Società | Eiertreter*in

Verzupf di!

Mein ganz persönlicher Abschiedsbrief, an jemanden, der mein vergangenes Jahr heftig durcheinander gewirbelt hat.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Brief
Foto: Pixabay

Lieber **********,

es fällt mir schwer diesen Brief zu schreiben. So viel ist in den letzten zehn Monaten passiert. Nie hat jemand mein Leben, ja meine Welt so auf den Kopf gestellt wie Du - aber ich bin müde. Ich bin völlig ohne Kraft und ich kann und möchte unsere Beziehung nicht länger aufrecht erhalten.

Du musst Dir keine Schuld auferlegen - es liegt ganz sicher ausschließlich an mir, aber ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich diese Entscheidung zu meinem eigenen Wohl treffen muss.

È semplice: Wir passen nicht zueinander, haben völlig andere Interessen und Gewohnheiten, obwohl ich lange nach Wegen gesucht habe, auf denen wir ein Stück weit zusammen gehen können. Ich möchte gerne ins Kino, ins Theater, morgen Abend spontan auf ein Konzert nach München, während Du am liebsten unsere Abende vor dem Fernseher verbringst: Babylon Berlin, Die verlorene Tochter, The Queen's Gambit, Das Boot 2, Tatorte en masse. Ich weiß noch wie wir gelacht haben, als Du vorgeschlagen hast, alle Hobbit- und Herr-der-Ringe-Filme in einem Rutsch zu schauen - damals im März. Sich alle neun Star-Wars-Folgen inklusive der zwei Spin-offs reinzuziehen war dann schon ermüdend. Der Vorschlag, auch die Schwarzwaldklinik komplett zu gucken, die wird beim Ausmisten des Kellers in einem Karton gefunden hatten, fand ich dann komplett gaga - um nicht abartig zu sagen: Doktor Brinkmann und Sascha Hehn als Schnösel vom Dienst? Hallo?! Krass, dass Du auf Ebay tatsächlich nach einem gebrauchten VHS-Player gesucht hast.

Gut, Du tanzt nicht gerne, aber Du wolltest auch nicht, dass ich mit den Mädels losziehe, um eine Nacht auf den Putz zu hauen. Irgendwann wolltest Du nicht einmal mehr zum Klettern oder simplen Spazierengehen ... aus der eigenen Gemeinde. Du wolltest einfach zu Hause bleiben, Punkt. Auch keine Freunde einladen: Im Garten grillen, Haustörggelen, eine Keksparty. Nix, nada. Du wolltest nur mich. Ganz und gar. Nur dich.
Ich habe noch nie eine so symbiotische Beziehung gehabt. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich nie - hörst Du - nie wieder eine will! So ansteckend dein Wesen ist, nun ist nichts mehr da, was mich zu Dir zieht. Kein Gefühl; nur Wut, blanke Wut, Wut, dass ich fast ohnmächtig werde. Die Wut auf mich selbst, dass ich Dich in meine Welt gelassen habe und es wird lange dauern von diesen negativen Gefühlen zu gesunden (absurderweise sagen heute alle "Negativ" ist gut).

Du hast meine ganze Aufmerksamkeit gefordert, mit Deiner Paranoia „nur anderen Menschen nicht zu nahe kommen, könnten alle etwas haben“. Bei Dir fällt so eine Maske nicht auf; kennt man doch, dass Asiaten ständig mit den Dingern vorm Gesicht rumlaufen. Das soll jetzt nicht Rassismus sein. Es würde uns sicher anstehen, dass wir bei einem Schnupfen, auch mit so einem Fetzen vor Mund und Nase in den Bus stiegen. Trotzdem, es sind zwei verschiedene Kulturkreise, auch wenn „Ni hao“ phonetisch nahe an „Ciao“ liegt. Als ich mein Praktikum in Kyoto gemacht habe, hat man mich übrigens darauf aufmerksam gemacht, dass dort vor allem junge Gitschen Maske tragen - um die schlechten Zähne zu „verschleiern“. Habe nie Acht gegeben: Tragen die Muslima die Masken über oder unter ihrem Schleier? Ich schweife ab.
„Ich schau dir in die Augen Kleines“ hast Du immer gefrotzelt - Du bist mein Humphrey Bogart, ich Deine Ingrid Bergman. Aber Welsberg ist nicht Casablanca, obwohl es mir zuweilen vorkam, als wären wir 1941 mitten im Krieg.
Kein Mascara kann je einen Lippenstift ersetzen, auch weil rote Wimperntusche einfach bescheuert aussieht. Ich verstehe erst jetzt, wie wichtig die untere Gesichtspartie für unsere Kommunikation ist, wie anders ein Gesicht wird, wenn Mund und Nase hinzukommen - und wie besser einen die Verkäuferin hinter der Theke versteht, wenn man nicht durch eine KN95 nuschelt.

Es ist Deine Bedürftigkeit, die mich so ausgelaugt hat. Die ständige Wachsamkeit, was Du wohl tust, was Du sagst. Du hast nur genommen, nie gegeben. Unsere Beziehung war eine Einbahnstraße: Von mir zu Dir. Du bist wie die Briten: Me, myself and I. Die Dreifaltigkeit der Egomanie. Aber ich bin auch noch da. Brauche auch Wärme, eine Umarmung, Berührung und sei es ein Händeschütteln: Waren alle immer irritiert, wenn Du Deinen Ellbogen vorgereckt hast. Erreger, Bakterien, Viren - meine Hände sind von diesem ständigen Händewaschen ganz wund und rissig. Weißt Du was: Deine Hygieneregeln sind mir mittlerweile scheißegal! Natürlich, wasche ich mir nach dem Pippi-gehen und vor dem Kochen die Hände - das muss aber dann schon reichen. Du kannst Dir deine Alko-Gels und Desinfektionsmittel stecken! Und wenn ich in Zukunft Handschuhe trage, dann nur welche von Louis Vuitton, passend zu meiner Lieblingshandtasche ... oder zum Boarden.

Es ist mir klar geworden, dass Du in mir nur ein ... wie soll man das sagen ... ein Wirtstier siehst. Du spannst Menschen für deine Zwecke ein, saugst sie aus, missbrauchst sie für Deine Vorhaben und dann wirfst Du sie weg. Du hast mich missbraucht, hast mich weggeworfen. Hast Du den leisesten Schimmer wie man sich dabei fühlt? Wie weh das tut? Was das mit einem macht?
Ist dir klar, dass ich vielleicht nie mehr in meinem alte Job arbeiten werde? Glaubst Du, es macht mir Spaß Mittelschülern Nachhilfe zu geben? Deine Welt bricht einfach weg. Futschikato! Gone.
Das Geld rinnt dir durch die Finger und die verschissene Telefonrechnung und der Strom und die Fernwärme laufen über einen Dauerauftrag.
Ich war so hilflos. Zuweilen war mir so übel, dass ich am liebsten den lieben langen Tag gekotzt hätte: die Seele aus meinem Leib. Ich bin fast froh, dass schlicht keine Zeit war, sich Gedanken zu machen; sich elend zu fühlen. Ich musst mich ja um Dich kümmern und um Floh. Wenn ich nur daran denke, dass ich einen guten Teil der Zeit für Floh Dir geopfert habe, wird mir wieder übel. Nein, natürlich hat er das nicht verstanden; das mit Dir und mir. Wie bitteschön soll ein Sechsjähriger so was verstehen? Es zerreißt mir fast das Herz, wenn ich ihn mit dieser grenzdebilen Maske rumlaufen sehe, die ich ihm genäht habe - weil es der Signore so angeordnet hat. Dabei kann ich gar nicht nähen. Und ich täusche mich nicht, wenn ich Dir in Dein maskiertes Gesicht sage, dass ich gespürt habe, dass Du dich auch an ihm vergangen hättest, wenn Du die Chance dazu gehabt hättest. Perverslinge wie Dich sollte man wegsperren und dann den Schlüssel ins Meer werfen. Marianengraben. Das schlimmste ist, dass ich mich selbst an Floh versündigt habe: Ich hätte ihn schützen müssen vor alledem und habe versagt. Ich bin eine schlechte Mutter.

Damit ist jetzt Schluss! Neustart. Ich habe jemand kennen gelernt. Ich weiß nicht, ob und wann etwas daraus wird, doch es fühlt sich gut an. Er ist übrigens Deutsch-Amerikaner. Man sagt, er sei etwas unterkühlt, aber das macht mir nichts. Nach Dir kann es nur noch besser werden. Dich wünsche ich nicht mal den größten Ungusteln. Nicht mal dem Trump oder dem, dessen Name ich niemals nenne. (Okay, gerade fallen mir zwei ein, denen ich Dich an den Hals wünschen würde; behalte ich aber für mich. Alle die mich gut kennen, wissen wen ich meine).

So bleibt am Ende nur noch eines zu sagen: Fick Dich! Arschloch! Verrecken sollst Du - einsam und von allen verlassen.

In Liebe (just kidding),

Goggel Totsch