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Der Koalitionsausschuss

SALTO liegt das Koalitionsabkommen vor. Besonders interessant dabei: Es gibt zum ersten Mal ein neues Gremium, das die Umsetzung des Programms begleiten soll.
Inhalt
Foto: SALTO
  • Knapp 50 Seiten. Unterteilt in insgesamt 24 Kapitel plus Anhang. 
    So präsentiert sich das Koalitionsprogramm 2024-2028. Der noch geheime Entwurf, der am Montag in den Parteigremien der Regierungsparteien in spe abgesegnet werden soll, liegt SALTO exklusiv vor.
    Das Papier geht auf alle zentralen Bereiche der Südtiroler Politik ein. Nach der bereits von SALTO veröffentlichen Präambel werden die einzelnen Kapitel abgehandelt, wobei zu jedem Bereich auch konkrete Maßnahmen aufgezeigt werden, die die neue Regierung in den kommenden fünf Jahren umsetzen will.
    Dabei fällt auf, dass es sich bei den ersten zehn Kapiteln des Koalitionspapiers um thematische Bereiche handelt. Während die restlichen Kapitel auf die klassischen Ressorts der Landespolitik und -verwaltung zugeschnitten sind. In diesen Kapiteln werden im Abkommen nicht nur die Maßnahmen festgelegt, sondern es werden auch die Ziele aufgelistet, die die fünf Koalitionspartner bis 2028 erreichen wollen.

  • Überraschendes Kapitel 10

    Es ist keine Überraschung, dass es bereits im ersten Kapitel, um das für Arno Kompatscher und die SVP wohl wichtigste Thema geht: Die Autonomie. Es folgen drei Themenbereiche, die vor allem den italienischen Koalitionspartnern aber auch dem deutschen Juniorpartner, den Freiheitlichen, unter den Fingern brennen. Sicherheit,Prävention, sowie Immigration & Integration

  • Das Koalitionsabkommen: 24 Kapitel plus Anhang. Foto: SALTO
  • Ehrenamt verstärkt wieder in den Mittelpunkt“ lautet der Titel des siebten Kapitels. Sowohl die SVP wie die Freiheitlichen wollen hier ein gesellschaftliches Pulverfass entschärfen. Weiter geht es mit zwei Bereichen, in denen der Titel bereits Programm ist: „Schlanke und bürgernahe Verwaltung und digitale Zukunft für Südtirol“ (Kapitel 8) und „Für eine informierte, liberale, aufgeklärte, partizipative Öffentlichkeit“ (Kapitel 9). 
    Eine wirkliche Überraschung dürfte aber das zehnte Kapitel sein, denn dort greift man – wenn auch mit Verspätung – ein für das gesellschaftliche Zusammenleben wichtiges Thema und ein besonders heißes Eisen auf. Der Titel: „Gemeinschaftliche Aufarbeitung der Corona-Jahre“. Es wird sich in den kommenden Monaten zeigen, wie ernst es die Koalitionspartner mit dieser Aufarbeitung nehmen oder ob es nur darum geht, der Opposition Wind aus den Segeln zu nehmen. 

     

    „Ein besonders heißes Eisen fasst man in Kapitel 10 an: Gemeinschaftliche Aufarbeitung der Corona-Jahre“.

     

    Es folgen dann die Abhandlungen über die einzelnen Sachbereiche. Diese werden im Koalitionsprogramm so gereiht: Energie und Umwelt, Ländlicher Raum und Städte, Infrastrukturen und Mobilität, Sport, Gesundheit, Soziales & Senioren & Familie, Jugend, Wirtschaft und Landwirtschaft, Arbeit, Urbanistik, Wohnbau, Bildung, Kultur

  • Ein neues Instrument

    Wirklich neu in diesem Koalitionspapier aber ist ein Gremium, das es bisher in Südtirol noch nie gegeben hat. 
    In Kapitel 24 heißt es dort unter dem Titel „Arbeitsweise (Koalitionsausschuss)“:

    Der Koalitionsausschuss setzt sich aus je zwei Mitgliedern der Koalitionspartner und dem Landeshauptmann zusammen. Der Koalitionsausschuss übernimmt die Koordination zwischen den Fraktionen der Mehrheit und evaluiert fortlaufend die Arbeit der Mehrheit. Der Koalitionsausschuss ist ein Kollegialorgan. Demgemäß werden Anfragen an die Landesregierung und Beschlussanträge von Mitgliedern der Mehrheit noch vor Hinterlegung mit den zuständigen Landesräten/innen abgesprochen. Den Vorsitz des Koalitionsausschusses führt der Landeshauptmann.
    Der Koalitionsausschuss tagt viermal im Jahr und bei Bedarf. Der Koalitionsausschuss kann durch eine Fraktion der Mehrheit einberufen werden.
    Einmal jährlich tagt eine Koalitionsklausur, die die bisherig geleistete Arbeit der Mehrheit auf Grundlage der Koalitionsvereinbarung evaluiert und im Bedarfsfall und im Einvernehmen neue Schwerpunkte setzt.“

  • Sitz der Landesregierung Palais Widmann: Erstmals gibt es einen Koalitionsausschuss. Foto: Hannes Prousch
  • Demnach wird es ein 11köpfiges Leitungsgremium geben, das die Umsetzung des Koalitionsprogrammes begleiten wird und dem nicht nur gewählte Mandatare angehören. Eine Koordinationsgruppe zwischen den Parteien.

     

    „Diese Einrichtung macht aber auch deutlich, dass man recht realistisch das Spannungspotenzial unter den Koalitionspartnern einschätzt.“

     

    Diese Einrichtung macht aber auch deutlich, dass man recht realistisch das Spannungspotenzial unter den Koalitionspartnern einschätzt. Denn der Koalitionsausschuss ist eine Art Schiedsgericht zwischen den Regierungsparteien. So kann man einen möglichen Zwist außerhalb des Landtages und fernab der Öffentlichkeit austragen.
    Gleichzeitig aber ist dieses Gremium auch eine Schutzschild für Arno Kompatscher. Denn in der vergangenen Legislatur gab es immer wieder Heckenschützen im Hause SVP, die im Landtag gegen die Vorgaben der Landesregierung gearbeitet haben. 
    Durch die Kontrolle im Ausschuss wird diese Gangart weit schwieriger werden.
     

    Weitere  Details folgen auf SALTO.

Bei diesem Koalitionsabkommen hat sich vorab sogar schon mal der Sitz der Landesregierung bzw. der Palais Widmann „verbogen“ (deutlich zu sehen im obigen Bild)!
NB. Bin daher mehr als froh dass ich diesen meinen fast vierzig Jahre währenden Arbeitsplatz im Palais Widmann bzw. Landhaus 1 aufgrund Pensionsantritt vor über drei Jahren hab verlassen können und dieses nun beginnende „Regierungstheater“ nicht mehr mitansehen muss!

Dom, 01/07/2024 - 12:24 Collegamento permanente

Koalitionsausschüsse sind ein weit verbreitetes Instrumentarium. Gut, dass nun auch in Südtirol die Koalitionspartner ihre eigene Arbeit während der Legislaturperiode zwischendurch mal gemeinsam (kritisch) reflektieren, abstimmen und zielführend (neu) ausrichten.
Dass aber ein Koalitionsausschuss der Südtiroler Landesregierung nun soweit geht, das demokratische, freie Mandat der Abgeordneten in ihren Kernaufgaben einzuschränken, sodass nicht mal mehr Anfragen an die Landesregierung und Beschlussanträge von Mitgliedern der Mehrheit möglich sein sollen ohne diese vorher hinterlegt und mit den zuständigen Landesräten/innen abgesprochen zu haben, zeigt einmal mehr, wie es um das Demokratiegrundverständnis und den Respekt gegenüber dem Landtag bestellt ist.

Lun, 01/08/2024 - 11:29 Collegamento permanente

" Besonders interessant dabei: Es gibt zum ersten Mal ein neues Gremium, das die Umsetzung des Programms begleiten soll. "
Ein neuer Baustein Bürokratie.

Und was wird dieses Gremium alles tun dürfen und können?

Lun, 01/08/2024 - 11:58 Collegamento permanente

Sehr verwunderlich, dass in dem ersten Kommentar zu diesem neuen Gremium "Koalitionsausschuss" kritiklos über diesen Passus hinweggegangen wird: "Demgemäß werden Anfragen an die Landesregierung und Beschlussanträge von Mitgliedern der Mehrheit noch vor Hinterlegung mit den zuständigen Landesräten/innen abgesprochen." Nicht nur, dass der Fraktionszwang nicht endlich als verfassungswidrig geächtet wird (Art. 67: Ogni membro del Parlamento rappresenta la Nazione ed esercita le sue funzioni senza vincolo di mandato.). Nein, jetzt kommt noch ein "Schutzschild" für die "Mehrheit" dazu, mit dem alles, was an Anfragen und Beschlussanträgen aus den "eigenen" Reihen kommt, auf seine Mehrheitskompatibilität überprüft wird und mit dem/der Einbringer/in dann von den Regierungsmitgliedern höchstpersönlich ins Gewissen geredet werden kann. Nach meinem Verständnis ist eine solche Verpflichtung für einen Abgeordneten eine Infragestellung der Ausübung seines freien Mandates und verletzt damit die Verfassung. Erschreckend dieses Verständnis von parlamentarischer Demokratie, das solche Ausgeburten produziert. Und dass man sich auch noch getraut, das ganz unverschämt zur Grundlage für die Regierungsarbeit zu machen. Die Regierung schreibt den Abgeordneten vor, wie sie sich zu verhalten haben! Die Landtagsabgeordneten sind Teil der Legislative, die Regierung ist die Exekutive, erstere sind die Gesetzgeber, letztere ist die ausführende Gewalt - eigentlich und von Rechts wegen.

Lun, 01/08/2024 - 15:52 Collegamento permanente