jähriger Treueurkunde, die glauben sie gehören zur Familie - und man selbst es kaum erwarten kann, bis sie wieder abreisen.

    Seit kurzem trainiert der Faschist mit der Mehrheit. Eindeutig Schläger. Wie Faschisten eben so sind, wenn ihnen die Argumente ausgehen. Also immer. Ballt die Faust und lässt als präventive Drohung die Adern an seinem Bizeps heraustreten, wenn man ihm sagt er solle die Hanteln bitte dahin zurücklegen, wo er sie hergenommen hat. So eine Art physische SLAPP-Klage. Eigentlich müsste ich ihm noch viel mehr sagen. Beispielweise, dass er sein Doping umstellen soll: Anabolika statt Speck. Er ist in letzter Zeit merklich abgemagert. Hängt sicher damit zusammen, dass ein walscher Magen - trainiert mit mediterraner Küche - aus geräucherten Schweinehammen keine Nährstoffe ziehen kann.
    Wenn ich den Faschisten sehe, werde ich selber aggressiv. Da muss ich schnell fünf Kilo mehr drauflegen, um mich auszupowern. Faschisten gehören in die finsteren Löcher zurückgetreten, aus denen sie gekrochen sind. Das ist das Stichwort: Treten! Wofür sonst sollten die zwanzig Minuten Kardio auf dem Stepper gut sein? Treten.